Patienten unmittelbar nach HIV-Diagnose zum Spezialisten schicken

Dr. Elke Ruchalla/Dr. Anja Braunwarth

Mit einer Dreifachtherapie sinkt die Viruslast auf eine nicht mehr nachweisbare Konzentration. Den Behandlungserfolg kontrolliert der Spezialist. Mit einer Dreifachtherapie sinkt die Viruslast auf eine nicht mehr nachweisbare Konzentration. Den Behandlungserfolg kontrolliert der Spezialist. © Ezume Images – stock.adobe.com

Ihr Patient sitzt geschockt vor Ihnen – die Dia­gnose ist da und bestätigt: Er hat sich mit HIV infiziert. Sie können ihm aber Mut machen. Mit konsequenter Therapie stirbt er nicht früher als andere Menschen.

Hatte man bis vor Kurzem mit der Therapie der HIV-Infektion noch abgewartet, bis das Immunsystem in die Knie ging, beginnt sie heute sofort, quasi in dem Moment, in dem die Diagnose steht. Grundlage für diese Umstellung war eine Studie, die zeigte, dass die unmittelbare Behandlung das Risiko schwerer Ereignisse (z.B. AIDS-Ausbruch, Tumorerkrankungen, Herzinfarkt) um 57 % reduzierte.

Wenn Sie die Diagnose gestellt haben, sollten Sie umgehend an einen Kollegen in einer HIV-Schwerpunktpraxis überweisen. Wohnortnahe Praxen finden Sie u.a. auf der Website der deutschen Arbeitsgemeinschaft der niedergelassenen Ärzte in der Versorgung HIV-Infizierter.

Vor allem wenn sich abschätzen lässt, wann der Patient sich angesteckt hat, kann der schnelle Therapiebeginn die Ausbreitung des Virus begrenzen. Fragen Sie nach der Trias aus Angina, Lymphknotenschwellung und hohem Fieber, eventuell mit einem Hautausschlag, nach einem Risikokontakt. Dieses akute Bild könnte das erste Symptom der Infektion gewesen sein.

Die Überwachung der antiretroviralen Therapie, normalerweise als Dreifachkombination, übernimmt der Spezialist. Zunächst empfehlen sich Kontrollen alle 4–6 Wochen; sobald die Behandlung die Zahl der HI-Viren im Blut deutlich gesenkt hat (< 50 RNA-Kopien/ml), reichen vierteljährliche Untersuchungen. Wenn die Viruslast unter die Nachweisgrenze sinkt und länger als sechs Monate dort bleibt, gilt der Patient als nicht mehr infektiös. Das heißt, dass er über das Blut oder bei Sexualkontakten das Virus nicht mehr weitergibt.

Gewichtszunahme durch Virostatika

Aber Sie betreuen den Patienten natürlich weiter als Hausarzt und behandeln Erkrankungen, die auch bei Immungesunden gang und gäbe sind und die HIV-Infizierte nun dank der erfolgreichen Therapie ebenfalls ereilen. Dabei mischen die chronische Infektion und ihre Behandlung aber immer im Hintergrund mit: Die Virostatika, die Ihr Kranker einnehmen muss, können mit anderen Arzneimitteln zahlreiche Wechselwirkungen aufweisen, die sich oft nur schwer überblicken lassen.

Mit den Nebenwirkungen befasst sich im Allgemeinen der Infektionsspezialist und bespricht mit dem Betroffenen, inwieweit man eine Substanz ggf. gegen eine andere austauschen kann. Für Hausärzte relevant sind aber z.B. die Gewichtszunahme, die etwa unter Dolutegravir oder Tenofovir-Alafenamid auftreten kann – und wie bei anderen Patienten das Herz-Kreislauf-Risiko steigert. Umso wichtiger ist es, andere kardiovaskuläre Risikofaktoren zu minimieren.

Unter Protease-Hemmern wirken Steroide stärker

Inwieweit notwendige Kardio-Medikamente, Antidiabetika und Antihypertensiva sich mit den antiretroviralen Arzneimitteln vertragen, diskutieren Sie am besten mit dem Kollegen in der Schwerpunktpraxis. Statine und Steroide (auch inhalative) beispielsweise werden durch Protease-Inhibitoren in ihrer Wirkung unabsehbar verstärkt – mit dem Risiko vermehrter Nebenwirkungen. Manches antiretrovirale Therapeutikum verlängert die QT-Zeit. Das gewinnt an Bedeutung, wenn Sie Substanzen verordnen wollen, die ebenfalls das Intervall im EKG verlängern.

Auch die Überwachung auf eine Osteoporose ist von Bedeutung. Bei Männern über 50 und bei Frauen nach der Menopause erfolgt zunächst ein Screening mittels Knochendichtemessung. Wenn sich dabei zu geringe Werte zeigen bzw. Normalwerte zu rasch abnehmen, müssen Sie ggf. mit dem HIV-Spezialisten über eine Anpassung der antiretroviralen Therapie sprechen; eventuell können Sie Bisphosphonate einsetzen. Jährlich gehört zur Vorsorge zudem die Kontrolle auf andere sexuell übertragbare Krankheiten.

Älteren eine inaktivierte Zoster-Vakzine geben

Zum Thema Impfungen gilt: Keine Bedenken bestehen laut der Ständigen Impfkommission (STIKO­) am Robert Koch-Institut bezüglich Seren, die keine lebenden Erreger enthalten (z.B. Hepatitis A/B, Tetanus, Diphtherie). Bei Lebendimpfstoffen sieht es ein bisschen anders aus: In einigen Fällen, wie Masern/Mumps/Röteln kann bei ausreichend hoher Lymphozytenzahl geimpft werden, grundsätzlich sollte man die entsprechenden STIKO-Empfehlungen konsultieren. Für ältere Infizierte empfiehlt sich außerdem die Gabe der inaktivierten Zoster-Vakzine.

Bei Bedarf einen Psychiater hinzuziehen

Und haben Sie schlussendlich nicht nur körperliche Erkrankungen auf dem Schirm, raten die Fachleute. Auch wenn man mit einer HIV-Infektion heute relativ normal leben und alt werden kann, laufen die Betroffenen doch Gefahr, depressive Symptome oder manifeste Depressionen zu entwickeln. Zögern Sie bei Bedarf nicht, einen Psychiater hinzuzuziehen.

Quelle: Ankert J et al. Dtsch Med Wochenschr 2019; 144: 1158-1165; DOI: 10.1055/a-0813-3850

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Mit einer Dreifachtherapie sinkt die Viruslast auf eine nicht mehr nachweisbare Konzentration. Den Behandlungserfolg kontrolliert der Spezialist. Mit einer Dreifachtherapie sinkt die Viruslast auf eine nicht mehr nachweisbare Konzentration. Den Behandlungserfolg kontrolliert der Spezialist. © Ezume Images – stock.adobe.com