Maßnahmen gegen Mangelernährung gehören zur Nachsorge eines bariatrischen Eingriffes

Dr. Judith Lorenz

Wer weniger als 60-70 g Eiweiß pro Tag isst, sollte zum Pulver greifen. Wer weniger als 60-70 g Eiweiß pro Tag isst, sollte zum Pulver greifen. © iStock.com/vovashevchuk

Für viele stark übergewichtige Patienten bietet die bariatrische Chirurgie den letzten Ausweg. Diese Eingriffe lösen zwar viele Probleme, sie schaffen aber auch neue.

In Deutschland sind 37 % der Frauen und 59 % der Männer übergewichtig – Tendenz steigend. Führen konservative Maßnahmen zu keiner ausreichenden Gewichtsabnahme, entscheiden sich viele Betroffene für eine OP.

„Alle Patienten sollten mit realistischer Vorstellung über perioperative Risiken, Ernährungsempfehlungen, lebenslange Nachsorge und lebenslange Vitamin- und Spurenelementsubstitution in eine bariatrische Operation gehen“, schreiben Dr. Nadine Oberänder vom Adipositaszentrum der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Onkologische Chirurgie am Klinikum St. Georg in Leipzig und ihr Kollege.

Eine wesentliche Voraussetzung für den Therapieerfolg: die richtige Ernährung nach dem Eingriff. Wiederholte Schulungen der Patienten sind diesbezüglich unabdingbar. Zur medizinischen Nachbetreuung gehört neben der Wundversorgung und der Überwachung von Gewichtsverlauf, Mahlzeiten­gestaltung und Trinkmenge auch, Veränderungen der Blutdruck- und Blutzuckerwerte zu dokumentieren und die Patienten zu regelmäßiger körperlicher Aktivität zu motivieren. Durch das intermittierende Führen eines Ernährungstagebuchs lassen sich sowohl Energiedefizite als auch die Aufnahme zu hoher Energiemengen rechtzeitig erkennen.

Tipps für verkleinerte Mägen

  • kleine Mahlzeiten
  • bei Sättigungsgefühl Nahrungsaufnahme beenden
  • drei bis fünf eiweißreiche, fett-, zucker- und kochsalzarme Mahlzeiten pro Tag
  • gut verträgliche Nahrungsmittel (keine stark gebratenen, scharf gewürzten Speisen, kein Kohlgemüse oder Hülsenfrüchte)
  • sehr gut und lange kauen
  • Flüssigkeit unabhängig von den Mahlzeiten zuführen
  • Trinkmenge 1,5 bis 2 Liter (stilles Wasser, ungesüßter Tee) 

In der Praxis gilt es zudem, eine Reihe typischer Probleme zu lösen: Bei Refluxbeschwerden, die vor allem nach Schlauchmagenanlage drohen, empfiehlt sich eine Therapie mit Protonenpumpenhemmern. Postprandiale Übelkeit gründet meist auf zu schneller Aufnahme zu großer Portionen, mangelhaftem Kauen oder übermäßiger Flüssigkeitszufuhr zu den Mahlzeiten und Stuhlunregelmäßigkeiten (Steatorrhoe, Flatulenz) können durch fettreiche Mahlzeiten bedingt sein. Nach Anlage eines Magenbypasses besteht außerdem die Gefahr eines Dumping-Syndroms: Hierbei kommt es nach Aufnahme zuckerhaltiger Nahrungsmittel infolge einer zu schnellen Magenpassage zur Ausschüttung großer Insulinmengen, die eine Hypoglykämie hervorrufen.

Je länger die OP her ist, desto schlechter wird die Adhärenz

Ein wesentlicher Fokus der Nachsorge liegt auf der Versorgung mit Mikronährstoffen und Eiweiß. Die meisten Patienten müssen lebenslang täglich Multivitaminpräparate, Kalziumzitrat und Vitamin D zu sich nehmen. Ausreichende Vitamin-B12-Spiegel sind nur durch i.m.-Injektionen zu erzielen. Für viele Betroffene gestaltet sich zudem die Eiweißversorgung schwierig: Schaffen es die Patienten nicht, mindestens 60–70 g täglich aufzunehmen, droht ein massiver Verlust an Muskelmasse. In diesen Fällen empfiehlt sich der Einsatz von Proteinpräparaten, beispielsweise als Pulver oder Drinks.
Der Mangel tritt in Erscheinung
Vitamin D / KalziumOsteopenie / Osteoporose
Vitamin ANachtblindheit
Vitamin B1Wernicke-Enzephalopathie, bariatrischer Beriberi
Vitamin B12Anämie, neurologische Störungen
Vitamin Cgestörte Thiaminaufnahme
EisenAnämie
ZinkAlopezie, Acrodermatitis enterohepatica, Diarrhoe
FolsäureAnämie, Frühgeburten, fetale Fehlbildungen (Neuralrohrdefekte)
Vitamin KBlutungsneigung
ProteineDiarrhö, Steatorrhoe, Eisenmangelödeme, Gewichtsverlust, Leberversagen
Mit zunehmendem Abstand von der Operation sinkt allerdings häufig die Adhärenz. Um schwerwiegende Mangelsymptome, die sich zum Teil erst nach längerer Zeit manifestieren, rechtzeitig zu erkennen, raten die Autoren dazu, regelmäßig die Vitaminspiegel, die Elektrolyte, die Protein-, Eisen- und Kalziumstoffwechsel-Parameter, das Blutbild sowie Nieren- und Leberwerte zu bestimmen. Hausärzte werden zukünftig verstärkt mit bariatrisch operierten Patienten und deren spezifischen Problemen konfrontiert sein. Damit die adipösen Patienten langfristig von dem Eingriff profitieren, bedarf es einer engen Kooperation mit den Adipositaszentren. Die Kontrolle der Adhärenz und des Mikronährstoffstatus rückt dabei aber zunehmend in den Verantwortungsbereich des Hausarztes.

Quelle: Oberänder N, Weimann A. internistische praxis 2018; 59: 68-76

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Wer weniger als 60-70 g Eiweiß pro Tag isst, sollte zum Pulver greifen. Wer weniger als 60-70 g Eiweiß pro Tag isst, sollte zum Pulver greifen. © iStock.com/vovashevchuk