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Mehr Trittsicherheit im Umgang mit Bronchiektasen

Die Therapieoptionen für die mehr als 100.000 Menschen, die in Deutschland mit einer Bronchiektasen-Erkrankung leben, sind nach wie vor unbefriedigend, schreiben die Autoren einer neuen Leitlinie zum Thema. Die irreversiblen sackförmigen Ausweitungen der Bronchien können im Zusammenhang mit einer Reihe von verschiedenen Krankheiten auftreten. Der Behandlung der jeweiligen Grunderkrankung kommt eine wichtige Rolle zu. Doch nicht immer findet man die Ursache, ein gutes Drittel darf als idiopathisch betrachtet werden.
Besteht aufgrund typischer Symptome (z. B. nahezu täglicher Husten, Auswurf, Exazerbationen) ein klinischer Verdacht, erfolgt die Abklärung per Computertomografie. Eine Alternative für jüngere Patienten oder serielle Untersuchungen bietet die MRT. Im besten Fall lässt sich anhand des radiologischen Befunds zwischen Bronchiektasen vom zylindrischen, varikösen und/oder zystischen Typ unterscheiden. Handelt es sich um einen radiologischen Zufallsfund ohne klinische Entsprechung, spricht man von Bronchiektasen, ansonsten von Bronchiektasie oder Bronchiektasen-Erkrankung. Die klinische Relevanz von asymptomatischen Fällen ist unbekannt.
In der Therapie der Bronchiektasen-Erkrankung geht es neben Symptomkontrolle und -linderung u. a. darum, die Progression zu verzögern und Komplikationen inklusive Krankenhauseinweisungen zu verhindern. Das Behandlungskonzept sollte sich an den vordringlichen Problemen des einzelnen Patienten orientieren. Betroffene müssen wissen, dass sie an einer chronischen Erkrankung leiden, deren vollständige Heilung nur in Ausnahmefällen gelingt.
Empfehlungen in speziellen Lebensphasen
- Vermutete genetische Ursache: Betroffenen soll zu einer humangenetischen Beratung geraten werden.
- Kinderwunsch/Schwangerschaft: Die pneumologische Therapie soll in Abstimmung mit allen behandelnden Fachdisziplinen und Berufsgruppen erfolgen. Für die Geburt ist nach Möglichkeit eine Klinik mit pneumologischer Expertise inkl. Perinatalzentrum zu wählen.
- Endgradiges Stadium: Bei ungünstiger Prognose der Bronchiektasen-Erkrankung soll Betroffenen eine Palliativversorgung angeboten werden.
Nicht-medikamentöse Therapie
Rauchstopp, Atemphysiotherapie, individualisiertes Kraft- und Ausdauertraining sowie generell ein ausreichendes Maß an Tagesaktivität, so lauten die allgemeinen nicht-medikamentösen Maßnahmen zur Behandlung der Bronchiektasen-Erkrankung. Eine spezielle pneumologische Reha kommt in Betracht, wenn körperliche, soziale oder psychische Krankheitsfolgen trotz angemessener medizinischer Betreuung die Teilnahme am Berufs- und Alltagsleben stark einschränken.
Medikamentöse Therapie
Spezifische medikamentöse Therapien für die Erkrankung gibt es nicht. Bei relevanter Sekretretention kann die Inhalation von iso- oder hypertoner NaCl-Lösung die Hustensymptomatik und die Lebensqualität bessern. Eine Verneblung soll stets über ein Mundstück erfolgen. Ein geeignetes leistungsstarkes Gerät und eine Schulung hinsichtlich der korrekten Inhalationstechnik sind obligatorisch. Um den sekretolytischen Effekt der Atemphysiotherapie zu verstärken, können Salbutamol und/oder Ipratropium zum Einsatz kommen. Fertiginhalate in Einzeldosis sind zu bevorzugen, die Autoren raten aus hygienischen Gründen explizit von selbst hergestellten NaCl-Lösungen mit Leitungswasser ab. Die bei Mukoviszidose eingesetzte rekombinante humane DNase (Dornase alfa) ist für Bronchiektasiepatienten keine Option. In Studien erhöhte sie die Exazerbationsfrequenz und verschlechterte die Lungenfunktion.
Augenmerk auf Risikogruppen
Manche Patienten mit Bronchiektasen-Erkrankung haben ein erhöhtes Risiko für eine starke Symptombelastung, einen progredienten Verlauf, Komplikationen und eine erhöhte Mortalität. Dies gilt u. a. in folgenden Fällen:
- ≥ 2 Exazerbationen pro Jahr (v. a. bei chronischer Infektion mit P. aeruginosa)
- schwere und rasch fortschreitende Ventilationsstörung
- Infektion mit nicht-tuberkulösen Mykobakterien
- bestehende Aspergillose (ABPA, CPA)
- angeborene oder intensive iatrogene Immunsuppression (z. B. nach Organtransplantation)
- primäre ziliäre Dyskinesie
Die Betreuung der Betroffenen sollte in enger Zusammenarbeit mit einem spezialisierten Zentrum erfolgen.
Der Einsatz von Bronchodilatatoren ist in der Therapie der Bronchiektasen-Erkrankung übliche Praxis, ihr Nutzen allerdings in Studien kaum untersucht. Bei Dyspnoe, obstruktiver Ventilationsstörung und/oder Emphysem können lang wirksame Bronchodilatatoren erwogen werden. Liegt ein komorbides Asthma oder eine COPD vor, soll jeweils eine entsprechende leitliniengerechte Behandlung eingeleitet werden.
Hinsichtlich OTC, Leukotrienantagonisten, Roflumilast, Theophyllin oder Statinen raten die Autoren zur Zurückhaltung. Belastbare Studiendaten liegen nicht vor. Eine langfristige Gabe komme deshalb lediglich in Betracht, wenn eine antiinflammatorische Medikation aufgrund der Ätiologie oder einer Begleiterkrankung angezeigt ist.
Zum Umgang mit Antibiotika besteht innerhalb des Leitliniengremiums ein starker Konsens, der von den Empfehlungen der ERS abweicht: Patienten, die im zurückliegenden Jahr ≥ 2 Exazerbationen oder ≥ 1 krankenhauspflichtige Exazerbation erlitten haben, sollten eine Langzeitantibiose über mindestens sechs Monate erhalten. Besteht eine chronische P.-aeruginosa-Infektion, werden inhalative Antibiotika (z. B. Gentamicin, Colistin, Tobramycin)und/oder Azithromycin empfohlen, ansonsten genügt in erster Linie Azithromycin. Eine Resistenztestung vor dem Start der inhalativen Therapie erachten die Autoren als nicht nötig. Im Vorfeld und Verlauf einer Langzeittherapie mit Azithromycin raten sie allerdings zu EKG (QTc-Zeit-Verlängerung!), kursorischer Hörprüfung (Innenohrtoxizität!) und zum Check der Begleitmedikation. Zudem wird dringend empfohlen, abzuklären, ob eine Infektion mit nicht-tuberkulösen Mykobakterien vorliegt, da unter Azithromycin ein Risiko für eine prognostisch ungünstige Makrolidresistenz besteht. Die Experten weisen darauf hin, dass die langfristige Verordnung von Antibiotika stets off label erfolgt.
Chirurgische Eingriffe
Kommt es nach mindestens einjährigem Ausschöpfen aller konservativen Optionen zum Therapieversagen, kann im Einzelfall eine chirurgische Maßnahme sinnvoll sein. Die Indikation soll im interdisziplinären Konsens gestellt werden. Als Standard gilt eine anatomische minimalinvasive Teilresektion. Ein Transplantationszentrum sollte hinzugezogen werden bei einer FEV1 < 30 % vom Soll, klinisch instabiler Erkrankung oder rapider Verschlechterung trotz optimierter Therapie. Eine frühzeitige Listung zur Transplantation kommt u. a. infrage bei:
- refraktären Hämoptysen bzw. Hämoptoe,
- pulmonaler Hypertonie,
- vorheriger Intensivtherapie oder
- chronischem respiratorischem bzw. ventilatorischem Versagen mit Indikation zur Langzeit-Sauerstofftherapie oder Beatmung
Die Leitlinienautoren empfehlen regelmäßige Kontrolluntersuchungen, um den Therapieerfolg überprüfen und die Strategie ggf. anpassen zu können. Aufgrund der erhöhten Anfälligkeit für Atemwegsinfektionen und Exazerbationen raten sie dazu, den Impfstatus aktuell zu halten. Neben Grundimmunisierungen gemäß STIKO geht es dabei v. a. um Pertussis, Influenza sowie um den Schutz vor Pneumokokken, RSV und SARS-CoV-2, aber auch um Herpes zoster.
Quelle: S2k-Leitlinie „Management erwachsener Patientinnen und Patienten mit Bronchiektasen-Erkrankung“, AWMF-Register-Nr. 020-030, www.awmf.org
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