Was bei der Checkpoint-Blockade schiefgehen kann

Dr. Daniela Erhard

Unter einer Checkpoint-Inhibition kann es zu zahlreichen Nebenwirkungen kommen. Unter einer Checkpoint-Inhibition kann es zu zahlreichen Nebenwirkungen kommen. © iStock/Design Cells

Checkpoint-Inhibitoren haben die Krebstherapie entscheidend vorangebracht. Mit ihnen erweitert sich jedoch das Spektrum potenzieller Nebenwirkungen, die sich von klassischen Zytostatika-Effekten unterscheiden. Der zweite Teil unserer Übersicht zur Leitlinie der Society for Immunotherapy of Cancer widmet sich Toxizitäten bei Haut und Lunge sowie Infusionsreaktionen.

Zu den ersten und allgemein häufigen unerwünschten Nebenwirkungen, die unter einer Checkpoint-Inhibition (CPI) auftreten können, zählen Hautausschläge, Rötungen, Ekzeme, Pus­teln und einiges mehr. Oft begleitet von Juckreiz machen sich diese typischerweise schon zwei bis fünf Wochen nach Therapiebeginn bemerkbar. Pruritus kann aber auch allein ohne weitere Hautveränderungen auftreten, was laut Angaben der Leitlinienautoren um Professor Dr. Julie­ Brahmer­ von der Johns Hopkins University in der Hälfte der Fälle vorkommt. Die Behandlung erfolgt entweder wie bei Hautausschlägen mit topischen Steroiden oder auch mit GABA-Agonisten.

Wichtig ist, bei Effloreszenzen bis einschließlich Grad 2 die betroffene Körperfläche abzuschätzen, Veränderungen zu charakterisieren, Allergien zu eruieren und den Patienten am besten an einen Dermatologen zu überweisen.

Fallen die Reaktionen schwerer aus, kann auch eine Biopsie erforderlich sein. Die Konsultation eines Spezialisten empfehlen die Experten auch dann, wenn Hauttoxizitäten ab Grad 2 nach der Steroidbehandlung erneut auftreten. Zudem könne man auf steroidfreie Wirkstoffe wie Rituximab und Infliximab umstellen. Schlägt die Behandlung an, ist auch nach überstandener Grad-3-Reaktion das Fortsetzen der Checkpoint-Inhibition möglich.

Vorsicht ist geboten, wenn die Haut Blasen wirft oder die Schleimhäute involviert sind. Das lenkt den Verdacht auf schwere Hauterkrankungen, wie Lichen ruber, bullöses Pemphigoid, Pemphigus vulgaris oder das Stevens-Johnson-Syndrom. Dem sollte man nachgehen und die Checkpoint-Inhibition mindestens bis zur deutlichen Linderung der Symptome unterbrechen.

Greift das künstlich angekurbelte Immunsystem die Lunge an, äußert sich dies in den meisten Fällen als Pneumonie. Man findet dann inflammatorische T-Zellen sowohl in der bronchoalveolären Lavage als auch im Gewebe.

Bis zu ein Fünftel könnte betroffen sein

Üblicherweise setzt diese Nebenwirkung nach etwa drei Monaten ein. Und auch wenn sie in der Studiensituation bei maximal 7 % der Behandelten aufgetreten ist, vermuten die Autoren, dass in der Praxis bis zu 19 % betroffen sein könnten. Asthmatiker, Raucher, bereits bestrahlte Patienten sowie Personen mit squamösen Tumoren, nicht-kleinzelligem Lungenkarzinom oder Nierenzellkarzinom scheinen irAE (immune-related adverse events) der Lunge häufiger zu treffen.

Da die Pneumonie unter CPI mit niedrigeren Überlebensraten assoziiert ist, sollten Kurzatmigkeit, anhaltender Husten, Brustschmerz, Fieber und Hypoxie dazu veranlassen, ein hochauflösendes Thorax-CT anzufertigen.

Das Bild kann dabei ganz unterschiedlich aussehen. So findet man beispielsweise bei 37 % der Betroffenen unter Anti-PD(-L)1-Therapie fokale Milchglastrübungen. Der interstitielle Typ mit verdickten Interlobulärsepten bzw. Honigwabenmuster oder die kryptogen-organisierende Pneumonie mit peripheren oder subpleuralen Konsolidierungen machen jeweils etwa ein Fünftel der Fälle aus. Seltener kommt es zu einer Überempfindlichkeits-Pneumonie. Etwa 15 % der Aufnahmen lassen sich keinem Typ eindeutig zuordnen. Bleibt das CT unauffällig, raten die Autoren zu einem Lungenfunktionstest inklusive Spirometrie und Bestimmung der Kohlenmonoxid-Diffusionskapazität.

Mithilfe von (Methyl-)Prednison in einer Tagesdosis von 1–2 mg/kg sollten sich Pneumonien vom Grad 2 oder höher innerhalb von 72 Stunden bessern. Hilft das nicht, können die Patienten möglicherweise von Mycophenolat-Mofetil, hochdosiertem IVIG, Cyclophosphamid oder Anti-Zytokin-Antikörpern profitieren.

Sarkoidose nicht mit Progress oder Rezidiv verwechseln

Unabhängig von der Wiederaufnahme der Checkpoint-Blockade, die bei Grad-2-Ereignissen möglich ist, kann es erneut zu Pneumonien kommen, sodass die Patienten auch nach dem Abklingen der Lungenerkrankung sorgfältig überwacht werden sollten.

Einen Spezialfall stellt die Sarkoidose dar. Sie trifft neben anderen Geweben zwar in 60 % der Fälle die Lunge, noch häufiger aber die Lymphknoten (71 %). Und auch wenn sie selten ist, sollte man sie kennen. Denn durch ihre Granulome kann man sie leicht mit einer Progression oder einem Rezidiv verwechseln. Auch, weil sich die Sarkoidose erst nach einem Dreivierteljahr manifestiert. Sie endet aber meist von selbst nach etwa vier Monaten.

Systemische Reaktionen auf die Infusion gehören zu den Effekten, die man rasch bemerkt: Engegefühl in der Brust, Husten, Luftnot, Rückenschmerz, Angioödeme, Hautrötungen, Juckreiz, Fieber, Herzrasen oder Blutdruckveränderungen innerhalb von einer Stunde nach der Medikamentenapplikation sind typische Zeichen dafür. Besonders häufig werden Nebenwirkungen von Avelumab berichtet, die Angaben liegen zwischen 21 und 29 %.

Läuft die Infusion noch, sollte man diese für mindestens 30 Minuten unterbrechen und den Patienten mit Steroiden, Antihistaminika oder Beta-Agonisten versorgen. Infusionsreaktionen verlaufen nach Angaben der Autoren typischerweise eher leicht. Dann kann man nach entsprechender Behandlung die Therapiesitzung fortsetzen. Trotzdem warnen sie auch vor Anaphylaxien, die zwar selten, aber eben potenziell lebensgefährlich seien.

Sind bereits Infusionsreaktionen aus einer vorangegangenen Gabe des CPI bekannt, empfiehlt die Leitlinie, die Patienten mit Steroiden oder auch nicht-steroidalen Entzündungshemmern bzw. Antihistaminika vorzubehandeln. Gegebenenfalls könne man den Wechsel auf einen alternativen Checkpoint-Inhibitor erwägen, um weitere Infusionsreaktionen zu vermeiden.

Eine ebenfalls seltene Nebenwirkung von CPI, die sich an den Muskeln manifestiert, ist die Myositis. Sie kann laut einer Analyse über Jahre anhalten und Langzeitfolgen nach sich ziehen. Zudem sei sie bei je 9 % der Betroffenen mit einer Myokarditis oder einer Myasthenia gravis vergesellschaftet, wie Prof. Brahmer und Kollegen erklären. Daher raten sie dazu, die Patienten auch auf diese beiden ernsten Komplikationen hin zu beobachten.

Im Zweifel Rat vom Experten einholen

Schwierigkeiten beim Bewegen der Augen, beim Sprechen oder Schlucken sowie Muskelschwäche und Muskelschmerzen sollten an eine Myositis denken lassen. Dann empfehle sich, einen Rheumatologen oder Neurologen hinzuzuziehen. Bei schwererer Myositis ab Grad 3 sollte man außerdem das Medikament absetzen und den Patienten mit Prednison oral behandeln, bei starken Einschränkungen auch intravenös. Erst wenn sich die Symptome auf Grad 1 besserten, könne man die Checkpoint-Inhibition wieder aufnehmen. Ist das Herz mit betroffen, solle man die Checkpoint-Blockade jedoch ganz beenden.

Häufiger erscheinen Nebenwirkungen der Therapie am Bewegungsapparat aber in Form von Arthralgien und Myalgien. Wie oft sie tatsächlich vorkommen, lasse sich allerdings nur schwer schätzen, so die Experten. Sie seien oft auch krebsbedingt vorhanden. Die Bandbreite bei Muskelschmerzen liege zwischen 2 % und 21 %, die für Gelenkschmerzen bei 1–43 %. Letztere können aber auch Zeichen einer ernsthafteren irAE sein, wie z.B. der entzündlichen Arthritis.

Diese kann ganz unterschiedlich erscheinen – als rheumatoide, Psoriasis- oder auch reaktive Arthritis. Neben der Arthralgie können steife Gelenke, Schwellungen sowie entzündete Sehnen und Synovialmembranen auffallen. Schmerzen und Steifheit, vor allem in Schulter- und Hüftgelenken, können auch auf eine Polymyalgia rheumatica hindeuten, die in seltenen Fällen von einer Riesenzellarteritis begleitet wird. In einem solchen Fall sei eine sofortige Kortikosteroidgabe angeraten, um einen Visusverlust zu verhindern, schreibt das Autorenteam.

Ansonsten empfiehlt die Leitlinie für die initiale Diagnostik neben einer radiologischen Untersuchung der betroffenen Gelenke auch die Analyse typischer Marker für rheumatische Erkrankungen, wie Blutsenkung, C-reaktives Protein sowie Rheuma-Faktor und Antikörper gegen das zyklische citrullinierte Peptid, wobei man Letztere aber längst nicht immer finde.

Bei Vaskulitis sollte man die Therapie unterbrechen

Sowohl Arthritis als auch Polymyalgia rheumatica behandelt man bei Schweregrad 2 mit Prednison-Dosen von 10–20 mg/Tag, bei schwer Betroffenen ist unter Umständen auch die doppelte Dosis nötig. Die meis­ten Patienten sprächen darauf gut an, berichten die Autoren. Sei das nicht der Fall oder seien Kortikosteroide über lange Zeit notwendig, sollte man Medikamente wie TNF-α-Inhibitoren, Methotrexat, Hydroxychloroquin, IL-6-Rezeptor-Antagonisten oder andere mit einbeziehen.

Kommt es zu einer Vaskulitis, empfiehlt das Leitlinienteam, die Checkpoint-Inhibition zu unterbrechen und ggf. Kortikosteroide zu geben. Damit hätten sich die Symptome bisher immer aufgelöst. Zudem raten sie, bei Verdacht auf eine Gefäßentzündung auch eine Endokarditis auszuschließen.

Bis zu einem Viertel der Patienten leidet unter Therapie mit einem CPI offenbar unter Mundtrockenheit. Bei schwerer Ausprägung erhöht das die Gefahr für Infektionen und Zahnverlust. Therapeutisch empfiehlt die Leitlinie ab Grad 2 20–40 mg Prednison täglich, mit anschließendem Ausschleichen über 4–6 Wochen. Oft löse sich die Symptomatik aber nicht vollständig auf, sodass die Patienten langfristig auf besondere Pflege angewiesen blieben und das Risiko für Zahnverlust nicht verschwinde.

Gehen CPI auf die Nerven, kann es haarig werden

Neurologische Toxizitäten sind auch unter CPI nicht zu vernachlässigen, da sie fatale Folgen haben oder die Betroffenen nachhaltig behindern können. Daher gehören alle Betroffenen in die Hände von Nervenspezialisten – unabhängig vom Schweregrad der Beschwerden, wie die SITC-Autoren betonen.

Die gravierendste Komplikation ist wohl die Myasthenia gravis. Die Nervenstörung schwächt vor allem die Nacken- und Schultermuskulatur. Auch Probleme beim Atmen, mit den Augen oder beim Schlucken sind möglich. Besonders gefährlich wird es, wenn die Betroffenen noch eine Myokarditis und/oder Myositis entwickeln. Besteht der Verdacht auf eine Myasthenia gravis, sollte man daher diese beiden Erkrankungen, aber auch eine Schilddrüsen-Dysfunktion mit abklären. Bestätigt sich die Vermutung, sollte man die CPI zumindest unterbrechen.

Die Behandlung erfolgt standardmäßig mit Immunglobulinen (IVIG) oder Plasmapherese (PLEX) sowie zunächst 1–1,5 mg/kg Prednison täglich und Pyridostigmin. Letzteres startet man mit dreimal 30 mg täglich, um die Dosis allmählich bis zu einem Maximum von 120 mg viermal täglich zu steigern. Patienten mit schwerer Form vom Grad 3 oder 4 sollten auf der Intensivstation überwacht werden und die Checkpoint-Inhibition nicht wieder aufnehmen.

Kopfschmerzen, Nackensteife, Lichtscheu, geringes Fieber und Übelkeit sollten an eine aseptische Meningitis denken lassen. Anders als bei der Enzephalitis, die ebenfalls als irAE auftreten kann, bleibt der mentale Status normal. Zudem betrifft die Meningitis eher Patienten mit CTLA4-Inhibitor, die Enzephalitis ist häufiger, wenn ein PD(-L)1-Inhibitor im Spiel ist.

Bis zum Ausschluss einer viralen Enzephalitis bzw. bakteriellen Meningitis sollten die Patienten antiviral bzw. antibiotisch behandelt werden. Bestätigt sich der immunbedingte Ursprung, erfolgt die Behandlung der Enzephalitis leitliniengemäß mit hochdosiertem Methylprednisolon. Hilft das nicht, könnten die Patienten auch IVIG, eine PLEX oder Rituximab erhalten. Bei der Meningitis genügen auch 0,5–1 mg Prednison täglich.

Entwickeln Patienten periphere Neuropathien, können diese in vielerlei Gestalt daherkommen. Während schmerzhafte Neuropathien ein entsprechendes Management mit Gabapentin, Pregabalin oder Duloxetin benötigen, sind beim Guillain-Barré-Syndrom wiederum hochdosierte Kortikoide, IVIG und PLEX sowie regelmäßige Lungenchecks indiziert. Zudem sollten diese Patienten die CPI immer permanent beenden, betonen die Leitlinienautoren.

Quelle: Brahmer JR et al. J Immunother Cancer 2021; 9: e002435; DOI: 10.1136/jitc-2021-002435

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Unter einer Checkpoint-Inhibition kann es zu zahlreichen Nebenwirkungen kommen. Unter einer Checkpoint-Inhibition kann es zu zahlreichen Nebenwirkungen kommen. © iStock/Design Cells