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PARP-Inhibitoren fördern offenbar myeloische Erkrankungen

PARP-Inhibitoren bringen für eine Reihe von Krebspatienten einen klinischen Benefit – vor allem verlängern sie das progressionsfreie Überleben. Vier der Substanzen sind bislang für unterschiedliche Indikationen zugelassen. Zu den häufigsten Nebenwirkungen in randomisiert- kontrollierten Studien gehören Fatigue sowie hämatologische und gastrointestinale Toxizitäten, die überwiegend während der ersten drei Monate der Therapie auftraten.
Darüber hinaus berichteten Forscher über myelodysplastische Syndrome (MDS) und akute myeloische Leukämien (AML), die sich verzögert nach der Gabe von PARP-Hemmern entwickeln können. Der Nachweis eines möglicherweise erhöhten Risikos ist durch einzelne Studien allerdings schwierig.
Gesamtinzidenz stieg auf 0,73 %
Eine Arbeitsgruppe von Onkologen um Pierre-Marie Morice, Université de Caen Normandie, präsentierten deshalb eine Metaanalyse sowie eine Pharmakovigilanz-Studie, die sich diesem Thema widmeten.1
Für erstere identifizierten sie in internationalen Datenbanken insgesamt 28 randomisierte, kontrollierte Untersuchungen mit über 9000 Patienten, in denen die Nebenwirkungen adressiert wurden. 18 der Publikationen waren placebokontrolliert. Sie umfassten insgesamt 7307 Teilnehmer. Die Untersuchungen zeugten von einer mehr als doppelt so hohen Wahrscheinlichkeit für MDS oder AML: So betrug die Gesamtinzidenz unter den mit Verum behandelten Patienten 0,73 % und in den Kontrollgruppen 0,47 % (Peto Odds Ratio 2,63; p = 0,026). Der Effekt war über alle Studien hinweg sehr homogen, ohne Peaks oder Cluster. Die Autoren bezifferten das Risiko aus allen 28 Publikationen mit 0,83 % unter PARP-Inhibitor und mit 0,66 % in den Kontrollen. Subgruppenanalysen zufolge gab es keine relevanten Unterschiede. Sie berücksichtigen etwa BRCA1/2-Keimbahnmutationen, die Behandlungsdauer, vorangegangene Therapien oder die einzelnen Substanzen.
Der zweite Teil der Publikation basierte auf Daten von VigiBase, dem Pharmakovigilanz-Register der WHO. Hier fanden die Forscher insgesamt 178 MDS- oder AML-Erkrankungen mit einem Bezug zu PARP-Inhibitoren. Für 58 Fälle errechneten sie eine mediane Dauer zwischen erster Einnahme des Medikaments und dem Auftreten des myeloischen Leidens von median 17,8 Monaten. Die Streuung betrug 0,6–66,8 Monate.
Fast jeder zweite Patient bereits nach fünf Monaten tot
Die mediane Latenzzeit für MDS bezifferte sich ebenfalls auf 17,8 Monate, für AML fiel sie mit 20,6 Monaten etwas länger aus. Die 34 Teilnehmer mit entsprechend verfügbaren Angaben wurden nach Diagnose eines MDS oder einer AML median 5,6 Monate nachbeobachtet. Unter den 104 Patienten mit vorliegenden Daten war in diesem Zeitraum mit 47 beinahe die Hälfte (45 %) bereits gestorben.
Die Autoren erachten die kurzen Follow-up-Zeiten der Studien als eine wesentliche Limitation. Die Inzidenz für myeloische Folgeerkrankungen erwies sich zwar mit weniger als einem Prozent als relativ niedrig – laut der Wissenschaftler wird das Risiko aber aufgrund der limitierten Nachbeobachtungsdauer höchstwahrscheinlich unterschätzt.
Eine wichtige Frage sei zudem, ob Kombinationen mit anderen Medikamenten wie VEGF- oder Checkpoint-Inhibitoren die Gefahr für MDS oder AML beeinflussen, gibt Professor Dr. Anna V. Tinker, University of British Columbia, Vancouver, in ihrem Kommentar zu bedenken.2 Weiterhin wäre es interessant, prädiktive Faktoren zu identifizieren, die das Risiko für eine myeloische Krankheit abschätzen können. Patienten, die PARP-Inhibitoren erhalten (haben), sollten entsprechend aufgeklärt und langfristig auf hämatologische Veränderungen kontrolliert werden – umso mehr, als dass sich die Indikationen für den Einsatz der Substanzen immer mehr erweitern.
Quellen:
1. Morice PM et al. Lancet Haematol 2021; 8: E122-E134; DOI: 10.1016/S2352-3026(20)30360-4
2. Tinker AV. A.a.O.; e97-e99; DOI: 10.1016/S2352-3026(20)30375-6
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