Das Wichtigste zur neuen S3-Leitlinie

Dr. Miriam Sonnet

Die kürzlich veröffentlichte S3-Leitlinie gibt aktuelle Informationen rund um Diagnostik, Therapie und Nachsorge für erwachsene DLBCL Patient:innen. Die kürzlich veröffentlichte S3-Leitlinie gibt aktuelle Informationen rund um Diagnostik, Therapie und Nachsorge für erwachsene DLBCL Patient:innen. © Blue Planet Studio – stock.adobe.com

Kürzlich wurde eine S3-Leitlinie zur Diagnostik, Therapie und Nachsorge für Erwachsene mit diffus großzelligem B-Zell-Lymphom und verwandten Entitäten veröffentlicht. Das 280 Seiten umfassende Werk entstand unter Federführung der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie unter Mitwirkung von 32 weiteren Fachgesellschaften und Organisationen.

Mit einer Frequenz von rund 30 % ist das diffuse großzellige B-Zell-Lymphom (DLBCL) das häufigste Non-Hodgkin- Lymphom. Um Diagnostik und Behandlung über den gesamten Krankheitsverlauf evidenzbasiert zu standardisieren und zu optimieren, wurde kürzlich eine S3-Leitlinie veröffentlicht.

Diagnostik

Zur Diagnostik des DLBCL kommen verschiedene bioptische und bildgebende Verfahren zum Einsatz (s. Kasten). Entsprechend der Ausbreitung soll die Erkrankung nach der Lugano- Modifikation der Ann-Arbor-Klassifikation in Stadien eingeteilt werden. Es sollte kenntlich gemacht werden, ob B-Symptome vorliegen (Zusatz: B) oder nicht (Zusatz: A). Sind B-Symptome vorhanden, kann das eine Behandlungsindikation bei einem nicht-kurativen Konzept darstellen. Ist die Therapie kurativ, können wiederauftretende B-Symptome das erste Anzeichen eines Rückfalls sein. Um den Krankheitsverlauf vorherzusagen, soll zum Zeitpunkt der Erstdiagnose der ‚Internationale Prognostische Index‘ herangezogen werden.

Erstlinientherapie und Remissionskontrolle

Alle Patient:innen mit DLBCL-Erstdiagnose und ohne Einschränkung der Behandlungsfähigkeit erhalten eine Rituximab, Cyclophosphamid, Doxorubicin, Vincristin, Prednison (R-CHOP)-basierte Immunchemotherapie in kurativer Intention. Die Strategie richtet sich insbesondere nach dem Alter und der jeweiligen Risikokonstellation. Wurde eine komplette Remission nach Erstlinienbehandlung erreicht, soll keine Erhaltungstherapie oder konsolidierende Hochdosistherapie durchgeführt werden.

Nach etwa der Hälfte der geplanten Zyklen soll eine Remissionskontrolle mittels bildgebender Verfahren angeboten werden. Nach zwei Zyklen R-CHOP könne man eine Interim-PET/CT durchführen, schreiben die Autor:innen. Eine Remissionskontrolle soll nach Abschluss der geplanten Immunchemotherapiezyklen mittels PET/CT erfolgen. Ist dies nicht möglich, sollte eine Kontrastmittel-CT durchgeführt werden.

Jungere Patient:innen ≤ 60 Jahre

Für Betroffene ≤ 60 Jahre mit hoher Tumorlast sprechen die Leitlinien-Autor:innen eine Kann-Empfehlung für eine Vorphasentherapie mit Prednison aus. Alle jungen Erkrankten ohne eingeschränkte Behandlungsfähigkeit sollen außerhalb von klinischen Studien in kurativer Intention eine Immunchemotherapie mit R-CHOP oder ähnlichem Protokoll bekommen.

Patient:innen mit ZNS-Rezidiv haben eine sehr schlechte Prognose. Der ZNS-IPI-Score erlaubt es, Hochrisikopersonen mit einer Wahrscheinlichkeit für einen ZNS-Rückfall von > 10 % zu identifizieren. Im Fall eines hohen ZNS-IPI könne man, wenn keine Kontraindikationen vorliegen, eine ZNS-Prophylaxe mit Methotrexat erwägen, so die Expert:innen.

Junge Erkrankte mit sehr günstiger Prognose sollen vier Zyklen CHOP in Kombination mit sechs Gaben Rituximab erhalten. Bei erhöhtem Risiko sollte eine der folgenden Alternativen angeboten werden:

  • aaIPI* 1: Rituximab, Doxorubicin, Cyclophosphamid, Vindesin, Bleomycin, Prednison (R-ACVBP)
  • aaIPI 2-3: R-CHOEP
  • IPI 2-5: R-CHP Polatuzumab

Fitte Personen zwischen 61-80 Jahren

Ältere Patient:innen mit hoher Tumorlast sollten eine Vorphasentherapie mit Prednison erhalten. Ist die Behandlungsfähigkeit nicht eingeschränkt sollen ältere Erkrankte mit einer potenziell kurativen Immunchemotherapie nach dem R-CHOP- oder einem ähnlichem Schema behandelt werden. Weisen die Betroffenen einen IPI 2-5 auf, sollte ihnen R-CHP-Polatuzumab angeboten werden.

Sehr alte Betroffene oder solche mit Komorbiditaten

Personen, bei denen aufgrund von Alter oder Komorbiditäten die Standardbehandlung nicht möglich ist, sollten ein dosisreduziertes Regime, z.B. mit R-mini-CHOP oder eine Monotherapie zusammen mit Rituximab, bekommen. Alle Patient:innen sollen auf eine periphere Polyneuropathie vor jedem Zyklus überprüft werden. Eine Kann-Empfehlung sprechen die Autor:innen für den Ersatz von Vincristin gegen Vinorelbine im Fall einer vorbestehenden Neuropathie aus.

Rezidivtherapie

Bestehen Hinweise auf ein Rezidiv, soll eine Biopsie mit dem Ziel einer histologischen Sicherung durchgeführt werden. Hochdosisfähige Erkrankte mit frühem Rezidiv sollten eine CAR-T-Zell-Therapie mit Axicabtagen Ciloleucel oder Lisocabtagen Maraleucel erhalten.

Im Fall eines Spätrezidivs sollten hochdosisfähige Betroffene mit einer intensiven platinhaltigen Induktionstherapie in Kombination mit Rituximab behandelt werden. Beispiele sind laut Leitlinienkomitee R-GDP, R-DHAP oder R-ICE. Erreichen die Patient:innen nach 2-3 Zyklen einer Induktion mindestens eine partielle Remission, sollen sie eine Hochdosischemotherapie und autologe Stammzelltransplantation (ASZT) bekommen.

Personen, die nicht für eine Hochdosischemotherapie infrage kommen, soll man zur Remissionsinduktion folgende Therapien anbieten:

  • weniger intensives Immunchemotherapieprotokoll (z.B. R-GemOx) oder
  • Polatuzumab in Kombination mit Bendamustin und Rituximab oder
  • Tafasitamab und Lenalidomid

Die Möglichkeit einer lokalen Radiatio soll Erkrankten mit Befall in einer prinzipiell bestrahlbaren Lokalisation, die sich nicht für eine systemische Therapie eignet, präsentiert werden. Betroffene mit PET-positivem Restbefall sollten nach systemischer Zweitlinienbehandlung eine konsolidierende Radiation erhalten.

≥ 2. Rezidiv oder Progress

Bei Patient:innen soll im Fall einer primär kurativen Intention eine CAR-T-Zell-Therapie durchgeführt werden – sofern diese nicht bereits in der zweiten Linie erfolgt ist. Nach dieser (oder wenn sie nicht durchführbar ist), soll die Möglichkeit einer allogenen Stammzelltransplantation angeboten werden.

Hochdosistherapiefähigen Personen mit primär kurativer Intention soll die Möglichkeit einer weiteren konventionellen Immunchemotherapie präsentiert werden. Erreichen hochdosisfähige Betroffene dadurch eine partielle oder komplette metabolische Remission, sollte man ihnen auch jenseits der zweiten Linie eine konsolidierende Hochdosischemotherapie mit ASZT anbieten.

Bei primär palliativer Intention oder zum Bridging soll eine Therapie mit

  • Polatuzumab in Kombination mit Bendamustin und Rituximab oder
  • Tafasitamab und Lenalidomid oder
  • einer konventionellen Immunchemotherapie oder
  • zielgerichteten Substanzen oder
  • einer Bestrahlung

durchgeführt werden.

* altersadjustierter Internationaler Prognostischer Index

Quelle:
S3-Leitlinie „Diagnostik, Therapie und Nachsorge für erwachsene Patient*innen mit einem diffusen großzelligen B-Zell-Lymphom und verwandten Entitäten“

PET/CT zur Ausbreitungs- und Abschlussdiagnostik durchführen

Herr Prof. Borchmann, welchen Stellenwert haben Biopsie und PET/CT in der Diagnostik des DLBCL?

Prof. Dr. Peter Borchmann: Die Diagnose des diffusen großzelligen BZell- Lymphoms ist eine histopathologische, die Lymphknotenmaterial erfordert – am besten aus einer Exzisionsbiopsie. Core-Needle-Biopsien sind akzeptabel, aber es können hiermit Rebiopsien erforderlich werden. Feinnadelaspirationen sollten nicht mehr durchgeführt werden.

Die Baseline-PET/CT soll für die primäre Ausbreitungsdiagnostik durchgeführt werden. Ein relevanter Vorteil für die Patient:innen: Bei negativer PET/CT ist eine Knochenmark- Biopsie nicht mehr erforderlich. Die PET/CT hat sich leider noch nicht überall durchgesetzt, dabei wird sie für den Einsatz in der Ausbreitungsdiagnostik des DLBCL vergütet. Die PET/CT ist auch im Verlauf der Erkrankung bedeutsam, da wir die Bestrahlung PET-positiver Reste nach systemischer Therapie empfehlen. Dafür sollte das Abschlussstaging dann auch PETbasiert erfolgen. Hier wird die PET/ CT allerdings bisher nicht vergütet.

Wir hoffen, dass wir mit der Leitlinie eine Änderung bewirken können im Hinblick darauf, dass die PET/CT prominenter in der Diagnostik und zur Therapieplanung platziert wird.

Sind molekulare Veränderungen für die Diagnostik bedeutsam?

Prof. Borchmann: Molekulare Risikofaktoren wie MYC- und BCL2- Translokationen sind für die Therapie momentan nicht kritisch wichtig. Dennoch sollte man den Tumor auf molekulare Veränderungen untersuchen, weil dies auch in der WHOKlassifikation abgebildet ist. In der Praxis erfolgt eine molekulare Klassifikation nicht immer, da die immunhistochemische histopathologische Diagnose häufig gut zu stellen ist.

Welche prätherapeutischen Maßnahmen sollten erfolgen?

Prof. Borchmann: Fertilitätserhaltende Maßnahmen sollten bei nicht abgeschlossener Familienplanung angeboten werden. Eine sehr junge Frau, die R-CHOP in der Erstlinie bekommt, wird wahrscheinlich nicht infertil. Es kann aber dennoch passieren – gerade wenn die Patientinnen über 30 Jahre alt sind und die biologische Eizell-Reserve bereits etwas geringer ist. All diese Faktoren, die von Frau zu Frau sehr unterschiedlich sein können, sind nicht die Kernexpertise der Onkologie. Deswegen sollte man auf die Möglichkeit der Beratung durch Fertilitätsmediziner:innen zu fertilitätserhaltenden Maßnahmen hinweisen, zum Beispiel bei den Zentren des FertiPROTEKT Netzwerks.

Interview: Dr. Miriam Sonnet
Infos zum FertiPROTEKT: https://fertiprotekt.com/

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