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Nachteile von ASS überwiegen bei herzgesunden Senioren offenbar

Während die sekundärpräventive Wirkung von Acetylsalicylsäure hinreichend bekannt und belegt ist, wird das Nutzen-Risiko-Verhältnis in der Primärprävention weiter diskutiert. Angesichts der demografischen Entwicklung stellt sich durchaus die Frage, ob relativ gesunde Senioren von der regelmäßigen ASS-Einnahme profitieren. Das Forscherteam um Dr. John McNeil vom Department of Epidemiology and Preventive Medicine an der Monash University in Melbourne hat diese Kohorte nun in den Fokus gerückt.
Jeder Zehnte „therapierte“ sich bereits auf eigene Faust
Die Ergebnisse der an 34 US-amerikanischen und 16 australischen Zentren durchgeführten ASPREE-Studie (Aspirin in Reducing Events in the Elderly) stellten die Wissenschaftler nun in Form dreier Veröffentlichungen vor. Teilnehmer waren mehr als 19 000 selbstständig lebende Menschen im Alter über 65 Jahre (91 % Weiße, 56 % Frauen). Das mediane Alter lag bei 74 Jahren. 11 % gaben an, zuvor bereits regelmäßig ASS genommen zu haben. Als Ausschlusskriterien galten u.a.:
- kardio- oder zerebrovaskuläre Vorerkrankungen
- Demenz
- hohes Blutungsrisiko
- deutliche physische Einschränkung
- chronische Krankheit, die mit einer Lebenserwartung unter fünf Jahren einhergeht
Randomisiert nach diversen Faktoren wie Alter, Diabetes, Hypertonie und Dyslipidämie nahm etwa die Hälfte der Teilnehmer täglich 100 mg ASS ein, die andere Hälfte Placebo. Alle wurden über eine mediane Nachbeobachtungszeit von 4,7 Jahren regelmäßig telefonisch kontaktiert und klinisch nachbeobachtet.
Vordergründig wollten die Forscher herausfinden, ob sich durch die Medikation das einschränkungsfreie Überleben verlängert. Als primären kombinierten Studienendpunkt definierten sie daher das Eintreten von Tod, Demenz oder anhaltenden körperlichen Beeinträchtigungen. In diesem Punkt unterschieden sich die mit ASS Behandelten nicht von den Probanden der Kontrollgruppe (21,5 vs. 21,2 Ereignisse pro 1000 Personenjahre).
Gleiches galt für die Häufigkeit kardiovaskulärer Ereignisse, definiert als Tod infolge einer KHK, nicht-tödlicher Herzinfarkt, (nicht-)tödlicher Schlaganfall oder Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz (10,7 vs. 11,3 pro 1000 Personenjahre). Allerdings wiesen die Senioren der ASS-Gruppe ein um 14 % höheres Gesamtmortalitätsrisiko auf (12,7 vs. 11,1 pro 1000 Personenjahre), was hauptsächlich auf das um 31 % erhöhte Risiko für krebsbedingte Sterbefälle zurückzuführen war. Ein weiterer Nachteil der ASS-Dauermedikation: Die Gefahr schwerer Blutungsereignisse – insbesondere im oberen Gastrointestinaltrakt sowie intrakranial – nahm signifikant um 38 % zu.
Dass relativ gesunde ältere Personen durch eine Primärprävention mit ASS länger fit und unabhängig bleiben, scheint also ein Trugschluss zu sein. Allerdings geben Forscher zu bedenken, dass gegen Studienende nur noch etwa zwei Drittel der Probanden beider Gruppen ihre Medikation regelmäßig einnahmen, was zu einem Unterschätzen des tatsächlichen kardiovaskulären Nutzens geführt haben könnte. Zudem können sie nicht ausschließen, dass ein früherer Behandlungsbeginn oder eine längere Einnahmedauer von Vorteil sind. Im Hinblick auf die unerwartet erhöhte Mortalität der ASS-Anwender mahnen sie zu einer vorsichtigen Interpretation der Ergebnisse.
Quelle: McNeil JJ et al. N Engl J Med 2018; 379: 1499-1508, 1509-1518 und 1519-1528
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