Plötzlicher Tod bedroht Epilepsie-Patienten

Christine Vetter, Foto: thinkstock

Dass Epilepsiepatienten vermehrt urplötzlich versterben, ist schon länger bekannt. Wie und wann erklärt man das Phänomen aber den Patienten?

Die Gefahr, vorzeitig zu versterben, ist bei Menschen mit Epilepsie um etwa das Zwei- bis Dreifache im Vergleich zu Gesunden erhöht. Eine zentrale Ursache hierfür ist der „Sudden unexpected death in epilepsy patients“, kurz SUDEP.


Rund jeder dritte vorzeitige Todesfall bei Patienten mit aktiver Epilepsie und vielen Anfällen geht auf das Konto von SUDEP, berichtete Professor Dr. Hajo Hamer, Leiter des Epilepsiezentrums am Universitätsklinikum Erlangen. Die Zahl dieser Todesfälle wird in Deutschland auf 600 bis sogar 1000 pro Jahr geschätzt, was nach Auffassung des Kollegen realistisch sein dürfte.

Epileptische Anfälle sind der größte Risikofaktor

SUDEP ist die häufigste Todesursache bei Epilepsiepatienten im jungen und mittleren Lebensalter“, erläuterte Professor Dr. Andreas Schulze-Bonhage, Leiter des Epilepsiezentrums am Universitätsklinikum Freiburg. Das erkläre auch, warum die allgemeine Lebenserwartung von Patienten mit Epilepsie im statistischen Mittel um fünf bis zehn Jahre vermindert sei.


Die Hintergründe des SUDEP sind nicht völlig geklärt. Eine reduzierte Ventilation, die letztlich zum Ersticken führt, Herzrhythmusstörungen und auch direkt vom Gehirn ausgehende Signale und fehlende Schutzreflexe werden als Ursache diskutiert.


Klar scheint jedoch zu sein, dass die Todesfälle durch Effekte der epileptischen Aktivität auf das autonome Nervensystem ausgelöst werden, was dann einen Herz- oder Atemstillstand zur Folge hat, erläuterte Prof. Schulze-Bonhage. Bei Kindern trete das Phänomen eher selten auf, bei Patienten im frühen Erwachsenenalter müsse es als ein ernst zu nehmendes Krankheitsrisiko angesehen werden.

SUDEP: abhängig von der Häufigkeit epileptischer Anfälle

Der SUDEP ereignet sich fast immer in direkter Abhängigkeit zur Häufigkeit und Schwere von epileptischen Anfällen. Kommt es bei einem Patienten zu 10 bis 50 großen Anfällen pro Jahr, so ist Literaturangaben zufolge von einem 10-fach erhöhten Sterberisiko auszugehen.


Bei 50 und mehr großen Anfällen pro Jahr steigt das Risiko sogar auf das 15-Fache an. Die Konsequenz ist klar: „Fortbestehende epileptische Anfälle sind der größte Risikofaktor für den SUDEP. Unser Therapieziel muss folglich unbedingt die Anfallsfreiheit sein“, betonte Prof. Hamer.

Besonders hohes Risiko für plötzlichen Tod bei fokalen Anfällen

Besonders hoch ist das SUDEP-Risiko für Patienten mit fokalen Epilepsien, bei denen die Ursprungszone mit dem vegetativen Nervensystem assoziiert ist. Dies betrifft zum Beispiel jene mit Anfällen aus dem Schläfenlappen oder dem Inselbereich. Geringer ist das Risiko dagegen bei generalisierten Epilepsien, sagte Prof. Schulze-Bonhage.


Seit der Erkenntnis, dass die SUDEP-Gefahr direkt mit epileptischen Anfällen assoziiert ist, wird über den potenziellen Nutzen einer entsprechenden Überwachung der Patienten diskutiert. Das geht so weit, dass an der Entwicklung spezieller Alarm- und Überwachungssysteme, die den drohenden Anfall erkennen oder bei einem prolongierten Anfall entsprechend warnen, gearbeitet wird.

Engmaschig überwachen bringt nicht nur Vorteile

Das erscheint laut Prof. Schulze-Bonhage auf den ersten Blick sinnvoll, zumal Studien den präventiven Effekt einer engmaschigen Überwachung belegen. „Ein solches Monitoring ist jedoch ein zweischneidiges Schwert, da es den Patienten in seiner Lebensqualität und seiner Lebensführung massiv beeinträchtigen kann“, meinte der Neurologe.


Auch er räumt der optimierten Therapie, die möglichst die epileptischen Anfälle vollständig unterbindet, die oberste Priorität ein. Was aber tun, wenn die Epilepsie sich als pharmakoresistent erweist und sich trotz aller Bemühungen nicht völlig kontrollieren lässt? Spätestens dann ist ein offenes Wort gegenüber dem Patienten angezeigt, so Prof. Schulze-Bonhage.

Aufklärung fördert Compliance

Es muss sichergestellt werden, dass der Kranke die verordnete Medikation tatsächlich zuverlässig einnimmt, denn auch die Non-Compliance gilt als relevanter Risikofaktor für den plötzlichen Tod. Man sollte den Patienten eindringlich darauf hinweisen, dass er auf seine antikonvulsiven Medikamente angewiesen ist, wobei durchaus auch das Risiko des SUDEP anzusprechen ist.


Über das Risiko eines SUDEP müssen nach Auffassung von Prof. Schulze-Bonhage praktisch alle Patienten aufgeklärt werden, bei denen eine erhöhte Gefährdung besteht (siehe Kasten).


Die Indikation zu einem entsprechenden Gespräch werde allerdings international recht unterschiedlich gesehen: „In Großbritannien werden die Patienten generell sehr frühzeitig über das SUDEP-Risiko informiert, hierzulande klären wir die Patienten üblicherweise erst dann eingehend darüber auf, wenn sie zur Hochrisikogruppe gehören.“


Die Aufklärung sollte auf jeden Fall einfühlsam geschehen, ohne dem Patienten quasi zu drohen und ohne bei ihm übertriebene Ängste zu schüren, mahnte Professor Hamer. Vorsicht ist nach seinen Worten insbesondere bei der Aufklärung von Eltern epilepsiekranker Kinder geboten.

Wer ist besonders gefährdet?

Ein erhöhtes SUDEP-Risiko besteht für die Patienten in folgenden Situationen:

  • bei fokalen Epilepsien
  • bei zusätzlichem Vorliegen neurologischer Defizite oder einer Behinderung
  • bei frühem Epilepsiebeginn
  • bei Vorliegen generalisierter tonisch-klonischer Anfälle
  • bei schwerer Epilepsie, die einer medikamentösen Polytherapie bedarf
  • nach häufigem Wechsel der Medikation
  • bei unzuverlässiger Medikamenteneinnahme


Diese dürfen keinesfalls dazu verleitet werden, das Kind rund um die Uhr zu überwachen und damit in seiner Autonomie stark einzuschränken. Eine solche Kontrolle führe zwangsläufig zur Hemmung seiner normalen Entwicklung.

Große, weiche Kissen meiden!

Epilepsie-Patienten, die durch den plötzlichen Tod gefährdet sind, sollten nicht nur im Hinblick auf die Therapietreue über ihr Risiko Bescheid wissen. Man sollte ihnen auch praktische Tipps mit auf den Weg geben. Dazu gehört zum Beispiel der Rat, mit einem kleinen harten Kissen und nicht mit einem weichen großen Kissen zu schlafen: „Wir erfahren immer wieder, dass Patienten bei nächtlichen Anfällen in Bauchlage durch Ersticken im Kissen zu Tode kommen“, berichtete Prof. Schulze-Bonhage.


Ist es bereits einmal zu einem Herzstillstand im Verlauf eines epileptischen Anfalls gekommen, sollte man mit dem Patienten außerdem beispielsweise die Option einer Herzschrittmacher-Implantation besprechen.

Epilepsiechirurgie verringert SUDEP-Gefahr

Kommt es trotz Therapieoptimierung und guter Compliance weiterhin zu epileptischen Anfällen, müsse man vor dem Hintergrund von SUDEP stets auch einen epilepsiechirurgischen Eingriff diskutieren: „Ein solcher Eingriff geht in aller Regel mit einer erheblichen Reduktion des SUDEP-Risikos einher – bis hin in den normalen altersgerechten Bereich“, betonte der Freiburger Kollege.


Quelle: Medical-Tribune-Bericht

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