Mastzellen außer Kontrolle

Dr. Franziska Hainer

Die Dunkelziffer von Mastozytose-Betroffenen ist hoch, denn viele Ärzt:innen kennen sich mit der Krankheit zu wenig aus, sodass diese unentdeckt bleibt. Die Dunkelziffer von Mastozytose-Betroffenen ist hoch, denn viele Ärzt:innen kennen sich mit der Krankheit zu wenig aus, sodass diese unentdeckt bleibt. © uday – stock.adobe.com

Von harmloser Gesichtsrötung bis zum anaphylaktischen Schock: Eine systemische Mastozytose kann viele Beschwerden verursachen. In fortgeschrittenen Fällen sind sogar ausgeprägte Organmanifestationen möglich. Die seltene Erkrankung zu erkennen und zu behandeln ist deshalb obligat.

Die systemische Mastozytose bleibt häufig unerkannt, und ihre Dunkelziffer ist hoch. Das liegt daran, dass die Symptome so vielfältig sind und Ärztinnen und Ärzte oft nur wenig Erfahrung mit dieser sehr seltenen Erkrankung haben, vermuten Dr. Lorenz Oelschläger und Prof. Dr. Nikolas von Bubnoff vom UKSH Lübeck. Gekennzeichnet ist die systemische Mastozytose durch eine variable Vermehrung atypischer Mastzellen, der in den meisten Fällen eine Mutation der Rezeptortyrosinkinase cKIT zugrunde liegt. Diese aktivierende Mutation führt zur klonalen Expansion von Mastzellen in Knochenmark, Haut und viszeralen Organen. Die durch diverse Trigger ausgelöste chronische oder episodische Mediatorfreisetzung bewirkt die unterschiedlichsten Symptome.

Während bei Kindern die kutane Mastozytose meist führend ist, kommt bei Erwachsenen eher die systemische Variante vor. Rötung, Juckreiz, Diarrhöen und Anaphylaxie können als klinische Zeichen der vermehrten Mastzelldegranulation auftreten. Bei fortgeschrittener systemischer Mastozytose drohen außerdem Organkomplikationen wie Zytopenien, Aszites und Lymphadenopathien. Zu den fortgeschrittenen Formen gehören u.a. die Mastozytose mit assoziierter hämatologischer Neoplasie und die Mastzellleukämie. Diese schweren Erkrankungen gehen mit einer kürzeren Lebenserwartung einher. 

Validierte Prognosescores (international prognostic scoring system for mastocytosis, IPSM) helfen bei der Vorhersage des Krankheitsverlaufes.
Patienten, die mit klinischen Zeichen einer atypischen Mastzellreaktion auffallen, sollten zunächst zu möglichen Auslösern befragt werden. Typische Trigger sind: 

  • emotionaler/physischer Stress
  • histaminhaltige Nahrungsmittel
  • Alkohol
  • Allergene
  • Wechsel heiß/kalt, Sonne
  • Insektengifte
  • Medikamente (NSAR, Narkotika, Muskelrelaxanzien)

In der körperlichen Untersuchung liegt besonderes Augenmerk auf einer möglichen Spleno- und Hepatomegalie oder Lymphadenopathie. Bei Verdacht auf eine Mastozytose ist eine Blutentnahme mit Differenzialblutbild und Bestimmung der Serumtryptase empfohlen. Diese zeigt chronische oder episodische Mastzelldegranulation an und eignet sich auch als Verlaufsparameter (kann allerdings auch bei anderen Erkrankungen erhöht sein). Unerlässlich für die Diagnose einer Mastozytose ist die Knochenmarkbiopsie, bei entsprechender Symptomatik auch Organbiopsien (z.B. Duodenum, Ileum). Nach der Bestätigung der Diagnose anhand der aktuellen WHO-Kriterien (siehe Kasten) sind Abdomensonografie, Knochendichtemessung und bei Verdacht auf Osteolysen eine CT/MRT angezeigt.

Es werden Major- und Minorkriterien unterschieden. Für eine gesicherte systemische Mastozytose müssen je ein Majorkriterium und ein Minorkriterium oder ≥ 3 Minorkriterien vorliegen.
MajorkriteriumMinorkriterien
  • multifokale, dichte Mastzellinfiltrate (≥ 15) im Knochenmark oder
  • multifokale, dichte Mastzellinfiltrate (≥ 15) im extrakutanen Organ
  • > 25 % der Mastzellen spindelförmig oder atypisch
  • cKIT D816V oder andere cKIT-Mutationen
  • Mastzellen mit Expression von CD2, CD25 oder CD30
  • Serumtryptase persistierend über 20 ng/ml (bei klonaler myeloischer Erkrankung nicht verwertbar)

Wichtigste Maßnahme bei Mastozytose ist die Vermeidung von auslösenden Stimuli. Nach Anaphylaxie aufgrund eines Wespenstichs und entsprechendem IgE-Nachweis sollten Mastozytose-Kranke lebenslang gegen Insektengift hyposensibilisiert werden. Alle Betroffenen sollten zudem einen Notfallpass und ein Notfallset (H1-Blocker, Glukokortikoid, Adrenalinpen) mit sich führen. 

Eine Basistherapie mit Histaminrezeptorblockern (H1, ggf. zus. H2) reduziert zudem die Mediatorfreisetzung. Die Autoren schlagen hierfür mehrere Optionen vor: Desloratadin oder  Rupatadin, ggf. in Kombination mit Famotidin. Als Reservemedikament kommt Ketotifen infrage. Omalizumab ist eine Option bei rezidivierenden anaphylaktischen Ereignissen (off label), Cromoglicinsäure bei gastrointestinalen Manifestationen. Osteopenie und Osteoporose erfordern eine entsprechende Therapie, je nach T-Score und stattgehabten Frakturen z.B. mit Bisphosphonaten oder Denosumab.

Viele Betroffene mit fortgeschrittener systemischer Mastozytose profitieren von einer zielgerichteten Therapie mit Midostaurin oder Avapritinib (Multikinaseinhibitor bzw. Kinaseinhibitor). Bleiben diese Medikamente wirkungslos, sind Chemotherapie und allogene Stammzelltransplantation zu erwägen. Die Therapie sollte in Zusammenarbeit mit einem Mastozytose-Schwerpunktzentrum geplant werden, empfehlen die Autoren und weisen auf das europäische Kompetenznetzwerk Mastozytose (ECNM) hin.

Quelle: Oelschläger L, von Bubnoff NCC. internistische praxis 2024; 67: 611-619

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