Opioide, Psychotherapie, Muskelstimulation

Dr. Dorothea Ranft

Häufig kann man den Patienten schon mit nicht-medikamentösen Maßnahmen eine gewisse Erleichterung verschaffen. Häufig kann man den Patienten schon mit nicht-medikamentösen Maßnahmen eine gewisse Erleichterung verschaffen. © Photographee.eu – stock.adobe.com

Chronische Dyspnoe führt bei Betroffenen häufig zu einem ­Gefühl tiefer Hoffnungslosigkeit. Ärzte nehmen das „unsichtbare Symptom“ aber oft nicht wahr, entsprechend mangelt es an einer adäquaten Versorgung. Bei chronisch und unheilbar Kranken kann das frühe Einbeziehen von Palliativ­medizinern die Lage erheblich bessern.

Entwickeln Palliativpatienten eine chronische Dyspnoe sind die Ursachen häufig COPD, Herzinsuffizienz, Malignome, amyotrophe Lateralsklerose (ALS) und Adipositas. Die notwendige Diagnostik beinhaltet bei anhaltender Luftnot eine ausführliche Anamnese. Dabei sollten Häufigkeit, Dauer und Trigger etwaiger Attacken erfasst werden, schreiben Prof. Dr. Jan Gärtner vom Palliativzentrum Hildegard in Basel und PD Dr. Tanja Fusi-Schmidhauser von der Palliativmedizin am Ente Ospedaliero Cantonale in Bellinzona und Lugano. Außerdem interessiert, wie lange die Beschwerden bereits bestehen und ob sie sich in letzter Zeit oder akut verschlechtert haben – z.B. durch behandelbare Auslöser.

Die weitere Abklärung richtet sich nach den therapeutischen Konsequenzen. Eine symptomorientierte Untersuchung (Inspektion, Auskultation, Perkussion) ist immer indiziert. Für eine optimale Therapie raten die Autoren, Menschen mit Atemnot und fortschreitenden nicht heilbaren Erkrankungen frühzeitig in Strukturen der spezialisierten Palliativversorgung zu integrieren. Das gibt Hausärzten die Möglichkeit, auf das Potenzial eines multiprofessionellen Teams zurückzugreifen. So werden keine Optionen übersehen, die das Leid der Betroffenen lindern könnten.

Häufig kann man den Patienten schon mit nicht-medikamentösen Maßnahmen eine gewisse Erleichterung verschaffen (s. Kasten). Für Tumorkranke und ALS-Patienten mit Atemnot ist nach Ausschluss reversibler Ursachen eine Opioiddauertherapie das Mittel der Wahl. Wie in der klassischen Schmerztherapie werden Dauer-, Reserve- und Bedarfsmedikation kombiniert. Letzte sollten die Betroffenen bereits vorbeugend einnehmen, wenn eine Atemnot­episode zu erwarten ist, z.B. durch Körperpflege oder einen Gang aus dem Haus.

Nicht-medikamentöse Maßnahmen

  • Oberkörper hochlagern
  • Frischluft zuführen (Fenster öffnen, Ventilator)
  • beruhigen, versichern, dass Hilfe möglich ist
  • Hilfsmittel wie Rollatoren einsetzen, um die Gehstrecke zu verlängern
  • Neuromuskuläre elektrische Muskelstimulation (NEMS), besonders des M. quadriceps gegen Muskelabbau anwenden
  • Selbstwirksamkeit beibringen: „Atemnotattacken gehen vorüber“
  • Tipps zur Alltagsgestaltung geben: z.B. Ressourcen für erfreuliche Tätigkeiten aufheben.
  • Entspannungsmaßnahmen erlernen lassen
  • Psychotherapie offerieren
  • spezialisierte Angebote wie Atemnotambulanzen oder Selbsthilfegruppen anbieten
  • Ängste vor dem Lebensende und Optionen wie palliative Sedierung ansprechen

Fentanyl-Nasenspray birgt hohes Abhängigkeitspotenzial

Auch bei unretardierter Formulierung vergehen bis zum Wirkeintritt 20–30 Minuten. Falls dies zu lang dauert, kann Fentanyl bukkal, sublingual oder als Nasenspray für Abhilfe sorgen. Allerdings bedingt der rasche Effekt (Kick) ein hohes Abhängigkeitspotenzial, warnen die Autoren. Sie raten deshalb bei einer Lebenserwartung von mehr als einem Jahr zur Vorsicht.

Der Einsatz von Opioiden bei kardiorespiratorischen Erkrankungen sollte zurückhaltend erfolgen. In Studien zeigt sich kaum eine Wirksamkeit bei vielen Nebenwirkungen. Die Verfasser plädieren dafür, Patienten mit Herzinsuffizienz erst im Stadium NYHA IV oder besser nur in der terminalen Phase mit Opioiden zu behandeln. Für COPD-Kranke kann ein behutsamer Therapieversuch indiziert sein, um die wenigen Super-Responder zu erkennen. Zum Start genügt eventuell eine Dosierung von 0,5–3 mg Morphin alle sechs bis acht Stunden oder prophylaktisch als Reserve. Bei einer Dosissteigerung ist das in dieser Patientengruppe stark erhöhte Risiko für eine Atemdepression zu beachten. In der letzten Lebensphase bleiben aber Opioide bei einer Dyspnoe wegen unheilbarer Herz- und Lungenerkrankung eine der wichtigsten medikamentösen Optionen zur Symptomkontrolle.

Neue Atemnotdefinition

In der ICD-11 hat sich die Klassifikation der Atemnot geändert. Der Begriff refraktär wurde durch chronisch ersetzt. Von einer akuten Dyspnoe spricht man, wenn sie Stunden oder Tage anhält, von einer subakuten bei drei bis acht Wochen und von einer chronischen Dyspnoe nach mehr als acht Wochen.

Der Nutzen von Benzodiazepinen wird aufgrund der eingeschränkten Evidenzlage unterschiedlich eingeschätzt. Generell macht den Patienten ein Teufelskreis aus Angst und Dyspnoe das Leben schwer. Deshalb raten die Kollegen, die Wirkstoffe in der akuten Atemnotkrise einzusetzen. Dazu eignet sich z.B. Midazolam in einer Startdosis von 1,0–2,5 mg subkutan oder intravenös. Bei einer Dauertherapie gilt es, das Suchtpotenzial und das Risiko für eine Atemdepression bei Personen mit COPD im Auge zu haben. Sie sollte sich auf besonders schwer Erkrankte mit stark verkürzter Lebenserwartung beschränken.

Von dem Anxiolytikum Pregabalin scheinen nach der Erfahrung von Prof. Gärtner v.a. Patienten mit plötzlich einsetzenden schwersten Attacken (von einer Sekunde auf die andere) und ausgeprägter Panik zu profitieren. Eine Sauer­stoffgabe ist nur bei einer Hypoxie indiziert, betonen die Experten. Für andere Patienten kommt sie wegen der potenziellen Nebenwirkungen (Verschlechterung der Atemfunktion, Schlafstörungen, Delir etc.) auch probatorisch nicht infrage. Im Fall eines O2-Mangels hingegen sollte umgehend ein Versuch unternommen werden (vorsichtige Eindosierung bei COPD).

Quelle: Gärtner J, Fusi-Schmidhauser T. Swiss Med Forum 2024; DOI: 10.4414/smf.2024.1317389502

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Häufig kann man den Patienten schon mit nicht-medikamentösen Maßnahmen eine gewisse Erleichterung verschaffen. Häufig kann man den Patienten schon mit nicht-medikamentösen Maßnahmen eine gewisse Erleichterung verschaffen. © Photographee.eu – stock.adobe.com