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Nicht immer nur an die üblichen Verdächtigen denken

Nach einem Verkehrsunfall erhielt eine junge Frau im Rahmen der Primärversorgung Fentanyl, Paracetamol und Metamizol i. v. In der Klinik bekam sie vor einer CT mit Kontrastmittelapplikation 2 mg Clemastin und 125 mg Methylprednisolon, da sie früher angeblich auf ein Radiokontrastmittel reagiert hatte. Unmittelbar nach der Prämedikation traten generalisierte Urtikaria, Atembeschwerden und Lidödeme auf. Zur Kreislaufinstabilität kam es nicht, unter Sauerstoffgabe blieb die Sauerstoffsättigung normal.
Nach intramuskulärer und inhalativer Gabe von Adrenalin ging die Dyspnoe zurück. Die Kontrastmittel-CT wurde durchgeführt, der Zustand der Patientin verschlimmerte sich nicht. Sie wurde zunächst intensivmedizinisch überwacht, aber noch am selben Tag mit der Diagnose Schädel-Hirn-Trauma Grad 1 entlassen. Die Klinikärzte vermuteten eine allergische Reaktion auf Metamizol oder Zusatzstoffe und gaben der Patientin ein Notfallset mit (Levocetirizin, Prednisolon, Adrenalinautoinjektor).
Methylprednisolon als Auslöser identifiziert
Sechs Monate später stellte sich die Frau zur Abklärung beim Allergologen vor. Wegen ihres Asthmas war sie früher mit Budesonid/Formoterol behandelt worden, aufgrund von Ekzemen hatte sie auch weitere Kortikosteroide erhalten. Um herauszufinden, was die Anaphylaxie ausgelöst hatte, führte der Allergologe Intradermaltests mit sämtlichen Medikamenten durch, die die Patientin nach dem Verkehrsunfall bekommen hatte. Ein positives Ergebnis fand er lediglich für Methylprednisolon. Weitere Hauttests zwölf Tage später mit verschiedenen Kortikosteroiden der Strukturgruppen I bis III bestätigten als Auslöser Methylprednisolon, das zur Strukturgruppe I zählt.
Selten, aber unterschätzt
Soforttypallergien auf Kortikosteroide sind sehr selten. In einer Übersichtsarbeit wird die Prävalenz pro Kortikosteroidgabe auf 0,1 – 0,5 % geschätzt, berichten Dr. Mani-Weber et al.
In den meisten Fällen kommt es zu Anaphylaxien (61 %). Auslöser sind in der Hauptsache Methylprednisolon (41 %) und Prednisolon (26 %). Es ist von einer hohen Dunkelziffer auszugehen, da die Substanzen selten als Allergene in Betracht gezogen werden.
Die Patientin erhielt einen vorläufigen Allergieausweis und wurde darüber informiert, dass Kortikosteroide in vielen Medikamenten enthalten sind, welche bei Atopie eingesetzt werden. Mithilfe von Provokationstests mit Kortikosteroiden der Gruppen II und III hätte man verträgliche Substanzen finden können – doch die Patientin lehnte dies ab. Daher wurde dokumentiert, dass Kortikosteroide der Gruppe I bei ihr kontraindiziert seien und andere Kortikoide nur in Anaphylaxiebereitschaft einschleichend verabreicht werden dürften.
Wenn nach Kortikosteroidgabe allergietypische Beschwerden auftreten oder sich eine bestehende Symptomatik akut verschlechtert, sollte eine Soforttypallergie in Betracht gezogen werden, betonen Dr. Ulrich Mani-Weber, Allergiepraxis BEO AG, Thun, und Mitarbeitende. Allergische Reaktionen auf diese Arzneistoffe sind zwar selten, doch können Kreuzreaktionen auf verschiedene Kortikosteroide auftreten.
Das Autorenteam weist darauf hin, dass jede Anaphylaxie allergologisch abgeklärt werden sollte, um potenziell tödliche Rezidive zu verhindern. Die Diagnostik sollte bald nach dem Indexereignis erfolgen, bei vermuteten Medikamentenallergien innerhalb von sechs Monaten.
Quelle: Mani-Weber U et al. Swiss Med Forum 2024; 24: 404-407; DOI: 10.4414/smf.2024.1308707175
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