
Lumbale Radikulopathie erfordert Bewegung statt Bettruhe

Mehr als 60 % der Menschen über 60 Jahre weisen im Kernspin eine Diskushernie auf, von den jüngeren sind es immerhin 20–30 %. Doch selbst wenn eine Nervenwurzel durch den Prolaps komprimiert wird, bedeutet das nicht automatisch Schmerzen. Wiederholt hat sich gezeigt, dass mehr als die Hälfte aller Bandscheibenvorfälle keinerlei Beschwerden bei den Betroffenen verursacht. Umgekehrt wird man bei Zeichen einer lumbalen Radikulopathie in den meisten Fällen eine Diskushernie als Auslöser finden.
Für den Arzt bedeutet das vor allem eines: Augen auf in der Diagnostik, denn Differenzialdiagnosen werden leicht übersehen! Passt die Klinik nicht mit der nachgewiesenen morphologischen Veränderung in CT bzw. MRT zusammen, könnte zum Beispiel eine entzündliche oder diabetische Radikulopathie bzw. eine neuralgische Amyotrophie hinter den Beschwerden stecken.
Die Behandlung der bandscheibenbedingten Wurzelschädigung umfasst neben Aufklärung, Rückenschule und Bewegungstherapie, v.a. physikalische und manuelle Therapie, Medikation und invasive bzw. operative Verfahren. Bettruhe soll nur in der Akutphase, solange eine Mobilisierung nicht möglich ist, verordnet werden und nicht länger als vier Tage dauern. Spätestens dann sind Physiotherapie und Aktivität bei Patienten mit radikulären Syndromen angezeigt.
NSAR möglichst niedrig dosiert einsetzen
Zu Beginn eines lumboradikulären Schmerzsyndroms kann eine beschwerdebedingte Immobilität bestehen. In diesen Fällen eignet sich eine frühzeitige und ausreichende Schmerzlinderung mit NSAR und eventuell kurzfristig Muskelrelaxanzien. Unterschiede zwischen den NSAR-Präparaten bestehen anscheinend nicht. Die Autoren raten, die Anfangsdosis möglichst niedrig zu wählen und vor allem bei Älteren auf gastrointestinale Nebenwirkungen einschließlich Magenblutungen zu achten. Patienten mit gastrointestinalen Risiken sollten prophylaktisch einen PPI bekommen, z.B. Omeprazol 20–40 mg täglich. Bei starken akuten Schmerzen empfiehlt die Leitlinie kurzfristig retardierte Opioide für maximal drei Wochen.
Spinale Manipulationen sind beim akuten lumboradikulären Schmerzsyndrom kontraindiziert! Es gibt Hinweise darauf, dass eine Kombination aus Massage und Bewegungstherapie gegen subakute und chronische Rückenschmerzen potenziell hilft, jedoch ist die Datenlage sehr begrenzt. Bei akuter Radikulopathie mit ausgeprägtem Lokalsyndrom und paravertebralem Muskelhartspann eignet sich gemäß empirischer Daten eine Kombination aus Elektrotherapie und Bindegewebsmassage, um den Muskeltonus zu normalisieren und die Schmerzen zu lindern. Eine gezielte Physio korrigiert die Fehlhaltung und erhöht den Muskeltonus bei schmerzbedingter eingeschränkter Mobilität.
Liegt weitgehend eine intakte Nervenfunktion vor, reicht meist eine ambulante Behandlung aus. Eine schmerzbedingte Immobilität, die sich durch eine ambulante Behandlung nicht in den Griff bekommen lässt, oder Red Flags (s. Kasten) erfordern hingegen eine stationäre Einweisung. Bei fortschreitenden Lähmungserscheinungen oder Blasen-Mastdarm-Störungen raten die Experten, die Indikation für eine frühzeitige Operation zu prüfen.
Bei diesen Red Flags stationär einweisen
- vorausgegangenes Trauma bei älteren Menschen mit Frakturgefahr, auch Bagatelltraumata, Osteoporose
- Tumoranamnese/Infektion, Gewichtsverlust, Fieber, nächtliche Schmerzverstärkung
- progrediente Parese, nachlassende Schmerzen bei deutlicher Parese, Kauda-Syndrom, Miktionsstörung
Antiepileptika und -depressiva gegen Chronifizierung
Wenn die Schmerzen nicht innerhalb von zwölf Wochen abklingen, droht die Gefahr der Chronifizierung. Zeichnet sich diese ab, empfiehlt die Leitlinie eine Kombination aus physio- und psychotherapeutischen Verfahren, etwa Verhaltenstherapie. Beim Übergang von akuten zu chronischen Schmerzen können schmerzdistanzierende (Antidepressiva) und membranstabilisierende (Antiepileptika) Arzneimittel verabreicht werden. Die Autoren weisen darauf hin, dass bei chronifizierten Rückenschmerzen ohne radikuläre Ausstrahlung eine Operation in der Regel nicht hilft.Quelle: S2k-Leitlinie Lumbale Radikulopathie, www.awmf.org, AWMF-Registernr. 030/058
Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).