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Mit neuronalen Netzen gegen Bakterien

Nach wie vor werden Antibiotika oft viel zu leichtfertig verordnet. Der laxe Umgang führt dazu, dass immer mehr bakterielle Infektionen kaum noch behandelbar sind. Verschärft wird die Misere durch die stockende Entwicklung neuer Antibiotikaklassen, schreiben die Forschenden Dr. Constantin Blanke-Roeser und Dr. Elvin Atug von der Asklepios Klinik Hamburg-Harburg.
Doch erste Erfahrungen mit dem Einsatz von KI in der Antibiotikaforschung bieten erfreuliche Aussichten: Über neuronale Netze können KI-Algorithmen höherrangige Gesetzmäßigkeiten aus riesigen Datenmengen ableiten und gezielt nach Substanzen mit antibiotischer Wirkung suchen. Der Einsatz einer transparenten, sogenannten erklärbaren KI birgt zudem das Potenzial, bekannte Wirkstoffe zu optimieren oder gänzlich neue zu entdecken.
Als Beispiel nennt das Expertenduo die zunächst als Antidiabetika vorgesehenen Wirkstoffe Halicin und Abaucin. Die KI entdeckte neuartige Mechanismen, durch die die bekannten Substanzen bakterizid wirken.
Neue Einsatzbereiche für bekannte Antidiabetika
Halicin ähnelt strukturell am ehesten dem Antibiotikum Metronidazol. Dieser Wirkstoff erwies sich im Mausmodell als Breitbandantibiotikum mit Wirksamkeit auch gegen multiresistente Erreger wie Clostridium difficile, Mycobacterium bovis und Acinetobacter baumannii. Zudem zeigte sich eine hohe Penetration bakterieller Biofilme und eine geringere Anfälligkeit für Resistenzentwicklungen. Die antibiotische Wirkung von Halicin beruht auf einem Mechanismus, der in die Regulierung des pH-Gleichgewichts innerhalb der Zellmembran eingreift. Dadurch kommt es zum Zusammenbruch des elektrochemischen Gradienten, was schließlich zum Zelltod führt.
Abaucin wirkt selektiv gegen Acinetobacter baumannii. Im Mausmodell war es effektiv gegen zahlreiche multi- oder panresistente Stämme des gramnegativen Keims, der schwere nosokomiale Infektionen verursachen kann. Abaucin inhibiert vermutlich einen Komplex, der für den Transport von Lipoproteinen in die äußere Zellmembran der Erreger und den dortigen Einbau zuständig ist. Auf diese Weise wird die Integrität der Zelle beeinträchtigt. Die Substanz ist spezifisch einsetzbar und hat kaum Auswirkungen auf die kommensale Darmflora, berichtet das Autorenduo.
Per Algorithmus identifizierte Wirkstoffe können wohl erst ab 2030 verschrieben werden. Denn die KI ersetzt nicht die erforderlichen klinischen Studien. Dennoch ist das Autorenteam zuversichtlich: Durch KI sinke der Aufwand für die Suche nach neuen Wirkstoffkandidaten erheblich.
Quelle: Blanke-Roeser C, Atug E. Hamburger Ärzteblatt 2024; 78: 12-15
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