
Hauptsache Androgendeprivation

Eine antihormonelle Therapie mit Suppression der endogenen Testosteronproduktion (Androgendeprivationstherapie, ADT) wirkt antiproliferativ und ist fester Bestandteil der Behandlung für Patienten mit einem metastasierten Prostatakarzinom. Auch bei lokalisierter Erkrankung ist eine vorübergehende ADT über maximal drei Jahre begleitend zur definitiven Strahlentherapie für Patienten mit Hochrisikoerkrankung (ISUP grade group 4–5, PSA ≥ 20 ng/ml, T-Stadium ≥ cT3 und/oder nodal-positive Erkrankung) eine etablierte Alternative zur radikalen Prostatektomie.1 Eine ADT erfolgt durch die Gabe von Analoga des Luteinizing hormone-releasing hormone (LHRH). LHRH stimuliert die Hypophyse zur LH-Produktion, welches wiederum die testikulären Leydigzellen zur Testosteronproduktion anregt. LHRH-Antagonisten (z. B. Degarelix, Relugolix) unterbinden die hypophysäre LH-Produktion direkt, wohingegen LHRH-Agonisten (z. B. Goserelin, Leuprorelin) durch eine Überstimulation der Hypophyse zur Erschöpfung der LH-Sekretion führen, sodass die gonadale Testosteronproduktion nach kurzzeitigem Überschuss zum Erliegen kommt.
379 Erkrankte mit hohem Rezidivrisiko nahmen teil
Auf der interdisziplinären Jahrestagung für urogenitale Tumoren in Lissabon (EMUC) wurden die Ergebnisse einer randomisierten Studie der EORTC vorgestellt.2 In der internationalen, multizentrischen Phase-3-Studie PEGASUS wurde untersucht, welche Form der ADT, der LHRH-Antagonist Degarelix oder ein LHRH-Agonist, parallel zur Bestrahlung für Patienten mit lokalisierter Hochrisikoerkrankung oder lokal fortgeschrittenem Prostatakarzinom besser wirkt.
Insgesamt 379 Patienten mit mindestens zwei Risikofaktoren (PSA ≥ 20 ng/ml, Gleason-Summenscore ≥ 8, cT3–4/pT3–4- und/oder cN1/pN1-Erkrankung) oder dem Nachweis von maximal drei metastasensuspekten Läsionen per funktioneller Bildgebung (68Ga-PSMA-PET) wurden randomisiert. Sie erhielten entweder einen LHRH-Agonisten oder den LHRH-Antagonisten Degarelix über 18 (23,4 % versus 18,8 % der Teilnehmenden), 24 (28,3 %/27,4 %) oder 36 Monate (48,4 %/53,8 %), beginnend maximal sechs Monate vor einer konventionellen (52,5 %/1,9 %), hypofraktionierten (42,9 %/35,9 %) oder metastasengerichteten Radiatio (5,1 %/5,5 %).
Primärer Studienendpunkt war das progressionsfreie Überleben definiert als Zeit von der Randomisierung bis zum Versterben, klinischer oder biochemischer Progression oder dem Beginn einer Folgetherapie. Der primäre Endpunkt wurde aufgrund schleppender Rekrutierung und begrenzter finanzieller Förderung nachträglich auf den PSA-Nadir sechs Monate nach Ende der Strahlentherapie geändert.
Niedrigster erreichter PSA-Wert als Endpunkt
Ein PSA-Nadir ≥ 0,1 ng/ml zu diesem Zeitpunkt korreliert mit einem kürzeren metastasenfreien Überleben und ist damit ein etablierter Prognosefaktor für schlechtere Therapieergebnisse. Als sekundäre Studienendpunkte wurden unter anderem die klinische Progressionsfreiheit, das Gesamtüberleben, die Zeit bis Umstellung der Systemtherapie, die Inzidenz kardiovaskulärer Ereignisse, Miktionsbeschwerden und die Lebensqualität in beiden Studienarmen untersucht.
Das mediane Alter teilnehmender Patienten betrug 72 Jahre und die Mehrheit der Erkrankten in beiden Studienarmen hatte einen PSA-Ausgangswert ≥ 20 ng/ml (61,7 %), einen Gleason-Summenscore ≥ 8 (74,7 %), ein klinisches T-Stadium cT3–4 (84,4 %) und keine Lymphknotenmetastasen (N0, 62,5%). Lediglich 6,3 % der Patienten hatten zwar keine Fernmetastasen in der konventionellen Bildgebung (CT/MRT und Knochenszintigrafie), jedoch bis zu drei metastasensuspekte Läsionen in der funktionellen, PSMA-gerichteten Bildgebung.
Für nahezu alle definierten Endpunkte zeigte sich kein Unterschied zwischen den Studienarmen. Einen PSA-Nadir < 0,1 ng/ml sechs Monate nach Ende der Bestrahlung erreichten 46,6 % der mit einem LHRH-Agonisten und 42,6 % der mit dem LHRH-Antagonisten behandelten Patienten (Odds Ratio (OR) 0,727; 95%-KI 0,43–1,22; p = 0,885). Auch im Hinblick auf das progressionsfreie oder Gesamtüberleben Teilnehmender zeigte sich kein signifikanter Vorteil für eines der beiden ADT-Verfahren.
Vertrautes und ähnliches Nebenwirkungsprofil
Die häufigsten Nebenwirkungen der LHRH-Agonisten oder des -Antagonisten waren erwartungsgemäß Fatigue (Grad 1–2, 20,1 % bzw. 29 %), Hitzewallungen (Grad 1–2, 37,5 % bzw. 39,8 %), Diarrhö (Grad 1–2, 28,8 % bzw. 14,2 %) und eine gesteigerte Miktionsfrequenz (Grad 1–2, 35,3 % bzw. 31,2 %), ohne dass diese sich signifikant zwischen den Wirkstoffklassen unterschieden. Zudem zeigte sich kein Unterschied in der von Erkrankten berichteten Lebensqualität oder der Besserung von Miktionsbeschwerden. Degarelix führte aber häufiger zu Reaktionen an der Injektionsstelle.
In beiden Studienarmen erlitten 6 % der ausgewerteten Patienten kardiovaskuläre Ereignisse während der Studienbehandlung. Allerdings zeigte sich bei gesonderter Betrachtung der 41 Teilnehmenden mit kardiovaskulären Ereignissen in der Vorgeschichte eine Häufung erneuter Ereignisse unter Therapie mit einem LHRH-Agonisten (4/19 Patienten (21,1 %), davon zwei letale Ereignisse, verglichen mit 1/22 Teilnehmenden (4,5 %).
Bei Personen mit kardiovaskulären Vorerkrankungen schien also der Einsatz des LHRH-Antagonisten die Gefahr für weitere kardiovaskuläre Ereignisse zu mindern. Diese Beobachtung deckt sich mit den Ergebnissen der HERO-Studie, in der eine geringere Zahl schwerer kardiovaskulärer Ereignisse unter dem oralen LHRH-Antagonisten Relugolix gegenüber Leuprorelin bei Patienten mit fortgeschrittenem Prostatakarzinom auftrat.3
Allerdings ist die Datenlage hierzu kontrovers. Resultate der randomisierten PRONOUNCE-Studie belegten im Vergleich zwischen Degarelix und Leuprolid bei Prostatakarzinomerkrankten jeglicher Stadien mit vorbekannter kardiovaskulärer Atherosklerose keinen Unterschied im Auftreten schwerwiegender kardiovaskulärer Ereignisse (5,5 % vs. 4,1 %) binnen zwölf Monaten der Androgendeprivation.4 Eine weitere retrospektive Analyse von 40.753 Betroffenen hatte indes eine höhere Rate kardiovaskulärer Ereignisse unter Therapie mit LHRH-Antagonisten gezeigt, wobei jedoch nur 4,4 % der Patienten in der Serie einen LHRH-Antagonisten erhalten hatten. Diese wiesen jedoch signifikant häufiger bereits kardiovaskuläre Ereignisse in der Vorgeschichte auf, sodass ein Selektionsbias hier nicht ausgeschlossen werden kann.5
Strategie der Androgen-deprivation scheint egal
Generell gilt, dass eine transiente Androgendeprivationstherapie begleitend zur definitiven Radiatio das krebsspezifische und Gesamtüberleben bei Patienten mit Hochrisikoerkrankung verlängert.6 Die Ergebnisse der PEGASUS-Studie bestätigen, dass es grundsätzlich egal ist, ob ein LHRH-Agonist oder -Antagonist für die chemische Kastration begleitend zu einer Strahlentherapie zum Einsatz kommt. Beide ADT-Ansätze sind äquivalent in ihrer Wirksamkeit, die Testosteronkonzentration auf Kastrationsniveau zu senken. Außerdem unterscheiden sie sich weder in den untersuchten Überlebenszeitendpunkten PFS und OS noch im Nebenwirkungsprofil oder ihrem Einfluss auf die Lebensqualität.
Quellen:
1. Cornford P et al. Eur Urol 2024; 86(2): 148-163; DOI: 10.1016/j.eururo.2024.03.027
2. Zilli T et al. 16th European Multidisciplinary Congress on Urological Cancers, Abstract O05
3. Shore ND et al. New Engl J Med 2020; 382(23): 2187-2196; DOI: 10.1056/NEJMoa2004325
4. Lopes RD et al. Circulation 2021; 144(16): 1295-1307; DOI: 10.1161/CIRCULATIONAHA.121.056810
5. Crawford ED et al. J Urol 2024; 211: 63-70; DOI: 10.1097/JU.0000000000003721
6. Bolla M et al. Lancet Oncol 2010; 11(11): 1066-1073; DOI: 10.1016/S1470-2045(10)70223-0
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