
Metamizol nur mit Blutbild?

Das Leitsymptom des 77-jährigen Patienten, der sich im Krankenhaus vorstellte, war unklares Fieber (39,4 °C) mit Diarrhöen. Im Verlauf verschlechterte sich sein Allgemeinzustand zusehends und es zeigte sich ein beginnendes akutes Nierenversagen. Laborchemisch fielen eine Leukopenie mit Agranulozytose, eine makrozytäre Anämie und eine Thrombozytopenie auf.
Nach Ausschluss einer Reihe von Differenzialdiagnosen bestand der dringende Verdacht auf eine Agranulozytose durch Metamizol. Das Schmerzmittel nahm der Patient nach Implantation einer Schulterprothese bei Bedarf. Unter einer breiten antibiotischen Abdeckung sowie Isolierung und der Gabe von Granulozyten-Kolonie-stimulierendem Faktor normalisierten sich sowohl das Blutbild als auch der klinische Zustand des Mannes vollständig. Metamizol gilt als häufigster medikamentöser Auslöser einer Agranulozytose, vemittelt über eine Immunreaktion.
Die Inzidenz für diese schwerwiegende Nebenwirkung liegt bei etwa 0,56 Fällen pro 1 Million Einwohner pro Jahr, schreibt das Team um Sabine Mayer von der Medizinischen Klinik und Funktionsdia-gnostik am Sana Krankenhaus Gerresheim. In vielen anderen Ländern der Europäischen Union, aber auch den USA, Australien und Japan, wurde das Analgetikum deswegen bereits vor Jahrzehnten vom Markt genommen. Doch hierzulande scheint man die Gefahr zu unterschätzen.
Bei Einnahme regelmäßig das Blutbild kontrollieren
Zwar gibt es nur noch ein enges Indikationsspektrum (starke akute bzw. chronische Schmerzen nach Operationen und Verletzungen, Koliken, Tumorschmerzen und hohes therapierefraktäres Fieber), doch die Zahl der Verordnungen stieg in Deutschland zwischen 1990 und 2012 erheblich an. Das beruht vermutlich auf der guten schmerzstillenden und fiebersenkenden Wirkung bei scheinbar guter Verträglichkeit. Parallel dazu häuften sich aber auch die Fälle gemeldeter Agranulozytosen. Zu derem charakteristischen Vollbild gehört die Trias aus (neutropenischem) Fieber, Angina tonsillaris und Stomatitis aphthosa, die in der Regel 7 Tage bis einige Wochen nach der Einnahme auftritt. Bei 60 % der Patienten entwickelt sich eine Sepsis. Die Letalität liegt bei etwa 5 %.
Diese Mittel können auf‘s Knochenmark gehen
- Analgetika (Metamizol)
- Neuroleptika (Clozapin, Clomipramin, Carbamazepin)
- Thyreostatika (Carbimazol, Thiamazol, Perchlorat)
- Sulfonamide (Cotrimoxazol)
- Sulfasalazin
- Ticlopidin
Neben einer strengen Indikationsstellung sind deshalb insbesondere bei einer längeren Einnahme von Metamizol oder anderen Medikamenten mit erhöhtem Agranulozytoserisiko regelmäßige Blutbildkontrollen sehr wichtig (in den ersten 6–8 Wochen alle 2–3 Wochen, später vierteljährlich). Außerdem muss der Patient über mögliche Zeichen wie Fieber, Halsschmerzen oder Entzündungen im Mund Bescheid wissen. Bei gestörter Knochenmarksfunktion (z.B. nach Chemotherapie) ist Metamizol gänzlich kontraindiziert.
Quelle: Mayer S et al. Internist 2017; 58: 740-744
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