Nierenvorbefunde zur Einschätzung der Nierenfunktion

Dr. Niclas Detels

Raten Sie mit! 5 nephrologische Fälle zum Kniffeln. Raten Sie mit! 5 nephrologische Fälle zum Kniffeln. © kegfire – stock.adobe.com

Wie wichtig die ANAMNESE der Patientinnen und Patienten zur richtigen Einordnung von Befunden ist, zeigt sich auch in der Nephrologie. Auch normale Befunde können täuschen, ebenso können außerhalb der Norm liegenden Werten ganz unterschiedliche Ursachen zugrunde liegen, manche davon eher selten oder unerwartet.

Knobeln Sie mit bei den folgenden fünf Fällen und decken die Ursachen von plötzlichem oder schleichendem Nierenfunktionsverlust, ungewöhnlich niedrigen oder hohen Kreatinin-Werten auf.


FALL 1

Plötzlicher Nierenfunktionsverlust
▪ 33-jährige Patientin
▪ rezidivierende Nierensteine
▪ zuletzt notfallmäßige OP bei massiver Nierensteinkolik
▪ persistierende Dyspnoe und Lungenembolie
▪ 2018 Magenbypass, in der Folge Gewichtsverlust von 44 kg

Anamnese 

Eine 33-jährige Patientin stellt sich zur Abklärung einer chronisch funktionellen Nierenerkrankung vor. Sie berichtet über rezidivierende Nierensteine. Vor kurzem sei sie aufgrund einer massiven Nierensteinkolik stationär aufgenommen und anschließend notfallmäßig operativ behandelt worden. Im Weiteren wäre aufgrund einer persistierenden Dyspnoe eine Lungenembolie diagnostiziert worden. Knobeln Sie mit bei den folgenden fünf Fällen und decken die Ursachen von plötzlichem oder schleichendem Nierenfunktionsverlust, ungewöhnlich niedrigen oder hohen Kreatinin-Werten auf. 31 KASUISTIK Nierenarzt/Nierenärztin 3/2024 2018 wurde bei der Patientin aufgrund einer Adipositas ein Magenbypass gelegt. Im Anschluss gewollter Gewichtsverlust von 44 kg. Aktuell gibt sie keine Symptome an, weder Dyspnoe, periphere Ödeme noch urämischen Symptome. Keine Angina-pectoris-Symptomatik. Die Familienanamnese ist nicht bekannt. Sie ist verheiratet und hat 3 Kinder. Die Patientin gibt weder einen Nikotin-, noch ein Alkoholabusus an, an nephrotoxischen Substanzen gelegentlich Ibuprofen, das letzte CT mit Kontrastmittel erfolgte schon vor Jahren. Von Beruf ist sie Pflegeassistentin, hier kommt sie nicht mit Giftstoffen in Verbindung. Eine HIV- oder Hepatitisansteckung ist nicht bekannt. In der Systemanamnese gibt sie einen Blutdruck von 140/80 mmHg an, unauffällige Miktion und Stuhlgang, keine neurologischen Ausfallerscheinungen, keine Medikamentenallergien bekannt und keine anamnestischen Hinweise auf eine Vaskulitis.

Körperlicher Untersuchungsbefund 

▪ Patientin in gutem AZ und adipöser EZ, Größe 164cm, Gewicht 85kg, BMI 31,60 Kg/m ²
▪ Blutdruck am linken Oberarm gemessen im Sitzen 139/92mmHg, Puls 102/min
▪ Blutdruck am rechten Oberarm gemessen im Sitzen 143/101mmHg
▪ Blutdruck am rechten Oberarm gemessen im Stehen 145/98mmHg, Puls 110/min.
▪ SpO2 ohne Sauerstoff 98%
▪ Integument und Skleren anikterisch, keine Effloreszenzen, kein Exanthem
▪ Keine cervicale-, supraclaviculäre-, axilläre- und inguinale Lymphadenopathie
▪ Herz/Kreislauf: kardiopulmonal kompensiert, Herztöne rein und rhythmisch, keine Halsvenenstauung, Carotiden frei, kein Perikardreiben
▪ Periphere Pulse beidseits kräftig palbabel, Peripherie warm, keine peripheren Ödeme
▪ Lunge: Thorax symmetrisch, vesikuläres Atemgeräusch über allen Lungenfeldern, atemabhängig seitengleiche Verschieblichkeit der Lunge
▪ Abdomen: weich, indolent, keine Resistenzen, keine palpable Organomegalie, DGs regelrecht in allen vier abdominellen Quadranten
▪ Bewegungsapparat: kein Wirbelsäulenklopfschmerz
▪ Nierenlager: rechts nicht klopfschmerzhaft
▪ Neurostatus: Pupillen mittelweit isocor mit seitengleicher direkter und indirekter Lichtreaktion. Unauffälliger Hirnnervenstatus. Grobneurologisch unauffällig
▪ Klinisch keine Hinweise für eine Vaskulitis

Labor

Laborchemisch zeigte sich vor einer Woche ein Kreatinin von 0,77 mg/dl bei errechneter Kreatinin-Clearance nach CKDEPI von 99,6 ml/min/KÖF. 7 Tage später zeigte sich ein Kreatininanstieg auf 1,28 mg/dl bei errechneten GFR von 56,5 ml/min/1.73m²

Was könnte die Ursache für den plötzlichen Nierenfunktionsverlust sein?


FALL 2

Kratinin-Anstieg und eGFR-Abfall: Welche Diagnostik führt zur richtigen Diagnose?
▪ rechtsseitige Flankenschmerzen
▪ ansteigende Nierenwerte Vorerkrankungen:
▪ Diabetes mellitus Typ 2, Periphere Polyneuropathie, Art. Hypertonie

Vorbefunde eines 73 jährigen Patienten
Diagnosen
1. Chronische Nierenkrankheit CKD Stadium 2 bei V.a. Nephrosklerose (N18.2) und diabetischer Nephropathie:
▪ Mikroalbuminurie (R80)
2. Nierensteinleiden rechts (N20.0):
▪ M ikrohämaturie (R31)
3. Diabetes mellitus Typ 2 (E11.90):
▪ periphere Polyneuropathie (G62.9)
4. Arterielle Hypertonie (I10.90)
5. Hyperlipidämie (E78.5)

Anamnese
Die Vorstellung des Patienten erfolgt zur Abklärung von rechtsseitigen Flankenschmerzen und ansteigenden Nierenwerten. Ein Nierensteinleiden ist dem Patienten nicht bekannt. Dyspnoe oder pektanginöse Beschwerden werden verneint. Keine schweren Beinödeme. Die körperliche Belastbarkeit sei gut. Keine Zeichen einer Urämie. Dysurische Beschwerden werden verneint. In der Familie seien bis auf eine bekannte hydrophische Sackniere der Halbschwester keine weiteren Nierenerkrankung bekannt. Keine Allergien. Vorerkrankung: Periphere Polyneuropathie, nicht insulinpflichtiger Diabetes mellitus Typ 2, Art. Hypertonie. 

Körperlicher Untersuchungsbefund

73-jähriger Patient in zufriedenstellendem Allgemeinzustand und adipösem Ernährungszustand. RR 140/70 mmHg, Puls 68/min. Pulse peripher gut tastbar. Haut und sichtbare Schleimhäute gut durchblutet, rosig. Keine Zyanose. Lymphknoten nicht vergrößert tastbar. Schilddrüse nicht vergrößert tastbar. Thorax inspektorisch unauffällig. Lunge mit sonorem Klopfschall, auskultatorisch regelrechtes, vesikuläres Atemgeräusch. Kein Anhalt für feuchte Rasselgeräusche, keine Knistergeräusche. Herz mit regelmäßiger Herzaktion 68 Schläge/min., Herztöne rein, kein Herzgeräusch. Abdomen mit adipöser, weicher Bauchdecke, ohne tastbare Resistenzen, ohne Abwehrspannung. Regelrechte Peristaltik. Keine peripheren Ödeme. Neurologisch grob orientierend unauffällig, ausgeglichene Stimmungslage.

Oberbauchsonographie:
▪ Leber: normal groß, inhomogene Binnenstruktur, deutliche Steatose hepatis, keine Erweiterung der intrahepatischen Gallengänge, Randwinkel spitz. Z.n. CHE, DHC nicht einsehbar.
▪ Pankreas: nicht einsehbar.
▪ Milz: unauffällig.
▪ Rechte Niere: Niere orthotop gelegen, Normal groß: 121 x 50 mm, Parencymbreite 21 mm; keine Zyste. V.a. Nierensteine mit Stauung der oberen Nierenkelchgruppe. RI 0,72.
▪ Linke Niere: Niere orthotop gelegen, Normal groß:130x 55 mm, Parencymbreite 23 mm; keine Zyste. Kein Hinweis auf Nierensteine. RI 0,72
▪ Harnblase mit glatter Oberfläche, Aorta abdominales mit deutlicher Aortensklerose.

Beurteilung: schwierige Untersuchungsbedingungen bei abd. Adipositas. Beide Nieren orthotop gelegen, V.a. Nierensteinleiden der rechten Niere mit Harnaufstau. Z.n. Cholezystektomie. Deutliche Steatose hepatis, Aortensklerose. Nach indirekten Kriterien kein Hinweis auf Nierenarterienstenose bds.

Beurteilung 

Nierenfunktion: Die Nierenfunktion ist mit einer eGFR von 68 ml/min anhand des Cystatin C nur minimal eingeschränkt im Stadium CKD2. Im Urinstatus zeigt sich eine deutliche Mikrohämaturie. Das Urinsediment ist in der lichtmikroskopischen Untersuchung nicht nephritisch. Eine signifikante Proteinurie ist nicht nachweisbar. In der Urindiagnostik zeigt sich eine milde Microalbuminurie. Sonographisch zeigen sich die Nieren mit chronischem Parenchymschaden mit Va auf Nierensteinleiden re mit Harnaufstau . 

Hinweise auf ein Nierensteinleiden: In der rechten Niere zeigen sich deutliche Hinweise auf ein Nierensteinleiden, insbesondere im Bereich der oberen Nierenkelchgruppe. Hier besteht ein hochgradiger V.a. Nierensteine. Dies würde auch die ausgeprägte Mikrohämaturie und die Flankenschmerzen erklären. Der Patienten wurde diesbezüglich kurzfristig beim Urologen vorgestellt. Eine duplexsonografische Untersuchung der beiden Nierenarterien konnte bei sehr schwierigen Untersuchungsbedingungen nicht durchgeführt werden. Die intrarenalen Widerstandsindices zeigten sich aber normwertig, so dass eine Nierenarterienstenose bds. sehr unwahrscheinlich ist. Auffällig zeigte sich in der Abdominalsonografie eine Aortensklerose und Z.n. Cholzystektomie. Sonst war der weitere sonographische Befund altersentsprechend. 

Elektrolyte, Lipide und Blutzucker: Die Elektrolyte und auch der Säure-Basen- Haushalt sind ausgeglichen. Die Blutbildung zeigt sich suffizient. Der Lipidstoffwechsel ist noch unzureichend bei einem Gesamtcholesterin von 211 mg/dl eingestellt. Der Blutzuckerhaushalt ist mit einem aktuellen HbA1c von 7,7% deutlich erhöht. Die antidiabetische Therapie sollte weiter intensiviert werden. Aus nephrologischer Sicht empfiehlt es sich, einen HbA1c unter 7% anzustreben. 

Gesamtbeurteilung: Insgesamt besteht bei dem Patienten eine nur mäßig eingeschränkte Nierenfunktion, am ehesten bedingt durch eine Nephrosklerose und diabetischer Nephropathie, DD Harnaufstau bei Nierensteinleiden re. Hinweise für eine akut vaskulitische Glomerulonephritis zeigen sich bei normwertigen Antikörper-Titer nicht. Bei noch teils erhöhten Blutdruckverhältnissen und schon bestehender Microalbuminurie wurde dem Patienten eine Medikation mit AT1-Blocker verordnet. Eine erneute Wiedervorstellung sollte in etwa in 6 Monaten erfolgen.

Aktuelle Medikation:
JANUMET 50 mg/ 1 - 0 - 1 - 0 850 mg Filmtabletten
PANTOPRAZOL 1A Pharma 0 - 0 - 1 - 0 20 mg magensaftres.Tabletten
GABAPENTIN 1A Pharma 1 - 1 - 1 - 0 300 mg Hartkapseln
CANDESARTANCILEXETIL/ 1 - 0 - 0 - 0
HCT Mylan 8 mg/12,5 mg Tabl. neu!

Verlauf 

Der 73-jährige Patient berichtet über Unwohlsein und Verschlechterung des Allgemeinzustands um Weihnachten mit linksseitigen Flankenschmerzen, die in die linksseitige Bauchregion ausstrahlten, DD Leiste. Begleitend subfebrile Temperaturen, aber kein Fieber, hieraufhin wurde eine COVID-19-Testung durchgeführt, die jedoch keinen positiven Befund ergab. Im weiteren Verlauf deutliche Verschlechterung der Symptomatik mit erneuter Vorstellung in der Notaufnahme. Hier konnte in der diagnostischen Abklärung mittels Sonografie, Röntgen-Thorax und Labor keine Pathologie gesehen werden. Im weiteren Verlauf sistierte der Schmerz. Aktuell keine Dyspnoe, keine peripheren Ödeme und kein Blut im Urin. Der Schmerz wäre aktuell nicht mehr aufgetreten. Der Praxis-Blutdruck liegt aktuell bei 158/100 mmHg, Puls 77.

Labor
Kreatinin 1,9 mg/dl eGFR- 34 ml/min/KÖF
7 Tage später Kreatinin 5,89 mg/dl - eGFR von 10 ml/min/KÖF

Was ist die Ursache? Welche Diagnostik wäre jetzt indiziert?


FALL 3

Abklärung einer chronisch funktionellen Nierenerkrankung
▪ 56-jährige Patientin
▪ bekannte Dermatomyositis
▪ Kontrastmittelunverträglichkeit
▪ eGFR: 51 ml/min/KÖF

Anamnese 

Die Vorstellung der 56-jährigen Patientin erfolgt zur Abklärung einer chronisch funktionellen Nierenerkrankung. Aktuell sei der Allgemeinzustand zufriedenstellend. Die körperliche Belastbarkeit sei gut. Dyspnoe oder pektanginöse Beschwerden bestehen nicht. Kein Hinweis auf urämische Symptome. Aktuell auch kein Hinweis auf einen akuten Schub der bekannten Dermatomyositis. Diesbezüglich erfolgen engmaschige dermatologische und rheumatologische Vorstellungen. Eine Nierenerkrankung sei in der Familie nicht bekannt. Kontrastmittelunverträglichkeit. Medikamentenallergien bestehen nicht. Zustand nach vermehrten rechtsseitigen Nierenbeckenentzündungen in der Kindheit.

Körperlicher Untersuchungsbefund

▪ 56-jährige Patientin in zufriedenstellendem Allgemeinzustand und adipösem Ernährungszustand, Gewicht: 100Kg
▪ RR 130/70 mmHg, Puls 88/min. Pulse peripher gut tastbar
▪ Haut und sichtbare Schleimhäute gut durchblutet, rosig. Keine Zyanose
▪ Lymphknoten nicht vergrößert tastbar
▪ Schilddrüse nicht vergrößert tastbar, Thorax inspektorisch unauffällig
▪ Lunge mit sonorem Klopfschall, auskultatorisch mit regelrechtem, vesikulärem Atemgeräusch. Kein Anhalt für feuchte Rasselgeräusche, keine Knistergeräusche
▪ Herz mit regelmäßiger Herzaktion 68 Schlägen/min., Herztöne rein, kein Herzgeräusch
▪ Abdomen mit adipöser, weicher Bauchdecke, ohne tastbare Resistenzen, ohne Abwehrspannung. Regelrechte Peristaltik
▪ Keine peripheren Ödeme.
▪ Neurologisch grob orientierend unauffällig, ausgeglichene Stimmungslage

Labor vor 5 Jahren
Kreatinin 1,02mg/dl, eGFR 59,8 ml/min/KÖF

Labor aktuell
Nierenfunktion: eGFR von 51 ml/min/KÖF, Kreatinin 1,02mg/dl

Was könnte die Ursache für die konstant verminderte Nierenfunktion sein?


FALL 4

Konstant verminderte Kreatinin-Werte bei einem 41-jährigen Patienten: Was ist die Ursache?
▪ Blutdruck unter Medikation zunächst 135/95mmHg
▪ daher Intensivierung der Medikation
▪ Nierenfunktion und Kalium normwertig

Anamnese

Der 41-jährige Patient berichtet darüber, dass es ihm gut gehe, der häusliche Blutdruck zeigt sich unter Medikation bei 135/95 mmHg. Hieraufhin Intensivierung der antihypertensiven Medikation mittels Steigerung der Olmesartan-Dosierung. Der Patient wurde darauf hingewiesen, seine Kalium- und Kreatininkontrollen regelmäßig beim Hausarzt durchzuführen. Aktuell zeigt sich die Nierenfunktion normwertig. Das Kalium zeigt sich nicht erhöht. 

Nierenfunktion
▪ GFR nach CKD-EPI-Kreatinine-Cystatin C-Formel: 82,8 ml/min/KÖF
▪ Kreatinin:
▪ zunächst: 0,24 mg/dl
▪ Im Verlauf 1 Monat später: 0,27 mg/dl
▪ Im Verlauf 1 Jahr später Kreatinin: 0,28 mg/dl

Was könnte die Ursache des geringen Kreatinins sein?


FALL 5

Erstvorstellung des 76-jährigen Patienten erfolgte im Rahmen einer akuten Notfalldialyse bei Volumenüberladung und Hyperkaliämie im örtlichen Krankenhaus.
▪ akute kardiale Dekompensation
▪ Dyspnoe
▪ fehlende Restdiurese
▪ vor drei Wochen noch normale Diurese

Akutes Nierenversagen unklarer Genese Die Erstvorstellung des 76-jährigen Patienten erfolgte im Rahmen einer akuten Notfalldialyse bei Volumenüberladung und Hyperkaliämie im örtlichen Krankenhaus. Die initiale Zuweisung erfolgte aufgrund einer AZ-Verschlechterung mit akuter kardialer Dekompensation, Dyspnoe und fehlender Restdiurese. Der Patient berichtet, er habe vor drei Wochen eine noch normale Diurese gehabt. Diese wäre von einem auf den anderen Tag versiegt. Begleitend hätte er eine massive Luftnot initial unter Belastung und später auch in Ruhe verspürt. Zuvor habe er eine tägliche sportliche Aktivität von ca. 30 km auf dem Hometrainer ausüben können. Aktuell bemerke er Dyspnoe, periphere Ödeme, einen persistierenden Juckreiz und eine permanente Müdigkeit, welche seit ca. 3 Wochen stetig zunähmen. Ihm sei keine Nierenerkrankung bekannt. Im Weiteren berichtet er über eine arterielle Hypertonie mit hypertensiver Herzerkrankung. Die arterielle Hypertonie sei seit Jahrzehnten medikamentös behandelt und aktuell normotensiv eingestellt. Vor 5 Jahren erlitt er einen Schlaganfall mit persistenter motorischer Aphasie und armbetonter Hemiparese rechts. Im Weiteren wäre eine COPD bei Z.n. Nikotinabusus mit ca. 70py bei ihm bekannt. Des weiteren Tracheomalazie, Hypercholesterinämie und hyperthyreote retrosternale Knotenstruma mit Hypothyreose des Factitis.

Körperlicher Untersuchungsbefund
▪ 76-jähriger Patient in reduziertem AZ und normalen EZ, Größe 172 cm, Gewicht 72,1 kg, BMI 24,4 kg/m. Atemfrequenz 16/min, Temperatur 36,2 °C, BZ 97 mg%
▪ Blutdruck am linken Oberarm gemessen im Sitzen 152/88 mmHg, Puls 70/min
▪ Blutdruck am rechten Oberarm gemessen im Sitzen 160/100 mmHg, Puls 75/min
▪ SpO2 ohne Sauerstoff 94 % unter 2 L O2
▪ Integument und Skleren anikterisch, keine Effloreszenzen, kein Exanthem
▪ Enoral: feuchte rosige Schleimhäute, Zungengrundvenen nicht gestaut
▪ Keine cervicale-, supraclaviculäre-, axilläre- und inguinale Lymphadenopathie
▪ Herz/Kreislauf: Carotiden frei, kardiopulmonal kompensiert, Herztöne rein und rhythmisch, kein Perikardreiben, deutliche Halsvenenstauung, deutliche periphere Ödeme rechts mehr links
▪ Lunge: Thorax symmetrisch, vesikuläres Atemgeräusch über allen Lungenfeldern, atemabhängig seitengleiche Verschieblichkeit der Lunge, perkutorisch unauffällig
▪ Abdomen: weich, indolent, keine Resistenzen, keine palpable Organomegalie, DGs regelrecht in allen vier abdominellen Quadranten

▪ Bewegungsapparat: kein Wirbelsäulenklopfschmerz
▪ Nierenlager: beidseits nicht klopfschmerzhaft
▪ Neurologie: Patient wach, orientiert zu allen Qualitäten, ansprechbar, motorische Aphasie und armbetonte Hemiparese rechts bei Z.n. Apoplex

Abdominelle Sonographie

In der initial notfallmäßig durchgeführten Abdominalsonografie konnte ein Harnaufstau bds. im Rahmen eines postrenalen Nierenversagens ausgeschlossen werden. Es zeigen sich altersentsprechende nephrosklerotisch veränderte Nieren. Kein Pleuraerguss bds.

Diagnosen
1. Unklares Akutes Nierenversagen
2. Arterielle Hypertonie mit hypertensiver Herzerkrankung
3. Asthma Bronchiale - Z.n. Nikotinabusus ca. 70 py. Stop vor 3 Wochen
4. Hyperthyreote retrosternale Knotenstruma mit Hypothyreose, Factitis
5. Tracheomalazie
6. Z.n. Apoplex mit motorischer Aphasie und armbetonter Hemiparese rechts (06/2011)

Vormedikation

L-THYROX 150 Mikrogramm Tablette 1-0-0-0
SIMVASTATIN 20 mg Filmtablette 1-0-0-0
Amlodipin 5 mg Tbl. 1-0-0-0
ASS 100mg 1-0-0-0
Sultamicin tosilat 2-Wasser 506,3 mg 1-0-1-0 für 10 Tage

Laborbefunde
In den Laborbefunden zeigt sich eine am ehesten infektbedingte Anämie, Hyperkaliämie, Eosinophilie, Lymphopenie und singuläre CRP Erhöhung.
BGA kapillär: Ph 7,435
Paco2: 28,5 mmHg
PaO2: 71,3
HCO3: 18,7
Be: -5,6
Befund: Metabolisch Azidose, respiratorisch kompensiert.

Pathologische Laborbefunde: siehe Bild

Spezifische Labordiagnostik zur Abklärung eines akuten Nierenversagens: siehe Bild

Apparative Diagnostik

Initialer Röntgen-Thorax im Liegen: V.a. Pleuraerguss links, Das Herz wirkt nach links verbreitert. Das linke Zwerchfell ist unscharf abgrenzbar. Der linke Sinus ist nicht ganz einzusehen. Es finden sich streifige Verdickung im linken Lungenunterfeld die sich aber auf den Herzschatten zu projizieren scheint. Vermehrte bronchitische Streifenzeichnung auch im rechten Lungenunterfeld. Keine flächenhafte Infiltration. 

Röntgen-Thorax in 2 Ebenen im Verlauf

Abgerundeter linker Randwinkel, DD Pleuraerguss, DD Pleuraschwiele. Narbige-streifige Transparenzminderung in beiden Unterfeldern, betont links, hierin kleines Infiltrat nicht sicher auszuschließen. Mittelständiges Mediastinum mit nicht eindeutig beurteilbarer Herzsilhouette. 

CT-Thorax

Aufgrund des unklaren streifigen Befundes im Rö-Thx wurde zum Ausschluss einer malignen Raumforderung ein CT -Thorax angefertig. In diesem zeigten sich in beiden Lungenflügeln milchglasartige Verschattungen, bei Ausschluss einer malignen Raumforderung. Aufgrund der Angabe einer normalen Restausscheidung vor ca. 3 Wochen mit nicht bekannter Nierenerkrankung wurde eine umfangreiche laborchemische Diagnostik eingeleitet und begleitend die Hämodialyse fortgeführt. Ebenfalls wurde bei V.a. Pneumonie initial eine Antibiose mit Amocicillin/ Sulbactam für 10 Tage begonnen. 

Auf welche Erkrankung weisen die Befunde hin?


WIE LAUTEN JEWEILS DIE VERDACHTSDIAGNOSEN?


Diagnosen zur Fallsammlung

Fall 1

Diagnose
Funktionelle/strukturelle Nierenerkrankung im CKD Stadium 3 im Rahmen einer Einnierigkeit rechts bei Z. n. Nephrektomie links.
Zunächst wurde eine operative Nierensteinentfernung durchgeführt. In der Folge zeigte sich ein massiver Blutverlust bei Einblutung der Niere, woraufhin notfallmäßig die linke Niere entfernt werden musste.

Diagnosen
1. Chronische Nierenkrankheit, Stadium 3
2. Status nach Nephrektomie links
3. Z.n. Nierenbeckenausgussstein links
4. Z.n. offener Pyelolithotomie links
5. Z.n. post-operativer Blutungsanämie bei nicht stillbarer Nierenblutung links


Fall 2

Jetzt indizierte Diagnostik
Notfallmässige Sonographie des Abdomens
Orientierende Sonografie beider Nieren: Rechte Niere: orthotop, 150 x 77 mm, Parenchymbreite 18,2 mm nephrosklerotisch am ehesten verändert, kein Harnaufstau, keine Zysten soweit beurteilbar. Linke Niere: Orthotop gelegen 129 x 80 mm Parenchymbreite nicht sicher beurteilbar, Harnaufstau 2. bis 3. Grades ohne Nachweis eines Konkrements.

Beurteilung
Linksseitiger Harnaufstau 2. bis 3. Grades.

Abgeleitete Konsequenz
Notfallmäßige urologische Vorstellung zur Entlastung und diagnostischer Abklärung des Harnaufstaus.

Diagnosen
1. Akutes postrenales Nierenversagen bei Harnstau 3. Grades linksseits
2. Chronische Nierenkrankheit, Stadium 3
3. Arterielle Hypertonie
4. Diabetes mellitus Typ 2
5. Nierenstein
6. Mikrohämaturie
7. Mikroalbuminurie
8. Hyperlipidämie
9. Periphere Polyneuropathie


Fall 3

Oberbauchsonographie:
▪ Leber: normal groß, inhomogene Binnenstruktur, leichte Steatose hepatis, keine Erweiterung der intrahepatischen Gallengänge, Randwinkel spitz. Gallenblase normal groß, ein Gallenstein. Gallenblasenwand unauffällig. DHC nicht einsehbar.
▪ Pankreas: nicht einsehbar.
▪ Milz: unauffällig.
▪ Rechte Niere: Rechte Nierenloge frei bei Z.n. Nephrektomie.
▪ Linke Niere: Niere orthotop gelegen, Normal groß: 122x 58 mm groß, Parencymbreite 23 mm; kein Aufstau, keine Zyste. RI 0,66.
▪ Harnblase mit glatter Oberfläche, Aorta abdominales unauffällig.

Beurteilung

Zustand nach Nephrektomie rechts, linke Niere normal groß ohne Harnaufstau. Indirekten Kriterien kein Hinweis auf Nierenarterienstenose links. Solitärer Gallenblasenstein.

Diagnose
Einnierigkeit, Z.n. Nephrektomie re. bei funktionsloser Niere bei Z.n. rezidivierenden Pyelonephritiden in der Kindheit.

Diagnosen
1. Chronische Niereninsuffizienz, CKD Stadium 3a bei V.a. Nephrosklerose und Status nach vollständiger Nephrektomie rechts
2. Hypertonie
3. Adipositas
4. Dermatomyositis
5. Spondylarthrose der LWS
6. Hyperlipidämie
7. Psoriasis arthropathica 


Fall 4

Laborbefunde
Nierenvorwerte: ▪ Kreatinin vor 1 Jahr 0,31 mg/dl bei einer errechneten GFR nach CKD-Epi von 164 ml/min/KÖF                                                                                   ▪ Nierenwerte nach Cystatin C und Kreatinin gemittelt 82,8 ml/min/KÖF
Nach 12 Monaten: ▪ Nierenfunktion nach CKD-EPI 173,4 ml/min/KÖF und Kreatinin 0,24 mg/dl,
▪ Im Verlauf 179 ml/min/KÖF
▪ Im Verlauf Kreatinin 0,25 mg/dl

Diagnose
Das niedrige Kreatinin erklärt sich im Rahmen der Grunderkrankung spinale Muskelatrophie bei Schwund des Muskelgewebes.

Diagnosen
1. Ausschluss funktionelle Nierenerkrankung
2. Spinale Muskelatrophie


Fall 5

Die Befunde passen vor dem Hintergrund der klinischen Angabe zu der Mitbeteiligung der Niere bei p-ANCA-assoziierter Vaskulitis. In der durchgeführten Nierenbiopsie bestätigte sich der Befund einer Eosinophilen Granulomatose mit Polyangiitis (EGPA, frühere Bezeichnung: Churg-Strauss-Syndrom).

Dieser Beitrag ist ursprünglich erschienen in: Nierenarzt/Nierenärztin 3/2024

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© Nierenarzt/Nierenärztin 3/2024
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