Nutzen und Risiken extra- und intrakranieller Verfahren

Neurowoche 2022 Friederike Klein

Die Behandlung der Epilepsie mittels Neurostimulation bietet inzwischen verschiedene Systeme auf. Die Behandlung der Epilepsie mittels Neurostimulation bietet inzwischen verschiedene Systeme auf. © vetre – stock.adobe.com

Erweist sich eine Epilepsie als pharmakoresistent und kommt die Resektion des epileptogenen Fokus nicht in Betracht, ist die Neurostimulation zu erwägen. Mittlerweile gibt es verschiedene Systeme, die sich in Wirksamkeit und Sicherheit unterscheiden.

Vagusnervstimulation

Die Erfahrungen mit der Vagusnervstimulation sind besonders umfangreich: Mehr als 130.000 Patienten haben bereits ein Implantat erhalten. Die Ansprechrate – definiert als Reduktion der Anfallsfrequenz um mindestens 50 % – liegt bei etwa 40 %. Nach dem Ergebnis einer Meta­analyse scheint die Methode bei posttraumatischer Epilepsie sowie bei tuberöser Sklerose besonders effektiv zu sein, berichtete PD Dr. Elisabeth Kaufmann von der Neurologischen Klinik und Poliklinik der Ludwig-Maximilians-Universität München. 

Kontraindiziert ist das Verfahren bei Zustand nach Vagotomie, bei schweren kardialen Vorerkrankungen, vasovagalen Synkopen, obstruktivem Schlafapnoesyndrom, Asthma, Suchterkrankungen sowie bei einem gastrointestinalen Ulkus. Häufige Nebenwirkungen unter der Stimulation sind Heiserkeit, Husten, Parästhesien und Dyspnoe, die im Verlauf aber abnehmen. Die Mortalitätsrate von bis zu 3,6 % nach drei Jahren und die SUDEP-Rate (engl. sudden unexpected death in epilepsy) von 1,6 % nach drei Jahren spiegeln das Risiko durch die Schwere der pharmakoresistenten Erkrankung wider und sind nicht Ausdruck eines erhöhten Risikos durch die Stimulation, betonte die Kollegin. Im Gegenteil: Das SUDEP-Risiko ist bei Vagusnervstimulation eher etwas geringer als ohne. 

Geräte, die eine nichtinvasive Stimulation des Nervus vagus erlauben, haben sich wegen fehlender oder beschränkter Evidenz nicht durchgesetzt.

Tiefe Hirnstimulation

Die tiefe Hirnstimulation (THS) zielt auf den anterioren Nucleus des Thalamus (ANT). Es wird angenommen, dass dieser eine Relaisfunktion für den Papez-Kreis darstellt, der unter anderem für die Ausbreitung der epileptischen Aktivität von großer Bedeutung ist. Bislang wurde nur eine randomisiert-kontrollierte Studie (RCT) zur THS veröffentlicht. Sie zeigte nach sieben Jahren eine signifikante mediane Reduktion der Anfallsfrequenz von 75 % im Vergleich zu Baseline. Anfallsfreiheit erreichten 18 % der THS-Patienten. 

Die Ergebnisse der europäischen Registerstudie MORE werden in Kürze erwartet. Wie Dr. Kaufmann berichtete, fallen die Ergebnisse aber wohl nicht ganz so beeindruckend aus. Zum einen sind die Kollektive in RCT und Register unterschiedlich. Zum anderen wurde in Europa vor allem der extraventrikuläre Zugangsweg genutzt. Inzwischen ist aber klar, dass der in den USA präferierte transventrikuläre Zugangsweg günstiger ist. Der ANT wird sicherer angesteuert, das Blutungsrisiko ist nicht wie zunächst befürchtet erhöht. 

Im Gegensatz zur Vagusnervstimulation bemerken die Patienten die THS eigentlich nicht, sagte Dr. Kaufmann. Zu bedenken sind aber periprozedurale Risiken. Außerdem berichten Betroffene häufiger über Gedächtnisprobleme und Depressionen. Allerdings hatten etwa zwei Drittel in den Studien schon vorher mnestische Probleme und es scheint, dass die Patienten nach der Implantation die Defizite selbst stärker wahrnehmen. Bei vorbestehender Depression oder Zustand nach Suizidversuch würde man die Methode nach Aussage der Neurologin eher nicht einsetzen.

Epikranielle Stimulation

Neu CE-zertifiziert ist die epikranielle Stimulation mit EASEE®. Dabei wird eine Elektrode subgaleal am Schädelknochen über dem epileptogenen Fokus aufgebracht und dort mit Gleichstrom stimuliert. Über sechs Monate wurde mit diesem System eine Ansprechrate von 53 % erreicht. Langzeitdaten fehlen bislang noch. 

Direkte Vergleichsstudien mit den verschiedenen Stimulationsverfahren gibt es nicht. Eine Metaanalyse weist auf etwas höhere Anfallsfreiheitsraten der intrakraniellen Verfahren gegenüber der Vagusnervstimulation hin. Dr. Kaufmann empfiehlt die Vagusnervstimulation am ehesten bei depressiven Patienten, bei Kindern (Zulassung ab vier Jahren) und bei generalisierter Epilepsie.

Ansons­ten rät sie zur THS als besonders effektives Verfahren, soweit keine Kontraindikationen bestehen. Die epikranielle Stimulation hat ihrer Einschätzung nach einen Stellenwert für die Behandlung der unifokalen kortikalen Epilepsie, z.B. bei einem Fokus in einem Areal, das nicht reseziert werden kann. 

Die Hersteller der verschiedenen Therapiesysteme haben jeweils eine Monopolstellung, kritisierte die Kollegin. Dies könnte der Weiterentwicklung der Methoden entgegenstehen. Zudem bestünden immer noch Unklarheiten bezüglich der Prädiktoren oder der optimalen Stimulationsparameter. „Es sind Verfahren, bei denen Sie das Potenzial, aber auch die Limitationen kennen sollten“, sagte Dr. Kaufmann. 

Bedarfsgerechte fokale Stimulation

Die responsive Neurostimulation (RNS, NeuroPace®) ist nur in den USA zugelassen. Die Elektrode wird in die Nähe des Epilepsiefokus implantiert und so programmiert, dass sie die epileptische Aktivität erkennt und nur bei Bedarf stimuliert. Die Ansprechraten der Methode reichen an die der THS heran: Nach neun Jahren wird eine Anfallsfreiheit bei 21 % der Patienten berichtet. Unter der Behandlung kommt es zu Verbesserungen von Lebensqualität, Sprache und Gedächtnis. Das Hauptmanko ist laut Dr. Kaufmann ein über die Behandlungsdauer ansteigendes Infektionsrisiko. Nicht eingesetzt werden kann das Verfahren bei multifokaler Epilepsie und bei unklarem Anfallsursprung.

Kongressbericht: Neurowoche 2022

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Die Behandlung der Epilepsie mittels Neurostimulation bietet inzwischen verschiedene Systeme auf. Die Behandlung der Epilepsie mittels Neurostimulation bietet inzwischen verschiedene Systeme auf. © vetre – stock.adobe.com