Priapismus: Dauererektion als Erstmanifestation einer Krebserkrankung

Dr. Judith Lorenz

Eine Translokation zwischen den Chromosomen 9 und 22 (hier: jeweils das 
rechte) kann eine CML auslösen. Eine Translokation zwischen den Chromosomen 9 und 22 (hier: jeweils das rechte) kann eine CML auslösen. © Science Photo Library/Addenbrookes Hospital/Dept. of Clinical Cytogenetics

Ein Priapismus muss umgehend urologisch versorgt werden. Unversehens kann daraus aber auch schnell ein internistischer Notfall werden.

Zweimal in zwei Wochen entwickelte der ansonsten gesunde 32-Jährige eine schmerzhafte Dauererektion. Die erste ging nach einer kalten Dusche spontan zurück, die zweite bestand seit 24 Stunden und führte ihn in die Klinik. Begleitend berichtete er über eine seit einigen Monaten vorhandene B-Symptomatik mit Gewichtsverlust und Nachtschweiß. Medikamente nahm er nicht ein, Drogenkonsum verneinte er.

Abschwellen nach Injektionen und manueller Kompression

Während der Punktion der Corpora cavernosa fiel dem Team um Dr. Muhammad Abdeen von der Klinik für Urologie und Kinderurologie der Universität des Saarlandes in Homburg/Saar auf, dass sich im Aspirat bereits nach kurzer Zeit eine dicklich-weiße Schicht von den übrigen Blutbestandteilen absetzte. Nach Injektion von Etilefrin, Kochsalzlösung und Heparin in die Schwellkörper und manueller Kompression gelang das vollständige Abschwellen. Unter dem Verdacht eines Hyperviskositätssyndroms bei hochgradig leukämieverdächtigen Laborbefunden mit einem Leukozytenwert von 422 500/ µl erfolgte eine Beckenkammbiopsie. Sie ergab die für eine chronisch-myeloische Leukämie (CML) typischen molekularzyto­genetischen Befunde.

Ein Priapismus, also eine länger als vier Stunden anhaltende schmerzhafte Erektion, kann idio­pathisch, durch Verletzungen oder medikamentöse Auslöser (PDE-V-Hemmer, SKAT-Therapie, Psychopharmaka) entstehen. Die Dauer­erektion stellt angesichts der Gefahr ischämischer Schädigungen einen urologischen Notfall dar.

Hyperviskoses Blut aggregiert in den Schwellkörpern

Als Sonderform gilt der maligne Priapismus im Gefolge diverser solider oder hämatologischer Tumor­erkrankungen. Im Zusammenhang mit einer CML kommt es aufgrund einer Hyperviskosität des Blutes zur Aggregation von Zellen in den Schwellkörpern, wodurch die physio­logische Detumeszenz nicht erfolgen kann. Diese Dauererektion stellt allerdings wie im vorliegenden Fall nur äußerst selten die Erstmanifestation der CML dar.

Bei dem 32-Jährigen verlief die Zytostatikabehandlung mit Hydroxycarbamid sowie Tyrosinkinaseinhibitoren erfolgreich, sodass der Patient nun – 22 Monate nach der Erstdiagnose – beschwerdefrei ist. Trotz der langen Priapismusdauer leidet er nicht an Erektionsstörungen und es kam zu keinem weiteren Priapismus-Rezidiv. Die empfohlene Kryokonservierung des eigenen Spermas vor der Chemo hatte der junge Mann nicht in Anspruch genommen. 

Quelle: Abdeen M et al. Urologe 2021; 60: 67-70; DOI: 10.1007/s00120-020-01326-2

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Eine Translokation zwischen den Chromosomen 9 und 22 (hier: jeweils das 
rechte) kann eine CML auslösen. Eine Translokation zwischen den Chromosomen 9 und 22 (hier: jeweils das rechte) kann eine CML auslösen. © Science Photo Library/Addenbrookes Hospital/Dept. of Clinical Cytogenetics