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Mit Intensivierungen und neuen Substanzen gegen das mCRPC

Der Verbesserungsbedarf für die Erstlinientherapie des metastasierten kastrationsresistenten Prostatakarzinoms (mCRPC) ist nach wie vor hoch, betonte Prof. Dr. Fred Saad vom University of Montreal Hospital Center. Er präsentierte Ergebnisse zum radiographisch progressionsfreien Überleben (rPFS) der Phase-3-Studie PROpel.1 Darin untersuchen seine Kollegen und er die Kombination aus der neuen hormonellen Substanz (NHA) Abirateron und dem PARP-Inhibitor Olaparib in der Erstlinie des mCRPC. Obwohl Olaparib bisher nur bei mCRPC-Patienten mit einer BRCA1/2-Mutation (EMA-Zulassung) bzw. mit einer Mutation der Gene der homologen Rekombinationsreparatur (HRR) (FDA-Zulassung) nach NHA-Vorbehandlung zugelassen ist, wurden die Patienten der PROpel-Studie nicht hinsichtlich ihres Mutationsstatus selektioniert.
Zur Rationalen dieses Studiendesigns verwies der Referent zum einen auf präklinische Daten, die Hinweise auf Synergismen zwischen Olaparib und NHA geliefert hatten. Zum anderen hatte die Kombination von Olaparib plus Abirateron bereits das rPFS von Männern mit mCRPC in einer Phase-2-Studie unabhängig vom HRR-Mutationsstatus signifikant verlängert.
All-Comer mit Olaparib gut zwei Jahre progressionsfrei
In der globalen, doppelblinden PROpel-Studie erhielten knapp 800 Patienten 1:1 randomisiert zusätzlich zu Abirateron und Prednison/Prednisolon entweder Olaparib oder Placebo. Primärer Endpunkt war das rPFS nach Beurteilung des Prüfarztes. Die Kombination von Abirateron und Olaparib verlängerte das mediane rPFS gegenüber alleinigem Abirateron (16,6 Monate) um 8,2 Monate signifikant auf 24,8 Monate (HR 0,66; 95%-KI 0,54–0,81; p < 0,0001). Das entspricht einer Verringerung des Risikos für eine radiographische Progression oder Tod um 34 % durch den zusätzlichen PARP-Inhibitor gegenüber dem bisherigen Therapiestandard einer NHA-Monotherapie. Seines Wissens nach sei das das bisher längste beobachtete rPFS beim mCRPC, kommentierte Prof. Saad. Alle präspezifizierten Subgruppen profitierten von der Kombinationstherapie mit Olaparib, auch diejenigen ohne HRR-Alteration, betonte der Referent.
Lebensqualität blieb unter dem PARP-Hemmer stabil
Auch die Zeit bis zur ersten Folgetherapie oder Tod sowie die Zeit bis zur zweiten Progression oder Tod waren im Olaparibarm signifikant länger, berichtete Prof. Saad. Die Daten zum sekundären Endpunkt Gesamtüberleben waren noch unreif, es deutete sich aber ein Trend zu einem verbesserten OS durch Abirateron + Olaparib an. Höhergradige (Grad ≥ 3) unerwünschte Ereignisse waren im Kombinationsarm erwartungsgemäß häufiger (47,2 % vs. 38,4 %), v.a. Anämien von Grad ≥ 3 (15,1 % vs. 3,3 %). 13,8 % der Patienten brachen die Behandlung mit Olaparib ab gegenüber 7,8 %, die die Placebo-Komponente ihrer Kombination absetzten. Die Abbruchrate von Abirateron unterschied sich nicht zwischen den Armen.
Die gesundheitsbezogene Lebensqualität war in beiden Studienarmen ähnlich, wie die Auswertung der FACT-P(Functional Assessment of Cancer Therapy-Prostate)-Fragebögen ergab. „Die meisten Patienten konnten in der Studie und unter Therapie bleiben“, betonte Prof. Saad. Auch Diskutantin Prof. Dr. Celestia S. Higano von der University of British Columbia bezeichnete die bisherigen Ergebnisse zum rPFS der PROpel-Studie als herausragend. Sie betonte aber, dass Abirateron und Olaparib auf dieser Basis noch nicht als Erstlinientherapie bei allen mCRPC eingesetzt werden sollten, ohne die Ergebnisse zum OS abzuwarten. Auch sollten erst noch mehr Daten vorliegen, welche Patientengruppe am meisten von der intensivierten Therapie profitiert.
Verschiedene Subklone parallel adressieren
Ein Problem der Therapie metastasierter Tumorerkrankungen ist deren Heterogenität mit verschiedenen Resistenzen und Treibermutationen in den einzelnen Subklonen. Dieser Problematik versuchte die PRESIDE-Studie Rechnung zu tragen, indem man untersuchte, ob die Fortsetzung einer Enzalutamidbehandlung trotz Enzalutamidresistenz parallel zu zusätzlicher Chemotherapie eine weitere Kontrolle der noch ansprechenden Tumoranteile ermöglicht. Die resistenten Subklone wurden mit Docetaxel angegriffen. In der von Prof. Dr. Axel S. Merseburger, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck, vorgestellten doppelblinden Phase-3-Studie verglich das Studienteam daher bei chemotherapienaiven Teilnehmern mit Progress unter Enzalutamid die Wirksamkeit von Enzalutamid/Docetaxel/Prednisolon mit Placebo/Docetaxel/Prednisolon.2 Nach 1:1-Randomisierung behandelt wurden 271 Patienten.
Progressionsrisiko sank unter Fortführung von Enzalutamid
Das Ergebnis war eine signifikante Verringerung des Progressionsrisikos im Enzalutamidarm, wobei die Progression eine radiographische oder klinische sein konnte. Das mediane PFS betrug im Enzalutamid/Docetaxel/Prednisolon-Arm 9,53 Monate gegenüber 8,28 Monaten im Placebo/Docetaxel/Prednisolon-Arm (HR 0,72; 95%-KI 0,53–0,96; p = 0,027). Deutlicher war der Unterschied beim sekundären Endpunkt, der Zeit bis zum Anstieg des PSA-Werts (PSA-PFS, 8,44 Monate vs. 6,24 Monate; HR 0,58; 95%-KI 0,41–0,82; p = 0,002). Zur Verträglichkeit der Regime fasste der Referent zusammen, dass bei Fortführung der Enzalutamid-Therapie mit 49,3 % ähnlich häufig schwere Nebenwirkungen auftraten wie im Placebo/Docetaxel/Prednisolon-Arm (38,5 %).
Den Daten zufolge könne die Fortführung von Enzalutamid unter gleichzeitiger Hinzunahme von Docetaxel + Prednisolon aufgrund des klinischen Benefits für einige mCRPC-Patienten mit Progress unter Enzalutamid eine Option darstellen, schloss Prof. Merseburger. Auch die Diskutantin Prof. Dr. Elizabeth I. Heath, Karmanos Cancer Institute, Detroit, bezeichnete die Dreierkombination auf Basis der PRESIDE-Studie als eine Therapieoption für bestimmte Patienten. Insgesamt habe zusätzliches Enzalutamid die Toxizität nicht bedeutend verstärkt, auch wenn etwas mehr Fatigue und periphere Neuropathien unter der Dreierkombination dokumentiert wurden.
Frühe klinische Daten zu neuen Wirkstoffen
Unter anderem wurden beim ASCO-GU-Kongress auch zwei neue Substanzen für die Kastrationsresistenz vorgestellt, die am Androgenrezeptor (AR) ansetzen. Mit der in Entwicklung befindlichen Substanz ODM-208 soll die Problematik umgangen werden, dass bei Mutationen in der Ligandenbindungsdomäne (LBD) des AR die Aktivierung des Signalweges und damit des Tumorwachstums auch über andere Liganden als über Androgene erfolgen kann. Der neuartige orale, nicht-steroidale, selektive Inhibitor des Enzyms CYP11A1 greift deutlich früher in die Steroid-Biosynthese ein als Abirateron, das CYP17A1 hemmt. Da ODM-228 so früh in die Steroid-Biosynthese eingreift, wird nicht nur die Produktion von Androgenen, sondern die aller Steroidhormone und ihrer Vorstufen unterdrückt, die den AR-Signalweg aktivieren könnten.
Prof. Dr. Karim Fizazi vom Institut Gustave Roussy und der Universität Paris-Saclay, Villejuif, präsentierte die Ergebnisse der ersten klinischen Studie mit ODM-228, der Phase-1/2-Studie CYPIDES, die bisher 44 meist intensiv vorbehandelte Männer mit mCRPC umfasste.3 Im Gesamtkollektiv betrug die Gesamtansprechrate, definiert als Rückgang des PSA-Wertes um > 50 %, 32 %. Unter den rund 39 % der Patienten mit einer Mutation in der LBD des AR-Rezeptors lag sie bei 68 %. Einige Patienten sprachen länger als sechs Monate an, fünf sind nach einem Jahr noch unter Behandlung, berichtete Prof. Fizazi. Während das allgemeine Sicherheitsprofil unproblematisch war, müssen die Patienten auf Symptome einer Nebenniereninsuffizienz überwacht werden. Rund ein Drittel der Teilnehmer musste deshalb kurzzeitig stationär behandelt werden, so der Referent. Unter vorübergehender Pausierung von ODM-208, Gabe von Hydrocortison und Flüssigkeitszufuhr besserte sich die Symptomatik rasch.
AR-Abbau-Strategie mit Mutationen als Biomarker
Einen anderen Ansatz zur Überwindung der Kastrationsresistenz und der androgenunabhängigen Aktivierung des AR-Signalweges verfolgten Forscher mit ARV-110. Der PROteolysis TArgeting Chimera (PROTAC) Protein-Degrader führt zum proteasomalen Abbau des AR. Frühere Phase-1-Daten hatten bereits klinische Aktivität von ARV-110 bei stark vorbehandelten mCRPC-Patienten und eine verstärkte Aktivität bei Vorliegen spezifischer AR-Mutationen wie T878X- und H875Y-Mutationen belegt.
Nun stellte Dr. Xin Gao vom Massachusetts General Hospital in Boston Daten einer Phase-1-Studie und Interimsdaten ihrer Phase-2-Erweiterung, der ARDENT-Studie, vor.4 Sie bestätigten die Wirksamkeit von ARV-110 bei den vorbehandelten Patienten. Und das wiederum besonders bei Patienten mit einer T878X- und H875Y-Mutation. Bei 46 % dieser Patienten ging der PSA-Wert um ≥ 50 % zurück. Aber auch in anderen Subgruppen ohne diese Mutationen wurden Rückgänge des PSA-Werts um ≥ 50 % beobachtet, berichtete Dr. Gao.
Die Nebenwirkungen der Substanz waren insgesamt gering. Am häufigsten wurde leichte bis moderate (Grad 1–2) Übelkeit dokumentiert (46 %). Unerwünschte Ereignisse von Grad ≥ 4 traten nicht auf. Abgesehen von weiteren gastrointestinalen Toxizitäten kam es bei insgesamt 48 % der Patienten zu einer meist geringgradigen Fatigue.
1. Saad F et al. J Clin Oncol 2022; 40: Suppl. 6, Abstract 11
2. Merseburger A et al. J Clin Oncol 2022; 40: Suppl. 6, Abstract 15
3. Fizazi K et al. Clin Oncol 2022; 40: Suppl. 6, Abstract 18
4. Gao et al. J Clin Oncol 2022; 40: Suppl. 6, Abstract 17
Kongressbericht: 2022 ASCO Genitourinary Cancers Symposium
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