
Muskelschwäche und Dropped-Head-Syndrom unter Checkpointblockade

Ein 70-jähriger Mann wird zum Ausschluss eines akuten Koronarsyndroms in die Notaufnahme eingeliefert. Der multimorbide adipöse Patient – u.a. mit intermittierendem Vorhofflimmern, arterieller Hypertonie, Hypercholesterinämie und mehrfachen Bandscheiben-OPs – klagt über allgemeine Muskelschwäche und progrediente Dyspnoe, die sich in den letzten Tagen verschlechtert habe. Vor fünf Tagen war aufgrund eines malignen Melanoms mit einer Nivolumab-Therapie begonnen worden.
Autoantikörper gegen Skelettmuskel nachweisbar
Bei Aufnahme sind Kreatinkinase (CK) (1779 U/l), CK-MB (119 U/l) und Troponin I hs (184 ng/l, im Verlauf bis 1,036 ng/l) erhöht. Neurologisch fällt eine proximale, symmetrische Muskelschwäche (Kraftgrad 3/5) mit einem Dropped-Head-Syndrom auf. Auch Autoantikörper gegen Skelettmuskel und Acetylcholinesteraserezeptor lassen sich nachweisen. Die Muskelbiopsie ergibt eine obliterierende Kleingefäßvaskulitis mit Muskelfasernekrosen, schreiben Tim Salzbrunn und seine Kollegen von der Abteilung Neurologie der Asklepios Klinik Altona.
Der zeitliche Zusammenhang zwischen dem Auftreten des Myasthenie-ähnlichen Syndroms bzw. der erhöhten Herzenzyme und der Beginn der ambulanten Therapie mit dem PD1-Checkpointinhibitor Nivolumab deuten auf ein neurologisches „immune-related adverse event“ (irAE) mit Autoimmunmyokarditis hin. Der Patient erhält Mestinon, Methylprednisolon und eine Immunadsorption, woraufhin sich die Symptomatik bessert.
Etwa 1–5 % der Patienten entwickeln unter einer Checkpointblockade neurologische immunvermittelte Nebenwirkungen wie enzephalitische Syndrome, Neuropathien, myasthene Syndrome oder Myopathien, schreiben die Autoren. Der Zeitpunkt des Auftretens kann allerdings stark variieren (5 bis 87 Tage). Ein sofortiger Therapieabbruch sowie die Gabe von Kortikosteroiden kann sich günstig auf die Prognose auswirken.
Immuntherapie absetzen und Differenzialdiagnostik starten
Da ein Dropped-Head-Syndrom auch im Rahmen verschiedener neurologischer Erkrankungen, extrapyramidal-motorischer Erkrankungen, Polymyositiden sowie Myopathien auftreten kann, sollte bei Anzeichen einer irAE nicht nur die Immuntherapie abgesetzt werden, sondern der Patient auch differenzialdiagnostisch abgeklärt werden. Aufgrund der zu erwartenden Ausweitung der Zulassungen von Checkpointinhibitoren dürfte die Zahl der irAE-Fälle in den nächsten Jahren deutlich zunehmen, weshalb die Autoren ein internationales Register zur systematischen Erfassung von Nebenwirkungen vorschlagen.
Quelle: Salzbrunn T et al. Hamburger Ärzteblatt 2020; 74: 30-31
Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).