Gesucht: verlässliche Anfallsdokumentation für Epileptiker

Friederike Klein

Automatisierte Messung von epileptischen Episoden steckt noch in den Kinderschuhen. Automatisierte Messung von epileptischen Episoden steckt noch in den Kinderschuhen. © fotolia/RioPatuca Images

Tagebücher und Apps zur Dokumentation von epileptischen Ereignissen sind ungenau. Denn Patienten mit Epilepsie realisieren häufig nicht, dass sie gerade einen Anfall hatten. Messarmband, EKG-Brustgurt oder Im-Ohr-Geräte sollen die Dokumentation verbessern.

Über 50 % der epileptischen Anfälle werden in Tagebüchern nicht dokumentiert, erklärte Privatdozent Dr. Christian Hoppe von der Klinik für Epileptologie der Universität Bonn. Eine von ihm durchgeführte Video-EEG-Studie zeigt, dass die Aufzeichnung der Ereignisse bei zwei von drei Patienten unvollständig war. Die Crux: Aufgrund solcher Anfallskalender werden Therapieentscheidungen getroffen, Konsequenzen hinsichtlich Beruf und Führerschein gezogen, Therapiestudien bewertet und Zulassungen erteilt.

Betroffene verschlafen nicht nur nachts die Attacken

Differenzen zwischen den Angaben des Patienten und seinen Angehörigen können zwar darauf hinweisen, dass Ereignisse unvollständig dokumentiert wurden. Doch auch Angehörige schätzen das Anfallsgeschehen unzuverlässig ein, beispielsweise Eltern die Anfälle ihrer Kinder. Selbst wenn – wie in einer Studie geschehen – täglich daran erinnert wird, aufgetretene Anfälle zu dokumentieren, lässt sich das Problem nicht vollständig lösen, betonte Dr. Hoppe. Denn viele Anfälle nehmen Betroffene einfach nicht bewusst wahr, insbesondere nächtliche Attacken. Da nutzen auch Apps nichts.

Nicht nur Ärzte, auch Patienten wünschen sich eine automatisierte Dokumentation. Sie erhoffen sich davon vor allem rasche Hilfe, wenn es denn zum „Krampf“ kommt. Allerdings könnte der Nachweis von Episoden bei vermeintlich anfallsfreien Patienten auch zum Entzug der Fahrerlaubnis führen. In einer ambulanten EEG-Studie waren bei 21 von 57 Patienten, die sich für anfallsfrei hielten, Ereignisse nachzuweisen, 20 dieser 21 fuhren regelmäßig Auto.

Um Anfälle zu detektieren, können tonische und klonische Muskelkontraktionen, Atembewegungen und Atemfluss, Herzaktivität oder Schweißsekretion gemessen werden. Erste Geräte sind auf dem Markt. So unterscheidet Epi-Care® free mittels eines Armbands bzw. Handgelenksensors akzelerometrisch normale Bewegungen von solchen bei einem generalisierten tonisch-klonischen Anfall. Die Sensitivität lag in einer Studie bei 89,7 %, die Falschpositivrate war mit 0,2 pro 24 Stunden relativ gering. Allerdings hält Privatdozent Dr. Rainer Surges, Aachen, die Methode noch nicht für ausreichend valide, weil in der Studie die Stichprobengröße zu klein war und zu wenig Anfallsereignisse auftraten.

In einer eigenen Studie prüft er ein Im-Ohr-System mit Photoplethysmographie, Temperatursensor und Akzelerometer, jedoch erschweren bislang allerlei Artefakte dessen Einsatz. In Tübingen testen Forscher ein Brustgurtsystem mit EKG, das 73 % der fokalen und 70 % der generalisierten Anfälle in der Nacht detektiert. Rätsel geben aber individuelle Unterschiede auf: Während das System bei einer ganzen Reihe von Patienten jeden Anfall dokumentierte, zeigte es bei anderen mehrere oder sogar die Mehrzahl der Anfälle gar nicht an. Auch die Falschpositivrate war noch zu hoch.

Insgesamt empfiehlt Dr. Surges aufgrund der fehlenden umfassenden klinischen Evaluation derzeit noch kein einziges der vorgestellten Geräte.

Quelle: 90. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Neurologie

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Automatisierte Messung von epileptischen Episoden steckt noch in den Kinderschuhen. Automatisierte Messung von epileptischen Episoden steckt noch in den Kinderschuhen. © fotolia/RioPatuca Images