Neue Stoffe für alte Epilepsiepatienten

Dr. Angelika Bischoff

Rasche CT- und EEG-Diagnostik sind indiziert. Rasche CT- und EEG-Diagnostik sind indiziert. © peterschreiber.media- stock.adobe.com

Eine Epilepsie im höheren Lebensalter geht meist auf strukturelle Erkrankungen des Gehirns zurück. Müssen die Krampfanfälle behandelt werden, sollte man neuen Antiepileptika den Vorzug geben.

Wenn jenseits des 60. Lebensjahres eine Epilepsie erstmals auftritt, stehen als Ursache meist vaskuläre Ereignisse im Vordergrund. Am größten ist das Risiko bei der Subarachnoidalblutung. Zwischen 5 und 17 % der Betroffenen entwickeln nachfolgend eine Epilepsie, schreibt PD Dr. Christian Tilz vom Krankenhaus Barmherzige Brüder Regensburg. Bei ischämischen Schlaganfällen geht man von einem Risiko von 4 % pro Jahr aus. Weiterhin treten Epilepsien bei Hirntumoren auf – insbesondere bei langsam wachsenden Gliomen –, nach Schädel-Hirn-Traumata sowie bei metabolischen oder demenziellen Erkrankungen.

Abgrenzung von vaskulären Ereignissen ist schwierig

Ältere Patienten mit Epilepsie zeigen gehäuft fokale Anfälle mit isolierter Negativsymptomatik. Typisch sind isolierte Bewusstseinsminderung, Verwirrtheit oder Sprachstörung ohne motorische Aktivität. Auch eine prolongierte Hemiparese kann vorkommen, die die Abgrenzung von vaskulären Ereignissen wie einer transitorischen ischämischen Attacke schwierig macht. Rasche CT-Bildgebung und EEG-Diagnostik sind deshalb indiziert.

Eine antikonvulsive Therapie sollte bei älteren Patienten eingeleitet werden, wenn nach einem ersten Anfall eine erhöhte Rezidivgefahr besteht. Davon kann man ausgehen, wenn das EEG epilepsie-typische Aktivitäten aufweist (was allerdings nach einem ersten isolierten fokalen Anfall nur in 30 % der Patienten der Fall ist – daher an wiederholte Ableitungen denken!) oder wenn die MRT-Aufnahme strukturelle Läsionen zeigt. Da ältere Menschen Medikamente langsamer verstoffwechseln, sollte man zur Vermeidung unerwünschter Wirkungen niedrigere Zieldosen als bei jüngeren Patienten anstreben und nicht zu rasch aufdosieren.

Bei Schluckproblemen Saft bevorzugen

Neuere Antikonvulsiva haben im Vergleich zu älteren weniger Interaktionen und sind deshalb für Neueinstellungen zu bevorzugen. Für Patienten mit Schluckproblemen wählt man Substanzen, die auch als Saft verfügbar sind.

In einer großen Metaanalyse zur antikonvulsiven Therapie im Alter erwies sich Lamotrigin im Vergleich zu Carbamazepin als besser verträglich. Eine Vergleichsstudie fand für Levetiracetam die geringsten Abbruchraten. Lamotrigin stand an zweiter Stelle, gefolgt von retardiertem Carbamazepin.

Als Zusatztherapie schwer behandelbarer Epilepsien stellen Brivar­acetam, Perampanel und Cenobamat neue erfolgversprechende Optionen dar. Brivaracetam soll durch die hohe Affinität an SV2A* verträglicher sein als Levetiracetam. Perampanel weist den neuartigen Wirkmechanismus der nonkompetitiven Blockade von AMPA-Rezeptoren** auf. Die Substanz hat bei schwer behandelbaren Epilepsien bessere Responsequoten erreicht als Lacosamid. Der Preis dafür war allerdings eine höhere Rate unerwünschter Wirkungen.

Seit Kurzem auch in Deutschland verfügbar ist Cenobamat, das Natriumkanäle inaktiviert und die GABA-erge Wirkung verstärkt. Das Antikonvulsivum hat sich als hochwirksam erwiesen in der Reduktion der Anfallsfrequenz bei Patienten mit stark vorbehandelten und refraktären fokalen Epilepsien.

Zu beachten ist, dass unter Levetiracetam und Perampanel schwere psychiatrische Symptome wie Reizbarkeit und Aggressivität auftreten können. Das ist vor allem bei Patienten mit psychia­trischer Komorbidität problematisch. Levetiracetam könnte man in diesem Fall laut Dr. Tilz auf das verwandte Brivaracetam umstellen, welches erheblich seltener psychiatrische Nebenwirkungen hat.

*    Synaptisches Vesikel 2A
**    α-Amino-3-Hydroxy-5-Methylisoxazol-4-Propionsäure

Quelle: Tilz C. Dtsch Med Wochenschr 2022; 147: 669-674;  DOI: 10.1055/a-1664-1338

Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).


Rasche CT- und EEG-Diagnostik sind indiziert. Rasche CT- und EEG-Diagnostik sind indiziert. © peterschreiber.media- stock.adobe.com