Magenschutz: Welcher Patient auf der Intensivstation wirklich PPI oder H2-Blocker braucht

Dr. Sascha Bock

Würfelspiel Stressulkus-Prophylaxe? Ab wann ein Magenschutz eingesetzt werden sollte, bleibt schwammig. Würfelspiel Stressulkus-Prophylaxe? Ab wann ein Magenschutz eingesetzt werden sollte, bleibt schwammig. © iStock/pepifoto

Nicht nur im ambulanten Bereich und auf Normalstation wird mit PPI und H2-Blockern um sich geschmissen. Auch einige intensivpflichtige Patienten erhalten unnötigerweise einen Magenschutz. Die richtigen Auswahlkriterien zu finden, ist allerdings leichter gesagt als getan.

Etwas mehr als ein Jahr ist es her, dass eine Studie die vorbeugende Gabe von Pantoprazol auf der Intensivstation infrage stellte.¹ Zwar traten unter PPI durchaus weniger gastrointestinale Blutungen auf. Doch nach 90 Tagen zeigte sich kein Netto-Nutzen bezüglich Mortalität und klinisch relevanter Ereignisse.

Ein internationales Team um den Pharmakologen Zhikang Ye der Capital Medical University in Peking nahm dieses Ergebnis nun zum Anlass, Empfehlungen zur Stressulkus-Prophylaxe für kritisch kranke Patienten aufzustellen.

Sucralfat sollte nicht verabreicht werden

Kritisch krank – das sind Personen mit einem lebensbedrohlichen akuten Leiden, die in der Regel auf einer Intensivstation behandelt werden, erklären die Autoren. Für ihre Praxisleitlinie haben sie deshalb 72 randomisierte Untersuchungen einschließlich der eingangs genannten mit insgesamt 12 660 intensivpflichtigen Patienten ausgewertet. Teilnehmer hatten PPI, H2-Blocker, Sucralfat oder Placebo eingenommen.

Fakten zur Blutungsprophy­laxe bei kritisch Kranken

  • Je höher das ­Blutungsrisiko, desto vorteilhafter eine ­Prophylaxe mit PPI oder H2-Blockern
  • PPI senken die Blutungsgefahr wahrscheinlich mehr als H2-Blocker
  • PPI und H2-Blocker könnten das Pneumonierisiko erhöhen
  • PPI und H2-Blocker haben wohl keinen Einfluss auf Mortalität, Aufenthaltsdauer im Krankenhaus und andere ­wichtige Outcomes
Eindeutig fällt nur das Urteil zu Sucralfat aus: Das Präparat senkt die Gefahr klinisch relevanter gastrointestinaler Blutungen nicht und sollte folglich nicht verabreicht werden. PPI und H2-Blocker erfüllen abhängig vom Risikoprofil des Betroffenen ihren Zweck. Bei einem initialen Hämorrhagierisiko von über 8 % gehen die Ereignisse durch die Prophylaxe um 3–5 % zurück, bei niedrigem Risiko (< 2 %) gelingt nur eine Reduktion um weniger als 1 %. Schwammig bleibt allerdings die Grenze, ab der ein Magenschutz zum Einsatz kommen sollte. Bei einer hohen Blutungsgefahr (> 4 %) scheint sich die Gabe anzubieten. Zu dieser Kategorie gehören kritisch Kranke mit
  • Koagulopathie,
  • mechanischer Beatmung ohne enterale Ernährung,
  • chronischer Lebererkrankung oder
  • zwei oder mehr der folgenden Faktoren: Schock, Sepsis, akuter Nierenschaden, mechanische Ventilation plus enterale Ernährung.
Allerdings lassen die Experten Spielraum für Patienten mit vermeintlich niedrigem Hämorrhagierisiko, z.B. wenn akutes Leberversagen und eine Therapie mit Antikoagulanzien zusammentreffen. Letztlich zählt das klinische Urteilsvermögen des behandelnden Arztes. Einen Überlebensvorteil darf man von der Magensäuresuppression nicht erwarten. Auch die Länge des Intensiv- bzw. Klinikaufenthaltes sowie die Dauer der künstlichen Beatmung ändert sich durch PPI oder H2-Blocker nicht. Dafür treten im Vergleich zu keiner Prophylaxe womöglich mehr Pneumonien auf, widersprüchliche Daten erschweren aber eine klare Aussage hierzu.

Magenschutz immer nur zeitlich begrenzt geben

Bei der Wahl des geeigneten Präparats müssen mögliche Arznei­interaktionen und Abbauwege berücksichtigt werden. So kann es unter PPI u.a. Wechselwirkungen mit Clopidogrel und Methotrexat geben. Und während die H2-Blocker Ranitidin und Famotidin das P450-System kaum tangieren, inhibiert Cimetidin die Cytochrom-Enzyme. Die Autoren bevorzugen eher PPI, versehen diese Tendenz aber nur mit einer schwachen Empfehlung. Beide Optionen seien vertretbar. Insbesondere fordern die Kollegen, den Magenschutz zeitlich zu begrenzen. Falls keine anderweitige Indikation bestehe, soll das Medikament abgesetzt werden, sobald der Patient nicht mehr kritisch krank ist oder sich seine Risikokonstellation verbessert. Ein Langzeitgebrauch führe nur zu weiteren Gefahren und Kosten.

Quellen:
¹ Krag M et al. N Engl J Med 2018; 379: 2199-2208; DOI: 10.1056/NEJMoa1714919
Ye Z et al. BMJ 2020; 368: l6722; DOI: 10.1136/bmj.l6722

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