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Maßvolles Training ist die beste Medizin bei Tumor-Fatigue

Zu den großen ungelösten Problemen der Onkologie zählt die Fatigue. Kein Symptom macht Patienten stärker zu schaffen. Außerdem beeinträchtigt sie die Chancen auf eine erfolgreiche Therapie und soziale Wiedereingliederung. „Auch 20 Jahre nach Einführung der Psychoonkologie doktern wir immer noch an Definition, Symptomen, Diagnostik und Therapie der Fatigue herum und tun uns schwer, Antworten auf die drängendsten Fragen zu finden“, betonte Dr. Markus Horneber von der Klinik für Onkologie und Hämatologie am Klinikum Nürnberg.
„Ich will, aber ich kann nicht“ spricht für Fatigue
Die Schwierigkeiten beginnen schon beim Abgrenzen der Fatigue von häufigen psychischen Begleitproblemen Krebskranker: Ist der Patient niedergeschlagen, weil er an einer Depression erkrankt ist oder weil ihn die abnorme Erschöpfung niederdrückt? Ist der nicht erholsame Schlaf Zeichen der Fatigue oder von Ängsten? Die meisten typischen Fatigue-Symptome können Ausdruck einer Depression oder Angsterkrankung sein und umgekehrt, erklärte Professor Dr. Susanne Singer von der Universitätsmedizin Mainz. Auch Schlafstörungen kommen differenzialdiagnostisch in Betracht.
Zwar gibt es gewisse Anhaltspunkte, welche Störung tatsächlich vorliegt: So betrifft die Fatigue eher die körperliche Ebene im Sinne eines „Ich will, aber kann nicht“, während sich die Symptome einer Depression eher auf motivationaler Ebene abspielen, etwa in Form von mangelndem Selbstwertgefühl, innerer Leere und Suizidgedanken. Scharfe Trennkriterien lassen sich jedoch nicht formulieren.
Da trifft es sich gut, dass eine Behandlungsstrategie sowohl bei Angst und Depression als auch bei Schlafstörungen und Fatigue wirksam ist: die Trainingstherapie. Lange Zeit belächelt, hat sie sich inzwischen fest im Armamentarium der Onkologen etabliert. „Das Evidenzniveau für die Bewegungstherapie ist riesig“, betonte Privatdozent Dr. Joachim Wiskemann vom Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen in Heidelberg. Das gilt auch bei der Fatigue.
Eine aktuelle Übersichtsarbeit1 fasst 170 Studien zusammen, die sich mit der Wirksamkeit von Trainingstherapie bei Tumorpatienten mit Fatigue beschäftigt haben. Natürlich sind diese Studien inhomogen hinsichtlich Fragestellung, Diagnosen, Zeitpunkt der Therapie und Art der Intervention. Die Schlussfolgerung, die der Review zieht, ist aber eindeutig: Jede Art von Training, ob es auf Kraft, Ausdauer, Neuromotorik oder eine Kombination davon abzielt, bessert die Fatigue. Andere Interventionen oder individuelle Charakteristika der Patienten beeinflussten das Ergebnis nicht.
In einer weiteren Übersicht2 gingen die Autoren der Frage nach, wie intensiv und wie lange Patienten trainieren müssen, um einen optimalen Effekt zu erzielen. Antwort: Das scheint ziemlich unerheblich zu sein. Ab 60 Minuten Trainingszeit pro Woche bei leichter bis moderater Intensität lässt sich die Wirkung auf die Fatigue-Symptomatik anscheinend nicht mehr steigern.
Dr. Wiskemann wollte es genauer wissen und hat eine Reihe von Studien im Detail nachanalysiert. Dabei zeigte sich, dass die Bewegungstherapie körperliche Erschöpfungssymptome am stärksten beeinflusst, während emotionale, kognitive und behaviorale Domänen etwas weniger gut ansprechen. Supervidierte Trainingsformen schneiden besser ab, als wenn der Patient selbstständig trainiert. Die Kranken profitieren umso mehr, je schwerer ihre Fatigue ist. Allerdings korreliert der Effekt nicht mit der körperlichen Trainingswirkung. An was für einem Tumor die Patienten leiden, scheint kaum eine Rolle zu spielen.
Medikamente nur bei einer fassbaren Ursache wie Anämie
Interessant ist noch der Vergleich zwischen Trainings-, psychologischer und pharmakologischer Therapie, der in einer Metaanalyse3 gezogen wurde. Psychotherapie und Bewegung erzielten etwa die gleichen Effektstärken, während die medikamentöse Behandlung praktisch ohne Wirkung blieb (erprobt wurden u.a. SSRI, Modafinil, Methylphenidat und Amphetamine). „Arzneimittel sollten bei tumorassoziierter Fatigue nur zum Einsatz kommen, wenn die Erschöpfung auf eine fassbare singuläre Ursache zurückzuführen ist, beispielsweise eine Anämie“, betonte Dr. Wiskemann.
Die Heidelberger Kollegen haben aus den bisherigen Erkenntnissen einen Behandlungspfad für die Bewegungstherapie entwickelt, der in Kürze veröffentlicht werden soll.
Quellen:
1. Oberoi S et al. Crit Rev Oncol Hematol 2018; 122: 52-59
2. Dennett AM et al. J Physiother 2016; 62: 68-82
3. Mustian KM et al. JAMA Oncol 2017; 3: 961-968
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