Orientierungshilfe zum Umgang mit Nebenwirkungen der Immuntherapie

Dr. Daniela Erhard

Eine CPI-induzierte Kolitis unterscheidet sich in der Endoskopie nicht von einer entzündlichen Darmerkrankung. Auch in der Histologie präsentiert sie sich ähnlich. Die Diagnose erfolgt also im Gesamtkontext. Eine CPI-induzierte Kolitis unterscheidet sich in der Endoskopie nicht von einer entzündlichen Darmerkrankung. Auch in der Histologie präsentiert sie sich ähnlich. Die Diagnose erfolgt also im Gesamtkontext. © Science Photo Library/DAVID M. MARTIN, MD

Wie alle Krebstherapien gehen auch Checkpoint-Inhibitoren mit unerwünschten Begleiterscheinungen einher. Während in Europa eine Leitlinie zum Management von CPI-Nebenwirkungen fehlt, hat die Society for Immunotherapy of Cancer Empfehlungen publiziert. Im ersten Teil dreht sich dabei alles um gastrointestinale Ereignisse.

Checkpoint-Inhibitoren haben sich zu einer Standardbehandlung für verschiedene Krebsarten entwickelt. Mit ihrem Gebrauch steigt jedoch die Zahl immunvermittelter Nebenwirkungen (irAE). So berichten unter PD(-L)1-Hemmern knapp drei Viertel der Behandelten über unerwünschte Reaktionen, bei gegen CTLA4 gerichteten Antikörpern sind es 89 %, und nahezu genauso viele, die eine Kombination aus beiden Klassen erhalten. Grund genug für die Society for Immunotherapy of Cancer (SITC), die bisherigen Erkenntnisse auf dem Gebiet in praktische Empfehlungen zu bündeln.

Erwünschte gesteigerte Immunabwehr als Ursache

Generell unterscheiden sich irAE nicht nur in ihrer Erscheinung von den Toxizitäten, die man von Chemotherapien kennt. Auch der Zeitpunkt, wann sie sich manifestieren, sei nur schwer vorherzusagen. Zumal prädiktive Biomarker fehlten, schreiben die Autoren um Professor Dr. Julie­ Brahmer­ von der Johns Hopkins University. Sogar bis zu einem Jahr nach Ende der Therapie seien Effekte nicht ausgeschlossen und manchmal blieben dauerhafte Schäden wie ein Typ-1-Diabetes, zerstörtes Schilddrüsengewebe oder eine Galaktorrhö zurück.

Hauptsächlich liegen den unerwünschten Wirkungen der Therapie dieselben Mechanismen zugrunde wie den erwünschten – denn die gesteigerte Immunabwehr kann neben den Tumorzellen die gesunden Zellen der Organe angreifen. Damit man das rechtzeitig merkt, müssen nicht nur die Patienten über Nebenwirkungen Bescheid wissen, sondern die Ärzte vor und während der Therapie regelmäßig Blut- und Stoffwechselparameter sowie ggf. den Herzstatus erheben.

Familienplanung besser verschieben

Direkt belegen lassen sich mögliche Risiken für Ungeborene zwar nicht. Aus Studien mit organtransplantierten Patienten könne man jedoch ableiten, dass während einer Schwangerschaft sowohl die Checkpoint-Inhibition selbst als auch eine immunsuppressive Behandlung z.B. mit Mycophenolat- Mofetil und deren Nebenwirkungen die Gefahr von Malformationen der Föten erhöht. Insofern sollte man Frauen im gebärfähigen Alter eine wirksame Verhütung anraten.

Bei Menschen mit Autoimmunerkrankung sollte man den Nutzen von Checkpoint-Inhibitoren gut gegen mögliche Risiken abwägen und die Patienten während der Behandlung regelmäßig kontrollieren. Sie entwickelten zwar nicht häufiger als andere Erkrankte irAE, doch bei der Hälfte von ihnen flammt die Autoimmunerkrankung unter der CPI-Therapie wieder auf. Solange unerwünschte Effekte nur leichte Symptome verursachen und nicht über den Schweregrad 1 hinausgehen, können Betroffene die Immuntherapie fortsetzen. Verschlimmern sich die Beschwerden jedoch oder fallen sie direkt heftiger aus, emp­fiehlt es sich, die Gabe zu unterbrechen und den Patienten mit Kortikosteroiden zu behandeln – wobei diese natürlich eigene Toxizitäten verursachen können. Wenn das nicht wirkt, eine stationäre Aufnahme erforderlich ist oder die Toxizität mindestens Grad 3 erreicht, gehören die Patienten je nach Art der Symptome in die Hände eines entsprechenden Facharztes. Dies gilt insbesondere, wenn Zeichen einer Myositis, Myokarditis oder neurologischer Symptome wie der Myasthenia gravis auftreten. Diese kämen sogar oft gemeinsam vor und gingen mit einer hohen Sterblichkeit einher, warnen die Autoren. Verschwinden die Beschwerden von allein oder lassen sie sich mit maximal 10 mg Prednison täglich kontrollieren, kann man eine Rechallenge mit dem Checkpoint-Inhibitor wagen. Allerdings kehren die Probleme bei bis zu 43 % der Behandelten zurück. Maximal 13 % berichten von neuen irAE. Beides hängt offenbar mit dem Schweregrad der initialen Nebenwirkung zusammen, weshalb Prof. Brahmer und Kollegen im Fall einer CPI-Wiederaufnahme nach Grad-3-Toxizität oder höher zu einer sorgfältigen Risikoabwägung raten. Abhängig vom betroffenen Organ und vom Schweregrad der Beeinträchtigung können zu diesen allgemeinen Ratschlägen spezifische Therapieempfehlungen hinzukommen. So gehört bei den Checkpoint-Inhibitoren Übelkeit zu den häufigeren Nebeneffekten, seltener begleitet von Erbrechen. Bis zu 25 % der Behandelten berichten davon. Zwar sind die Beschwerden meist ungefährlich und fallen nur in bis zu 2 % der Fälle schwer aus. Da Übelkeit und Erbrechen aber Symptom anderer gastrointestinaler Probleme sein können, empfehlen die Experten eine Ösophagoduodenogastroskopie, wenn die Beschwerden auch nach fünf- bis siebentägiger Anti­emese nicht verschwinden. Noch häufiger leiden die Behandelten unter Diarrhö (s. Tabelle). Diese muss man engmaschig beobachten, da sie schon an sich klinisch bedeutsam ist, aber auch auf eine Colitis hinweisen kann. Beides manifestiert sich nach etwa fünf bis zehn Wochen. Gerade bei zusätzlichen Beschwerden wie Schmerzen und Blut im Stuhl sollten die Alarmglocken schrillen, mahnen die Kollegen.

So häufig treten immunvermittelte Nebenwirkungen unter Checkpoint-Blockade auf (%)
PD(-L)1-Inhibitor
CTLA4-Inhibitor
Kombination
Übelkeit
121925
Diarrhö
113644
Colitis
1816
Hepatitis
5519

Immunvermittelte gastrointestinale Beschwerden treten häufiger unter einer Kombination als bei einer einfachen Checkpoint-Blockade etwa mit PD(-L)1-Hemmern auf. Die Autoren weisen jedoch darauf hin, dass sich die Inzidenz der Nebenwirkung nicht zwischen unterschiedlichen Tumor­entitäten unterscheide. Zur Diagnostik zieht man am besten auch das fäkale Laktoferrin und ab Grad 2 das Calprotektin als Prädiktoren für eine Inflammation heran. Bei Grad-2-Diarrhö oder -Colitis kommen weitere Tests hinzu, unter anderem auf Parasiten, C. difficile und Zytomegalie.

Colitis per Endoskopie und Histo erkennen

Da die Diagnose einer immunvermittelten Colitis ohne Durchfall typischerweise histologisch erfolgt, ist eine Endoskopie erforderlich. Ist diese ausgeschlossen oder weisen die Symptome bereits auf Komplikationen hin, wird eine Abdominal-CT durchgeführt. Die Therapie stützt sich sowohl bei Durchfall als auch Colitis auf Kortikosteroide, in leichteren Fällen mit 1 mg/kg täglich, ab Grad 3 ggf. in der doppelten Dosis sowie bei Grad 4 i.v. Bessern sich die Beschwerden nicht innerhalb von drei bis fünf Tagen, können TNF-α-Antagonisten wie Infliximab oder Vedolizumab helfen. Die Experten geben den Hinweis von drei Dosen Infliximab (5 mg/kg) bzw. Vedolizumab (300 mg). Um das Risiko einer wiederaufflammenden Colitis zu minimieren, sollte man die Patienten in den ersten sechs Wochen engmaschig beobachten.

Erhöhtes ALT und AST als Marker für Hepatitis

Doch Vorsicht: Die Gabe von TNF-α-Antagonisten führt bei Patienten mit latenten Infektionen unter Umständen zu Problemen und kann beispielsweise eine Tuberkulose reaktivieren. Insofern sollte man vulnerable Gruppen diesbezüglich vorher testen. Personen mit positiver HIV-Anamnese kann man aber wohl beide Wirkstoffe sicher verabreichen, bei Tuberkulose oder Hepatitis B halten die Experten Vedolizumab für sicher. Steigen unter einer Checkpoint-Blockade nach 1–15 Wochen die Leberenzyme ALT und/oder AST an, erhöht sich die Gefahr einer Hepatitis. Die Enzyme sind meist auch der einzige Hinweis auf die Entzündung, da die immunvermittelte Hepatitis i.d.R. asymptomatisch verläuft. Bestätigt der Leberfunktionstest den Verdacht, sollten sich die Werte unter initial 0,5–1 mg/kg/d Prednison ab Grad 2 bzw. 1–2 mg/kg/d ab Grad 3 nach spätestens 14 Tagen bessern. Passiert dies nicht oder steigen die Leberwerte nach Ausschleichen des Kortikosteroids erneut, empfehlen die Autoren 1–2 g Mycophenolat-Mofetil pro Tag, Tacrolimus oder Antithymozytenglobulin. Bleibt auch das erfolglos, sollte man eine Leberbiopsie erwägen und eine Zytomegalie ausschließen. Von Infliximab raten sie wegen der erhöhten Hepatotoxizität ab. Auch hohe Lipase- und Amylase-Werte kommen unter Immuntherapie offenbar häufig vor. Fehlen aber, was oft geschieht, weitere Anzeichen für die sichere Diagnose einer akuten Pankreatitis, sollte man die Betroffenen weiter behandeln – dabei aber eine mögliche Entzündung des Organs im Auge behalten. Liegt eine solche tatsächlich vor, heißt es: CPI-Therapie unterbrechen, bis die Nebenwirkung überstanden ist. In weniger als 1 % der Fälle kommt es zu Entzündungen der Galle. Patienten, die mit CPI eine Cholezystitis oder Cholangitis entwickeln, sollen gemäß der Leitlinie keine Steroide erhalten und stattdessen von einem Gastroenterologen behandelt werden.

Quelle: Brahmer JR et al. J Immunother Cancer 2021; 9: e002435; DOI: 10.1136/jitc-2021-002435

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Eine CPI-induzierte Kolitis unterscheidet sich in der Endoskopie nicht von einer entzündlichen Darmerkrankung. Auch in der Histologie präsentiert sie sich ähnlich. Die Diagnose erfolgt also im Gesamtkontext. Eine CPI-induzierte Kolitis unterscheidet sich in der Endoskopie nicht von einer entzündlichen Darmerkrankung. Auch in der Histologie präsentiert sie sich ähnlich. Die Diagnose erfolgt also im Gesamtkontext. © Science Photo Library/DAVID M. MARTIN, MD