Optikusneuritis tritt nicht nur bei Multipler Sklerose auf

Dr. Susanne Meinrenken

Sehstörungen bis zur Erblindung können Anzeichen für eine Optikusneuritis sein. Sehstörungen bis zur Erblindung können Anzeichen für eine Optikusneuritis sein. © riakhinantonUkraine - stock.adobe.com

Einer Optikusneuritis liegt in westlichen Ländern am häufigsten eine autoimmunologische Erkrankung zugrunde, besonders oft eine Multiple Sklerose. Man sollte aber auch an seltene Ursachen denken – denn diese erfordern eine andere Therapie.

Sehstörungen bis zur Erblindung können Anzeichen für eine Optikusneuritis sein. Die Differenzialdiagnosen sind dabei vielfältig. In Europa kommen als Ursache v. a. autoimmunbedingte entzündliche Erkrankungen infrage, insbesondere die Multiple Sklerose. Sie betrifft in Deutschland rund 300.000 Personen, überwiegend Frauen. Die Erkrankung wird meist bei jüngeren, zunehmend aber auch bei über 50-Jährigen erstmals festgestellt.

Wie Prof. Dr. Friedemann Paul von der Charité–Universitätsmedizin Berlin schreibt, erfolgt die Diagnosestellung mithilfe der McDonald-Kriterien. Diese umfassen die Anzahl der Schübe, die Anzahl der Läsionen und deren genaue Charakteristika in der Magnetresonanztomografie. Die Optikusneuritis stellt häufig das Erstsymptom dar und kann im Verlauf mehrfach auftreten. Die belastenden Sehstörungen wie ein vermindertes Farb- und Kontrastsehen verschwinden trotz Glukokortikoidtherapie oft nicht komplett wieder, selbst wenn sich die Neuritis zurückbildet.

Im Verlauf lassen sich auch unabhängig von entzündlichen Schüben per optischer Kohärenztomografie eine Degeneration von retinalen Nervenfasern und Ganglienzellen sowie im MRT ein Rückgang der grauen und weißen Hirnsubstanz nachweisen. Für die langfristige Immuntherapie sind je nach Verlaufsform der Multiplen Sklerose verschiedene Präparate zugelassen, aus denen je nach Aktivität der Erkrankung und der Funktionsstörungen sowie Patientenpräferenz ausgewählt werden sollte. 

Zwei Differenzialdiagnosen sollten bedacht werden

Neben der Multiplen Sklerose sind aus dem autoimmunologischen Krankheitsspektrum aber auch bestimmte seltene Erkrankungen zu bedenken. Prof. Dr. Paul nennt vor allem die Neuromyelitis-optica-Spektrumerkrankung und als wichtigste Differenzialdiagnose die Myelin-Oligodendrozyten-Glykoprotein-Antikörper-assoziierte Erkrankung (MOGAD). Bei Letzterer kommt es seltener zu einer Degeneration von Nervengewebe, wobei die Forschungsdaten allerdings noch rar sind. Die Erkrankung äußert sich bei Kindern meist als akute demyelinisierende Enzephalomyelitis mit oder ohne Optikusneuritis. Bei Erwachsenen steht die Optikusneuritis im Vordergrund, evtl. begleitet von einer Myelitis oder Enzephalitis. Die charakteristischen Serum-Autoantikörper gegen das Myelin-Oligodendrozyten-Glykoprotein lassen sich in zellbasierten Essays nachweisen, allerdings häufig nur in der akuten Phase.

An MOGAD leiden nur etwa 2.000 bis 3.000 Personen in Deutschland, allerdings gibt es wahrscheinlich recht viele Betroffene, die unter der Fehldiagnose Multiple Sklerose behandelt werden. Therapeutisch sollte rasch mit intravenösen Glukokortikoiden (Methylprednisolon) gestartet werden. Darunter bessert sich das Krankheitsbild meist sehr deutlich, es sind aber auch erneute Schübe möglich. Zur Prävention gibt es keine zugelassenen Präparate, allerdings werden diverse Medikamente empirisch eingesetzt und neue Antikörper erforscht, darunter das gegen den Interleukin-6-Rezeptor gerichtete Satralizumab.

Die Neuromyelitis-optica-Spektrumerkrankung (NMOSD) ist besonders aggressiv und weniger gut zu behandeln. Auch bei ihr sollte sofort eine intravenöse Glukokortikoidtherapie sowie ggf. nachfolgend ein Plasmaaustauschverfahren eingesetzt werden. Zur weiteren Behandlung der meist schubförmigen Erkrankung ist eine präventive Immuntherapie zwingend, neben zwei Komplementinhibitoren (Eculizumab und Ravulizumab) sind inzwischen u. a. Satralizumab sowie das gegen CD19 gerichtete Inebilizumab zugelassen. Die Optikusneuritis kann bei NMOSD bis zur Erblindung führen; die vorliegenden Forschungsdaten deuten auf eine fortschreitende Degeneration der retinalen Nervenfasern hin. Die Symptomatik entspricht manchmal auch einer Myelitis, wobei zentrale Entzündungsherde selten sind.

Der Autor betont die Bedeutung einer sorgfältigen Differenzialdiagnose bei Auftreten einer Optikusneuritis. Denn die für Multiple Sklerose üblichen Medikamente sind bei MOGAD und NMOSD – mit Ausnahme von B-Zell-depletierenden Therapeutika wie Rituximab – kontraindiziert; sie zeigen keine Wirkung oder können die Beschwerden sogar verschlimmern. 

Quelle: Paul F. Z prakt Augenheilkd 2024; 45: 449-453

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Sehstörungen bis zur Erblindung können Anzeichen für eine Optikusneuritis sein. Sehstörungen bis zur Erblindung können Anzeichen für eine Optikusneuritis sein. © riakhinantonUkraine - stock.adobe.com