Nebenwirkungen von ADHS-Medikamenten halten sich in Grenzen

Dr. Barbara Kreutzkamp

Generell ließ sich eine Überlegenheit der für ADHS zugelassenen Präparate gegenüber Placebo nachweisen. (Agenturfoto) Generell ließ sich eine Überlegenheit der für ADHS zugelassenen Präparate gegenüber Placebo nachweisen. (Agenturfoto) © iStock/Marco VDM

Zwar ist die pharmakologische ADHS-Therapie umstritten, sie erfolgt aber auf einer soliden Studienbasis. Die Medikamente helfen nicht nur gegen die Hauptsymptome, sondern reduzieren auch Begleitereignisse wie Unfälle und kriminelle Handlungen.

Zur Pharmakotherapie von Patienten mit Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) werden am häufigsten Stimulanzien wie Amphetamine und Methylphenidat oder Nicht-Stimulanzien, z.B. Atomoxetin, eingesetzt.

Generell ließ sich eine Überlegenheit der für ADHS zugelassenen Präparate gegenüber Placebo nachweisen, schreibt Professor Dr. Samuele Cortese von der Abteilung für Psychologie an der Universität Southampton. Bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen führten sie bei einer durchschnittlich siebenwöchigen Beobachtungsdauer im Vergleich zu Placebo zu Verbesserungen bei Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität und Impulsivität.

Leichter Anstieg von Blutdruck und Herzfrequenz beobachtet

Der stärkste Rückgang zeigte sich unter Amphetaminen, gefolgt von der Therapie mit Methylphenidat. Cross-over-Studien auf individueller Patientenebene ergaben allerdings bei 41 % der Teilnehmer keine Unterschiede in der Wirksamkeit beider Wirkstoffe. 28 % sprachen besser auf Amphetamine, 16 % besser auf Methylphenidat an. Bei den übrigen zeigte keines von beiden Wirkung. Nahmen Patienten verblindet abwechselnd Verum und Placebo ein, gingen während der Verumphasen neben den Symptomen auch ADHS-Begleitereignisse wie unbeabsichtigte Verletzungen, Autounfälle (Männer), Substanzabusus und kriminelle Handlungen zurück. Ihr Lernverhalten verbesserte sich.

Langzeitergebnisse einer randomisiert-kontrollierten Studie, in der Patienten Methylphenidat entweder weiter einnahmen oder absetzten, zeigten, dass die Reduktion der ADHS-Symptome unter Verum über durchschnittlich 4,5 Jahre weiterhin bestehen blieb. Allerdings fielen die Effektgrößen im Vergleich zu Kurzzeitstudien nicht mehr so hoch aus, berichtete Prof. Cortese. Mögliche Gründe für diesen Rückgang könnten u.a. ein Gewöhnungseffekt und/oder eine inadäquate Dosisadjustierung sein.

Als häufigste Nebenwirkungen von Amphetaminen, Methylphenidat und Atomoxetin traten im Durchschnitt leichte Anstiege von Herzfrequenz (+5,7 bpm) und RR (+2 mmHg) auf. Zu EEG-Veränderungen kam es bisher nicht. Langfristig scheinen sich die Nebenwirkungen bei den allermeisten nicht auf die kardiovaskuläre Gesundheit auszuwirken, allerdings schätzt Prof. Cortese, dass kardiovaskulär Vorbelastete oft vorsichtshalber von solchen Studien ausgeschlossen werden. Daher sollte man Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen die Medikamente vorsichtig verordnen.

Ärzte, die pädiatrische Patienten behandeln, sollten deren Eltern darauf vorbereiten, dass es in den drei ersten Jahren der Pharmakotherapie zu einer Wachstumsverzögerung von rund 1 cm pro Jahr kommen kann. Das gilt sowohl für die Stimulanzien als auch für Atomoxetin. Es ist wahrscheinlich, dass sich das Wachstum einige Monate nach dem Absetzen normalisiert, vermutet der Experte. In einer Studie wurde jedoch bei 16 Jährigen – mind. 50 % der Zeit unter Therapie – noch ein Wachstumsrückstand von rund 4 cm registriert.

Positiv scheint sich die Medikation dagegen auf die Rate von epileptischen Anfällen, Depression, Manien und Suizidalität auszuwirken. Ein Anstieg bei Psychosen ist laut derzeit vorliegenden Daten daher nicht zu erwarten. Ein wesentlicher Nutzen abseits der ADHS, z.B. zur Leistungssteigerung, konnte übrigens nicht nachgewiesen werden.

Quelle: Cortese S. N Engl J Med 2020; 383: 1050-1056; DOI: 10.1056/NEJMra1917069

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Generell ließ sich eine Überlegenheit der für ADHS zugelassenen Präparate gegenüber Placebo nachweisen. (Agenturfoto) Generell ließ sich eine Überlegenheit der für ADHS zugelassenen Präparate gegenüber Placebo nachweisen. (Agenturfoto) © iStock/Marco VDM