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Mit bedarfsorientierter HIV-Prophylaxe die Adhärenz fördern

Um Menschen mit erhöhtem HIV-Ansteckungsrisiko und damit potenzielle Kandidaten für die orale Präexpositionsprophylaxe (PrEP) zu identifizieren, werden in Leitlinien verschiedene Risikoscores empfohlen. Diese beziehen sich i.d.R. jeweils nur auf eine sehr spezifische Personengruppe, z.B. Schwangere oder Männer, die Sex mit Männern haben, was sie für den breiten Einsatz disqualifiziert, schreiben Dr. Sarah E. Rutstein von der University of North Carolina und Kollegen.
In den verschiedenen internationalen Leitlinien stimmen Experten mit ihren Empfehlungen meist überein. Demnach ist eine PrEP für Personen mit hohem Ansteckungsrisiko indiziert, das beispielsweise gemäß der WHO in Populationen mit einer jährlichen HIV-Inzidenz von mindestens 3 % vorliegt. Daneben sprechen bestimmte Risikofaktoren für eine Präexpositionsprophylaxe: viele Sexualkontakte, ein Partner mit bekannter HIV-Infektion oder intravenösem Drogenkonsum, eine sexuell übertragbare Erkrankung.
Da sich Risikoverhalten allerdings ändern kann, sollte regelmäßig überprüft werden, ob die Indikation noch gegeben ist oder die PrEP ggf. pausiert/beendet werden kann. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn
- eine Person eine stabile monogame Beziehung mit einem HIV-negativen oder antiviral optimal behandelten Partner eingeht,
- ausschließlich geschützter Sex praktiziert wird,
- keine intravenösen Drogen mehr konsumiert werden oder
- die Person in eine Region mit niedriger HIV-Prävalenz zieht.
Die zuständigen US-Behörden halten z.B. eine Prüfung alle zwölf Monate für angemessen.
Was und wie oft vor der Prophylaxe testen?
40 % halten die Prophylaxe länger als ein Jahr durch
Dass Betroffene ihre Prophylaxe frühzeitig abbrechen, zählt zu den größten Hindernisse für deren Effektivität, schreiben die Autoren. Damit riskiere man inzidente HIV-Infektionen. In Untersuchungen wurde gezeigt, dass eine PrEP häufig ohne Rücksprache mit einem Arzt beendet wird – und das in vielen Fällen bereits drei bis sechs Monate nach Beginn. Ein fehlendes Gefahrenbewusstsein („Mir kann nichts mehr passieren“) oder mangelndes Verständnis über den Nutzen der PrEP könnten die hohen Quoten erklären. In einer Studie zeigen z.B. Wissenschaftler aus den USA, dass nur knapp 40 % der Menschen, die eine PrEP begonnen haben, nach einem Jahr noch dabei sind. In einer anderen Untersuchung mit Mädchen und Frauen zwischen 15 und 24 Jahren aus dem südlichen Afrika kam man zu dem Ergebnis, dass mehr als 50 % von ihnen schon innerhalb des ersten halben Jahres die Prophylaxe abgebrochen hatten. Neben dem Stigma, dem sie sich ausgesetzt fühlten, und den Nebeneffekten der Medikamente scheint v.a. ein mangelndes Gefährdungsbewusstsein dafür verantwortlich, vermuten die Autoren der Studie. So glaubte fast die Hälfte der jungen Frauen, bei denen bereits eine HIV-Serokonversion eingetreten war, überhaupt nicht für eine HIV-Infektion gefährdet zu sein. Gerade in diesem Kollektiv könnte eine umfassende Aufklärung nachhaltig wirken, schreiben Dr. Rutstein und Kollegen. Zum Beispiel mit der Botschaft, dass die Medikamente nicht unbedingt durchgehend genommen, sondern auch pausiert oder gar abgesetzt werden können, sollte sich die Risikosituation ändern. Für Männer, die Sex mit Männern haben, existiert bereits eine Alternative zur sonst üblichen Dauertherapie: das sogenannte 2-1-1-Regime. Dabei werden zwei Tabletten 2 bis 24 Stunden vor einem erwarteten Sexualkontakt eingenommen und – falls dieser stattgefunden hat – je eine weitere Tablette 24 Stunden sowie 48 Stunden nach den ersten beiden Tabletten. Studien lassen den Schluss zu, dass die HIV-Inzidenz verglichen mit Placebo unter dieser On-demand-Strategie um bis zu 97 % zurückging.Kein Ersatz fürs Kondom
Die Diagnose einer anderen sexuell übertragbaren Erkrankung wird häufig als Anlass genommen, mit einer HIV-PrEP zu beginnen. Allerdings gibt es Hinweise darauf, dass eine Präexpositionsprophylaxe zu einem Anstieg anderer sexuell übertragbarer Krankheiten führt. Dabei handelt es sich womöglich um eine Art Risikokompensation, so die Autoren. Etwa, weil die Betroffenen beim Sex weniger Vorsicht walten lassen und keine Kondome mehr benutzen.Quelle: Rutstein SE et al. Lancet HIV 2020; 7: e721-730; DOI: 10.1016/S2352-3018(20)30203-4
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