
Methotrexat aus dem Schussfeld, Antifibrotika im Anmarsch

Immunvermittelte Entzündung und die nachfolgende Zerstörung der Lungenarchitektur sind die zentralen Treiber interstitieller Lungenerkrankungen (ILD). Darauf zielen auch die medikamentösen Behandlungsmöglichkeiten, schreiben Dr. Zhe Wu vom National Heart and Lung Institute, Imperial College London, und Dr. Philip Molyneaux, Royal Brompton and Harefield Hospitals in London. Neben Glukokortikoiden, die aufgrund ihrer unerwünschten Wirkungen so niedrig dosiert und so kurz wie möglich gegeben werden sollten, sind dies Immunsuppressiva und seit neuestem antifibrotische Wirkstoffe.
Alle drei Wirkstoffklassen kommen auch bei der systemischen Sklerose (SSc) zum Einsatz, die am häufigsten mit einer ILD einhergeht. 70–90 % der SSc-Patienten leiden darunter, ein hoher Prozentsatz der Betroffenen stirbt daran. Meist folgt die ILD dem Muster der nicht spezifischen interstitiellen Pneumonie (NSIP), ein wesentlicher Anteil der Kranken entwickelt zusätzlich eine pulmonale Hypertonie.
Das Ausmaß der Fibrose bestimmt die Prognose. Therapiebedarf besteht, wenn die Lunge laut hochauflösender CT (HRCT) zu mehr als 30 % befallen ist sowie bei 10–30%igem Befall mit einer forcierten Vitalkapazität (FVC) < 70 %. Eingesetzt wurden traditionell vor allem Glukokortikoide. Um diese einzusparen, prüfte man in randomisierten Studien verschiedene therapeutische Ansätze.
Orales Cyclophosphamid bessert Dyspnoe und Haut
Orales Cyclophosphamid (CYC) (1–2 mg pro kg/Tag) hatte gegenüber Placebo in der SLS*-I-Studie nach einem Jahr Behandlung einen mäßigen, aber signifikanten Effekt auf FVC und totale Lungenkapazität (mittlere Verbesserung 2,5 % und 4,1 %). Auch Dyspnoe, Hautbild und funktioneller Status besserten sich. Zudem ließ die CT im Placeboarm häufiger ein Fortschreiten der Fibrose erkennen. Ein Jahr nach Absetzen des CYC war der FVC-Nutzen jedoch nicht mehr nachzuweisen.
In der Folgestudie (SLS II) wurde der Effekt einer einjährigen CYC-Therapie mit dem einer zweijährigen Mycophenolat-Mofetil(MMF)-Behandlung verglichen. Bezüglich der Wirkung erwiesen sich beide Therapieregimes als vergleichbar, wobei die Patienten MMF besser vertrugen. Vor allem das Risiko für Leukopenie und Thrombopenie lag unter MMF deutlich geringer.
In der FAST**-Studie kombinierte man Low-Dose-Glukokortikoide mit sechs monatlichen CYC-Infusionen (600 mg/m2 KOF), gefolgt von Azathioprin (2,5 mg/kg KG/Tag). Sowohl klinische als auch radiologische Befunde besserten sich, allerdings ohne Signifikanz. Das könnte einer zu kleinen Kohorte geschuldet sein, vermuten die Autoren. Bemerkenswerterweise wurde die intravenöse Applikation von CYC besser vertragen als eine orale.
Neben den antientzündlichen bzw. immunsuppressiven Wirkstoffen sind Antifibrotika neue Hoffnungsträger bei Lungenfibrosen. Pirfenidon und Nintedanib konnten schon bei der idiopathischen Lungenfibrose (IPF) punkten. Nun wurde Nintedanib in der SENSCIS-Studie an 576 SSc-ILD-Patienten geprüft. Die Hälfte der Patienten stand außerdem unter einer MMF-Therapie, die andere nicht. Nintedanib hielt die Lungenfibrose in beiden Gruppen auf: Die relative Reduktion der FVC-Abnahme betrug 40 % im MMF-Kollektiv bzw. 46 % in der Non-MMF-Gruppe. Damit erreichte es ähnlich hohe Raten wie in Studien zu IPF. Ein Einfluss auf Dyspnoe, Haut und Lebensqualität ließ sich allerdings nicht nachweisen.
Auch Biologika sind Kandidaten für die SSc-ILD-Behandlung. Rituximab war in kleineren Studien erfolgreich und wurde aktuell gegen CYC geprüft, die Ergebnisse stehen aus. Der IL-6-Inhibitor Tocilizumab zeigte in zwei RCTs positive Effekte auf die FVC, ohne dass aber im Vorfeld ein Screening auf eine ILD stattfand. Er sollte den Autoren zufolge ebenfalls weiter untersucht werden.
Unter den Patienten mit rheumatoider Arthritis leiden bis zu 10 % an einer ILD, meist mit dem Muster einer gewöhnlichen (usual) interstitiellen Pneumonie (UIP), am zweithäufigsten mit NSIP-Muster. Die ILD-Behandlung bei RA-Patienten ist ein wenig untersuchtes Feld, schreiben die Ärzte. Als First-Line-Therapie gelten aber gemeinhin Glukokortikoide. Daneben könnte Rituximab nützen. Für RA-ILD-Patienten mit UIP-Muster bieten womöglich Antifibrotika eine Option – in der INBUILD-Studie profitierten sie von Nintedanib.
Heiß diskutiert wird seit Langem eine mögliche Verbindung zwischen Methotrexat (MTX) und der Entstehung einer RA-ILD. Doch diese Assoziation, auf die eine Handvoll alter, qualitativ schlechterer Studien hingewiesen hatte, wird inzwischen angezweifelt. Zwar kann MTX eine Pneumonitis auslösen. Dies geschieht jedoch nicht nur äußerst selten – die Lungenveränderungen sind auch eher entzündlich als fibrotisch.
Hinweise auf Schutz vor ILD durch Methotrexat
Neuere und bessere Studien lieferten Hinweise darauf, dass MTX die Entwicklung einer Fibrose hinauszögert oder sogar vor einer ILD schützt. So bekamen in einer Kohorte von über 2.000 neu diagnostizierten RA-Patienten diejenigen, die niemals MTX bekamen, häufiger eine ILD als Patienten unter MTX-Therapie (4,8 % vs. 2,5 %). Tritt bei einem RA-Kranken eine ILD auf, besteht also kein Grund mehr, eine gut laufende MTX-Therapie routinemäßig zu beenden.
Bei idiopathischen inflammatorischen Myopathien wie Dermatomyositis, Polymyositis oder Anti-Synthetase-Syndrom (ASS) kann es auch zu einer ILD kommen. Meist liegt ein NSIP-Muster oder eine organisierte Pneumonie vor, oft beides gleichzeitig. Glukokortikoide sind hier wiederum Mittel der ersten Wahl, reichen aber meist nicht.
RCT gibt es für diese seltenen Erkrankungen nicht. CYC-Infusionen für sechs bis zwölf Monate bessern einem Review zufolge Lungenfunktion und Muskelschwäche bei Betroffenen. Zudem scheint RTX erfolgversprechend: In Pilotstudien und retrospektiven Fallstudien stabilisierte oder verbesserte es bei ASS-Patienten – vor und nach immunsuppressiver Threapie – die Lungenfunktion. An oralen Alternativen könnten MMF oder Azathioprin nützlich sein, Tacrolimus zeigte als add-on zu Steroiden oder Immunsuppressiva Wirkung. Alles in allem ist die Evidenzlage zur Behandlung dieser ILD noch unbefriedigend, resümieren die Autoren. Immerhin scheint sich mit antifibrotischen Wirkstoffen eine Option aufzutun. Noch offene Fragen betreffen hierbei jedoch sowohl das richtige Timing als auch die Frage, ob sie kombiniert oder stand-alone gegeben werden sollen.
* Scleroderma Lung Study
** Fibrosing Alveolitis in Scleroderma Trial
Quelle: Wu Z, Molyneaux PL. Breathe 2021; 17: 210114; DOI: 10.1183/20734735.0114-2021
Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).