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Nagelfalz-Kapillarmikroskopie und Antikörper schaffen Klarheit
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Ein gewisser Grad an Vasospasmus der Handarterien bei Kälteeinwirkung ist normal. Beim Raynaud-Phänomen kommt es aber zu einem totalen Gefäßspasmus, der bereits bei weniger tiefen Temperaturen einsetzt. Die intermittierende anfallsartige Abblassung der Finger betrifft 5–8 % der deutschen Bevölkerung. Oft wird der Farbwechsel von Schmerzen, Dysästhesien oder feinmotorischen Einschränkungen begleitet. Als typische Auslöser gelten lokale Kälteeinwirkung und Stress, erklärte Dr. Peter Klein-Weigel vom Helios-Klinikum Berlin-Buch.
Unterschieden werden bei dieser Gefäßerkrankung zwei Formen. Das idiopathische, primäre Raynaud-Phänomen manifestiert sich zumeist im Jugend- und jungen Erwachsenenalter. Charakteristischerweise tritt es saisonal und anfallsweise auf.
Das seltenere sekundäre Raynaud-Syndrom ist mit einer Grunderkrankung oder der Einnahme von Medikamenten assoziiert (siehe Kasten). Es unterscheidet sich in vielerlei Hinsicht von der primären Form. So tritt es z.B. auch bei Kindern oder im höheren Erwachsenenalter auf, zudem besteht häufiger eine dauerhafte Ischämie der Finger. Digitale Ulzera und Arterienstenosen oder -verschlüsse sprechen immer für eine sekundäre Form, häufig sind zudem Fingerödeme.
Neben der Anamnese hilft die Nagelfalz-Kapillaroskopie bei der Differenzierung. Sie zeigt beim idiopathischen Raynaud-Syndrom einen Normalbefund oder allenfalls unspezifische Veränderungen. Bei sekundären Formen sieht man dagegen oft typische morphologische Veränderungen.
Zum Ausschluss der frühen systemischen Sklerose – einer der häufigsten sekundären Formen – sollten bei einem Raynaud-Phänomen auch die spezifischen Autoantikörper bestimmt werden. Sind sowohl die Autoantikörper als auch die Kapillaroskopie positiv, entwickeln fast 80 % der Betroffenen im Verlauf von 20 Jahren eine systemische Sklerose. Diese Patienten müssen regelmäßig auf weitere Manifestationen der Kollagenose hin überwacht werden. Bei negativen Befunden beider Untersuchungen gilt eine systemische Sklerose dagegen als sehr unwahrscheinlich, weitere Kontrollen sind deshalb nicht erforderlich.
Therapeutisch stehen beim Raynaud-Syndrom nicht-medikamentöse Therapiemaßnahmen wie Schutz vor Kälte, Nässe und Wind durch das Tragen von warmer Kleidung, warmen Handschuhen und z.B. Taschenwärmern im Vordergrund. Akute Anfälle lassen sich durch das Auftragen von Glyceroltrinitrat-haltiger Creme oder Diltiazemcreme 2 % lindern. Eine Indikation zur medikamentösen Therapie besteht bei sehr hohem Leidensdruck. Mittel der ersten Wahl sind Kalziumkanalblocker vom Dihydropyridintyp, die aber oft wegen der Blutdrucksenkung nicht vertragen werden, so die Erfahrung des Angiologen. Bei Patienten mit einem schweren sekundären Raynaud-Syndrom können ergänzend Iloprostinfusionsserien oder eine Kombination mit PDE-5-Hemmern (z.B. Sildenafil 3 x 20 mg/d) angewandt werden.
Das färbt die Finger weiß-blau-rot:
Ein Raynaud-Phänomen auslösen oder verschlechtern können Betablocker, Clonidin, Migränemittel inklusive CGRP-Antikörper, Interferon α und β, Katecholamine, Ciclosporin, verschiedene Zytostatika, SSRI, Östrogene, Amphetamine und Secukinumab. Auch Genussmittel und Drogen sind als Verursacher bekannt, allen voran Nikotin und Kokain.
Nicht verwechselt werden sollte man ein Raynaud-Syndrom mit der Akrozyanose. Bei diesem wenig untersuchten Krankheitsbild kommt es zu einer rötlich-bläulichen Verfärbung der Hände und Finger, verbunden mit Kühle und vermehrter kalter Schweißsekretion der Handflächen. Diese Veränderungen treten kontinuierlich auf. Typisch ist eine deutlich verzögerte Rekapillarisierung nach Druck (Irisblendenphänomen). Ein Anheben des Armes verbessert die Symptomatik.
Auch bei der Akrozyanose lassen sich primäre und sekundäre Formen mit unterschiedlicher Prognose unterscheiden. Sekundäre Formen findet man bei Essstörungen (20–40 %), Tumorleiden (20 %), Kachexien anderer Genese, Kollagenosen und Paresen der Extremitäten. Bei älteren Betroffenen würde er immer eine Tumorsuche ähnlich wie bei Thrombosen empfehlen, sagte Dr. Klein-Weigel. Spezifische Medikamente gibt es nicht, behandelt wird die Akrozyanose ebenfalls durch Schutz vor Kälte, Nässe und Wind.
Quelle: Kongressbericht: 15. Interdisziplinäres Update Gefäßmedizin
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