Chronisch müde heißt nicht gleich Fatigue

Dr. Barbara Kreutzkamp

Die Unfähigkeit, Beruf- und Privatleben aufrechtzuerhalten, zählt zu den Hauptkriterien einer Chronischen Fatigue. Die Unfähigkeit, Beruf- und Privatleben aufrechtzuerhalten, zählt zu den Hauptkriterien einer Chronischen Fatigue. © fotolia/Robert Kneschke

Die unterschiedlichen Diagnosekriterien stellen Kollegen bei Verdacht auf chronisches Müdigkeitssyndrom vor eine Herausforderung. Doch egal ob CFS oder Symptom einer Depression: Bewegung, Antidepressiva und Psychotherapie helfen.

Die Beschwerden eines chronischen Müdigkeits- oder Erschöpfungssyndroms (Chronic Fatigue Syndrome, CFS) überlappen mit denen von Depressionen und somatoformen Störungen. Dies ist einer der Gründe, warum epidemiologische Angaben zum CFS schwanken, die Prävalenz liegt geschätzt unter 1 %. Die Pathogenese ist unklar, es fehlt bei bildgebenden Befunden an Entitäts-Exklusivität, bemängelt Professor Dr. Jens D. Rollnik vom Institut für neurorehabilitative Forschung der BDH-Klinik in Hessisch Oldendorf. Ein weiteres Manko: Es gibt keine schlüssigen Hinweise auf eine infektiologische, immunologische, genetische oder andersgeartete spezifische Ursache.

Schon den TSH-Wert
bestimmen lassen?

Das CFS kann zwar unter der Ziffer G93.3 ICD-10-kodiert werden, allerdings fehlt eine einheitliche und verbindliche Darstellung der diagnostischen Kriterien, beklagt der Neurologe. Das stellt Kollegen vor erhebliche Herausforderungen. Diagnosekriterien finden sich u.a. in den 2011 publizierten „International Consensus Criteria“ oder den 2015 publizierten Kriterien des US-amerikanischen Institute of Medicine (IOM, s. Tabelle). Differenzialdiagnostisch kommen vor allem psychiatrische Erkrankungen in Betracht, insbesondere Depressionen und somatoforme Störungen. Nach den Kriterien des „Center for Disease Control and Prevention“ sollten jedoch auch maligne und hepatische Erkrankungen sowie Hypothyreose, Anorexia nervosa, Bulimie, Adipositas oder Substanzmissbrauch ausgeschlossen werden.

Diagnosekriterien des Chronic Fatigue Syndrome
Hauptkriterien (müssen alle erfüllt sein)
  • seit mind. sechs Monaten Unfähigkeit, das prämorbide Aktivitätsniveau in Beruf und Privatleben aufrechtzuerhalten, begleitet von Fatigue, keine wesentliche Besserung durch Ausruhen
  • Unwohlsein nach körperlicher oder geistiger Belastung
  • nicht erholsamer Schlaf
Nebenkriterien (mind. ein Kriterium)
  • kognitive Störungen
  • Othostaseprobleme
AusschlusskriterienDifferenzialdiagnosen nach gründlicher Anamnese und körperlicher Untersuchung

Angesichts der Datenlage stellt sich die Frage, ob das CFS tatsächlich eine eigenständige Krankheitsentität ist oder es sich nicht eher um ein Syndrom handelt, das bei zahlreichen somatischen, psychiatrischen bzw. psychosomatischen Erkrankungen begleitend auftreten kann, so Prof. Rollnik.

Ärzte müssen umdenken

Aufgrund der Diagnoseüberlappungen erstaunt es nicht, dass Antidepressiva CFS-Symptome lindern. Eine lebensbedrohliche Immuntherapie, wie sie CFS-Patienten in Studien erhielten, verurteilt der Neurologe als nicht tragbar. Erst müsse eine bessere Evidenz für eine neuroinflammatorische Genese geschaffen werden. Kognitive Verhaltenstherapie scheint vor allem bei Kindern und Jugendlichen wirksam zu sein.

Zu schlapp zum Arbeiten

In Gutachten, beispielsweise zur Berufsunfähigkeit, lassen sich Einschränkungen aufgrund von exzessiver Müdigkeit auch ohne ICD-10-Diagnose anhand der „International Classification of Functioning, Disability and Health“ gut einschätzen. Und nicht allein CFS-Patienten, sondern auch Personen mit einer Depressionserkrankung können so energielos und erschöpft sein, dass sie in ihrer Arbeitsfähigkeit erheblich eingeschränkt sind.

Laut einer Cochrane-Übersicht hat sich außerdem eine Bewegungstherapie über zwölf bis 26 Wochen bewährt. Fatigue-Patienten fühlen sich dadurch weniger erschöpft und gesünder. Ärzte, die bisher also zur Schonung geraten haben, sollten umdenken, fordert Prof. Rollnik. Der Kollege merkt an, dass ein solches Training auch bei Personen mit Depression anschlägt und erinnert an die nationale Versorgungsleitlinie.

Rollnik JD. Fortschr Neurol Psychiatr 2017; 85: 79–85

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Die Unfähigkeit, Beruf- und Privatleben aufrechtzuerhalten, zählt zu den Hauptkriterien einer Chronischen Fatigue. Die Unfähigkeit, Beruf- und Privatleben aufrechtzuerhalten, zählt zu den Hauptkriterien einer Chronischen Fatigue. © fotolia/Robert Kneschke