Präoperative Untersuchungen von Herzkranken können individuell angepasst erfolgen

Dr. Elke Ruchalla

Jeder Dritte, der unters Messer muss, hat mindestens einen kardialen Risikofaktor. Jeder Dritte, der unters Messer muss, hat mindestens einen kardialen Risikofaktor. © iStock.com/Morsa Images

Herz-Kreislauf-Erkrankungen spielen für das perioperative Risiko eine wesentliche Rolle – fast der Hälfte der Komplikationen liegt eine kardiovaskuläre Ursache zugrunde. Haus­ärzte können viel dazu beitragen, gefährdete Patienten frühzeitig zu erkennen.

Lange Zeit forderten vor allem Anästhesisten auch bei kleineren Eingriffen und jungen, ansonsten gesunden Patienten vor einer elektiven Operation Routineuntersuchungen wie EKG und Röntgenbild des Thorax. Mittlerweile hat sich aber gezeigt, dass diese Routinen den Patienten nicht helfen, sagen Dr. Heiko Kaiser und seine Kollegen der Universitätsklinik für Anästhesiologie des Inselspitals Bern. Eher machen sie ihnen Angst, führen zu nicht notwendigen Behandlungen, verursachen überflüssige Kosten und verzögern den Operationstermin.

Die Fachgesellschaften sind deshalb umgeschwenkt und verlangen präoperative Befunde nun angepasst an die individuelle Situation des Patienten. Vor allem Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind hier relevant: Etwa ein Drittel aller Patienten, bei denen eine Operation ansteht, weist den einen oder anderen kardialen Risikofaktor auf – nach Ausschluss kardiochirurgischer Eingriffe. Das Vorgehen in der Praxis hängt ab

  • vom Operationsrisiko (s. Kasten),
  • von der Leistungsfähigkeit des Patienten und
  • von den individuellen kardiovaskulären Parametern.

Die Leistungsfähigkeit des Patienten lässt sich mit der Frage „Wie viele Stockwerke können Sie steigen?“ gut einschätzen. Wer ohne Unterbrechung und Dyspnoe weniger als ca. zwei Stockwerke zurücklegt, gilt als eingeschränkt belastbar.

Risiko chirurgischer Eingriffe

  • gering (< 1 %): z.B. Arthroskopie, Brustchirurgie, Augenchirurgie
  • mäßig (1–5 %): z.B. intraperitonealer Eingriff, orthopädischer Gelenkersatz, periphere Angioplastie
  • hoch (> 5 %): z.B. offener Aorten­eingriff, Lebereingriff, Zystektomie
Das Risiko bezieht sich auf die Inzidenz von Mortalität oder Myokardinfarkt in den ersten 30 Tagen post-OP. Komorbiditäten werden für den Wert nicht berücksichtigt.

Relevante kardiovaskuläre Risikofaktoren umfassen KHK, Herzinsuffizienz, Arrhythmien, zerebrovaskuläre Erkrankungen, Niereninsuffizienz (Kreatininclearance < 60 ml/min/1,73m2), insulinpflichtiger Diabetes und immer Hochrisiko-Eingriffe. Prinzipiell können Operationen mit niedrigem Risiko bei Vorliegen von nicht mehr als einem kardialen Risikofaktor ohne weiterführende Abklärung durchgeführt werden, schreiben die Autoren. Statt des früher am Vorabend der Operation üblichen „Prämedikationsbesuchs“ des Anästhesisten erfolgt heute eine prästationäre Untersuchung in der Anästhesieambulanz der Klinik. Dabei kann der Hausarzt seinen Patienten – und seine Klinikerkollegen – unterstützen, indem er einen ausführlichen Arztbrief mit allen relevanten Informationen mitgibt. Darin sind enthalten
  • aktuelle Diagnosen,
  • der Allgemeinzustand des Patienten mit Angabe der Leistungsfähigkeit,
  • aktuell eingenommene Medikamente mit Dosierung und ggf. präoperativ abgesetzte Substanzen (seit wann?),
  • nur bei Bedarf aktuelle Laborwerte, EKG und weitere Befunde.
Zur Orientierung dienen die Empfehlungen des britischen National Institute for Health and Care Excellence. Demnach sollten gesunde Patienten ohne Vorerkrankungen (ASA* I) nur bei hohem chirurgischen Risiko weiterführende Dia­gnostik erhalten – und zwar Blutbild, EKG (falls Alter > 65 Jahre und kein EKG in den letzten zwölf Monaten) sowie Nierenwerte (falls Risiko für akute Nierenschädigung).

EKG und Nierenwerte je nach Risikoprofil

Steht eine OP bei Personen mit leichtgradiger systemischer Vorerkrankung und normaler Leistungsfähigkeit (ASA II) an, sind EKG und Nierenwerte gegebenenfalls bereits bei mittlerem chirurgischem Risiko gefragt. Ab einer schweren Grunderkrankung mit funktioneller Einschränkung (ASA III) erfolgt auch vor einem Niedrigrisiko-Eingriff eine EKG- und Labordiagnostik, falls das letzte EKG länger als ein Jahr zurückliegt oder mit einem akuten Nierendschaden zu rechnen ist. Bestehen mehrere Risikofaktoren, eine eingeschränkte Belastbarkeit oder allgemeine Fragen (z.B. zum Fortführen oder Absetzen einer Therapie), sollte der Hausarzt Kontakt zur zuständigen Anästhesieabteilung aufnehmen, betonen die Autoren – der dortige Anästhesist gibt gerne Auskunft. Auch für ihn ist es eine Arbeitserleichterung, wenn er den Patienten bei der präanästhesiologischen Visite nicht zurückschicken und weitere Befunde anfordern muss. Und auch das Verschieben von Operationsterminen, das den Patienten zusätzlich belastet, lässt sich so oft vermeiden.

* Amercian Society of Anesthesiologists

Quelle: Kaiser H et al. Swiss Med Forum 2018; 18: 725-732

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Jeder Dritte, der unters Messer muss, hat mindestens einen kardialen Risikofaktor. Jeder Dritte, der unters Messer muss, hat mindestens einen kardialen Risikofaktor. © iStock.com/Morsa Images