Mit Drei-Faktoren-Strategie Heilung anpeilen

Manuela Arand

Eine aktuelle Analyse des deutschen INSIGHT-Registers ergab eine Reduktion der Gesamtsterblichkeit bei Lungenfibrose um ein Drittel. Eine aktuelle Analyse des deutschen INSIGHT-Registers ergab eine Reduktion der Gesamtsterblichkeit bei Lungenfibrose um ein Drittel. © iStock/magicmine

Wirkstoffe, die die Fibrogenese bei interstitiellen Lungenerkrankungen verlangsamen bzw. stoppen sollen, haben sich – zumindest gefühlt – gerade erst etabliert. Nun nehmen Forscher bereits ehrgeizigere Ziele ins Visier: Rückbildung der Fibrosen und Heilung.

Drei Faktoren hält Professor Dr. Gisli Jenkins, Imperial College London, für essenziell, um künftig die Heilung von Patienten mit interstitiellen Lungenerkrankungen (ILD) zu erreichen:

  1. Früherkennung von ILD-Patienten,
  2. Unterscheidung von Patienten, die einer Intervention bedürfen, von denen, die nie progredient werden, und
  3. Medikamente, die in der Lage sind, die Fibrogenese komplett zu stoppen und ein Remodeling bereits fibrotischer Areale einzuleiten. In 10–15 Jahren wird die Medizin soweit sein, glaubt der Kollege.

Antifibrotika erhöhen die Überlebenschancen bei IPF

Angesichts der Errungenschaften des letzten Jahrzehnts erscheint das durchaus realistisch. Immerhin stehen mit Pirfenidon und Nintedanib zwei Antifibrotika zur Verfügung, welche die Überlebenschance von Patienten mit idiopathischer Lungenfibrose (IPF) beträchtlich verbessern, meinte Professor Dr. Antje Prasse, Leiterin der Fibrose-Ambulanz an der Medizinischen Hochschule Hannover. Eine aktuelle Analyse des deutschen INSIGHT-Registers ergab eine Reduktion der Gesamtsterblichkeit um ein Drittel. „Das sind Real-World-Daten, die erstmals eindrucksvoll die Mortalitätswirkung zeigen.“ Patienten mit anderen ILD können ebenfalls von dieser Medikation profitieren, wie in diversen Studien gezeigt wurde. Zugelassen für Indikationen über die IPF hinaus ist bisher aber nur Nintedanib.

Zurück zum Drei-Faktoren-Plan von Prof. Jenkins. Die Notwendigkeit zur Früherkennung ergibt sich von selbst, denn je früher die Intervention, desto größer die Erfolgschancen. Der Londoner Kollege betrachtet es deshalb auch kritisch, dass die Leitlinien Schwellenwerte vorgeben, unterhalb derer eine antifibrotische Therapie als angezeigt gilt. In Großbritannien beispielsweise muss die FVC unter 80 % gesunken sein. „Es ist nicht sehr wahrscheinlich, dass eine Therapie, die erst an diesem Punkt ansetzt, noch eine Restitutio ad integrum erreichen wird“, sagte der Pneumologe.

Problematisch erscheint ihm auch, dass künftig das Lungenkrebsscreening eine große Zahl von Menschen mit interstitiellen pulmonalen Anomalien identifizieren dürfte, also solche, die mehr als 5 % eines Lungenabschnitts Milchglastrübungen, Honeycombing oder Traktionszeichen aufweisen. Von denen dürften viele die Lungenfunktionskriterien erfüllen, die für eine antifibrotische Therapie qualifizieren.

Biomarker für Progredienz gesucht

Sollte es nicht gelingen, Marker zu finden, die Patienten mit hohem Progressionsrisiko von den Niedrigrisikokandidaten differenzieren, droht ein Schwall von Übertherapien. Denn die weit überwiegende Mehrzahl der Patienten mit fibrosetypischen radiologischen Zufallsbefunden zeigt keine Progredienz und wird wahrscheinlich lebenslang asymptomatisch bleiben, betonte Prof. Jenkins.

Zurzeit sucht man nach Biomarkern, die es erlauben, progrediente Patienten früh herauszufischen. Hohe Spiegel von CRPM beispielsweise, einem Abbauprodukt des C-reaktiven Proteins, scheinen eine beschleunigte Progression anzuzeigen. Der Spiegel der Matrixmetalloproteinase-7 korreliert mit beschleunigtem Lungenfunktionsverlust und erhöhter Mortalität. Im Gespräch sind ferner die Tumormarker CA19-9 und CA-125. Für CA-125 konnte bereits gezeigt werden, dass die Spiegel unter einer Behandlung mit Nintedanib sinken.

Rückschläge musste man kürzlich in der Therapie der interstitiellen Lungenfibrosen hinnehmen. Bei zwei als Hoffnungsträger gehandelten Wirkstoffen, dem αvβ6-Integrin-Antikörper BG00011 und dem Autaxin-Inhibitor Ziritaxestat, wurden die klinischen Studien gestoppt – „primär aus Sicherheitsgründen, aber wahrscheinlich auch wegen unzureichender Wirksamkeit“, berichtete Prof. Prasse. An vielversprechenden Targets herrsche allerdings kein Mangel, wie kürzlich eine Übersicht zur mit COVID-19 assoziierten Lungenfibrose deutlich gemacht habe.

In der Forschung ist viel in Bewegung

Auch αvβ6-Integrin ist weiter im Rennen, erklärte Prof. Jenkins. Nur der Antikörper sei gescheitert. „Wir haben ein inhalatives small molecule entwickelt, das in vitro in humanen Zellen und im Mausmodell sehr effektiv die Aktivierung von TGFβ und die Fibrogenese inhibiert.“ Ein weiteres Ziel sei Galectin, das die Fibroblastenaktivität stimuliert. Der Galectin-Inhibitor TD139 befindet sich bereits in Phase 2 der klinischen Prüfung.

Pentraxin 2 spielt eine Rolle bei der Differenzierung von Monozyten und reguliert immunologische Prozesse. Patienten mit idiopathischer Lungenfibrose weisen erniedrigte Pentraxin-2-Spiegel auf, weshalb derzeit die intravenöse Substitution von rekombinantem Pentraxin 2 erprobt wird. In einer Phase-2-Studie verlangsamte der Wirkstoff den FVC-Verlust deutlich und die Gehstrecke im Sechs-Minuten-Gehtest ging kaum noch zurück. Eine größere Studie rekrutiert zurzeit.

Das ist nur ein kleiner Ausschnitt der Forschungslandschaft rund um die ILD. „Es ist viel in Bewegung“, kommentierte Prof. Jenkins. „Mit Sicherheit werden noch einige Kandidaten scheitern auf dem Weg, aber Optimismus scheint angezeigt.“ Manuela Arand * Online-Veranstaltung.

Quelle: ERS Satellites 2021 (Online-Veranstaltung)

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Eine aktuelle Analyse des deutschen INSIGHT-Registers ergab eine Reduktion der Gesamtsterblichkeit bei Lungenfibrose um ein Drittel. Eine aktuelle Analyse des deutschen INSIGHT-Registers ergab eine Reduktion der Gesamtsterblichkeit bei Lungenfibrose um ein Drittel. © iStock/magicmine