Offener Betrug: Placebos lindern Fatigue von Krebspatienten – sogar wenn sie wissentlich eingenommen werden

Michael Brendler

Bei der sogenannten Cancer-Related Fatigue handele es sich um ein hartnäckiges Leiden mit nur sehr eingeschränkten Therapie-Optionen. Bei der sogenannten Cancer-Related Fatigue handele es sich um ein hartnäckiges Leiden mit nur sehr eingeschränkten Therapie-Optionen. © iStock/KatarzynaBialasiewicz

Scheinmedikamente wirken bei vielen Krankheiten. Nur ist es unethisch, sie zu verwenden. Einem Patienten darf nichts vorgemacht werden. US-Forscher haben nun bei chronisch müden Krebsüberlebenden ausprobiert, was der offene Umgang mit Placebos bewirkt. Und waren überraschend erfolgreich.

Fast vierzehn Millionen Menschen haben zwar ihren Krebs überlebt, bekamen aber in der Folge ein anderes Problem: Sie leiden unter einem chronischen Müdigkeitssyndrom. Bei dieser sogenannten Cancer-Related Fatigue handele es sich um ein hartnäckiges Leiden mit nur sehr eingeschränkten Therapie-Optionen.

Der Grund ist die multifaktori­elle und komplexe Natur mit bisher kaum verstandener Pathophysiologie, schreibt das Team um Dr. Teri Hoenemeyer vom Comprehensive Cancer Center der Universität von Alabama in Birmingham. Bei den Versuchen, dem sich oft über Jahre hinziehenden Syndrom beizukommen, fiel in Studien immer wieder die starke Wirkung von Placebos auf.

Lebensqualität deutlich verbessert

Warum sollte man sich nicht diesen Effekt zunutze machen, dachten sich die Wissenschaftler und starteten eine randomisierte Studie. Teilnehmer waren 74 Krebsüberlebende mit mindestens moderater Fatigue. 35 Probanden wurden wie üblich behandelt, weitere 39 erhielten drei Wochen lang zweimal täglich eine als solche angekündigte Placebopille. Mit beeindruckendem Erfolg: Im Vergleich zu herkömmlich therapierten Leidensgenossen war ihre Müdigkeit um 29 % zurückgegangen, bei der durch die Fatigue gestörten Lebensqualität waren es sogar 39 %. Gleichzeitig erwies sich die Effektstärke als so groß, dass es laut Statistik 76 % der Placebo-Behandelten besser ging als einem durchschnittlichen normal therapierten Patienten. Ohne jegliche Nebenwirkungen. Stellte man anschließend die Kontrollprobanden ebenfalls auf das Scheinmedikament um, waren die Erfolgsquoten ähnlich.

Ethische Probleme nicht zu erwarten

Das deutet daraufhin, dass eine Open-Label-Placebotherapie tatsächlich eine effektive Behandlung für eine Cancer-Related Fatigue sein könnte, vermuten die Wissenschaftler. Denn laut Studien haben auch die Betroffenen nichts gegen die Scheintherapie einzuwenden – die bekannten ethischen Probleme sind deshalb nicht zu befürchten. Zusätzliche Studien, wünschen sich die Autoren, sollten dies nicht nur weiter prüfen, sondern auch die Grundlagen und Ursachen des erstaunlichen Effekts ergründen.

Quelle: Hoenemeyer TW et al. Scientific reports 2018; 8: 2784

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Bei der sogenannten Cancer-Related Fatigue handele es sich um ein hartnäckiges Leiden mit nur sehr eingeschränkten Therapie-Optionen. Bei der sogenannten Cancer-Related Fatigue handele es sich um ein hartnäckiges Leiden mit nur sehr eingeschränkten Therapie-Optionen. © iStock/KatarzynaBialasiewicz