Primärer Hyperparathyreoidismus: Stein-, Bein- und Magenpein waren einmal

Dr. Andrea Wülker

Immer wieder litt der 80-Jährige unter Nierensteinen. Das Adenom der Nebenschilddrüse musste deshalb raus. Immer wieder litt der 80-Jährige unter Nierensteinen. Das Adenom der Nebenschilddrüse musste deshalb raus. © fotolia/gpointstudio

Der primäre Hyperparathyreoidismus kann über Jahre asymptomatisch verlaufen. Fallen im Labor pathologische Parathormon- und Kalziumwerte auf, gilt es, auf unspezifische Beschwerden zu achten und die OP-Indikation zu prüfen.

Mit einer Prävalenz von 1 % bei 65-Jährigen und bis zu 3 % bei 80-Jährigen ist der primäre Hyperparathyreoidismus keine seltene Erkrankung. Er betrifft Frauen häufiger als Männer. Ursache der vermehrten Parathormon (PTH)-Sekretion ist in 80–85 % ein gutartiges solitäres Nebenschilddrüsen-Adenom, daneben kann die Erkrankung auf multiplen Adenomen, einer Hyperplasie oder auf einem Nebenschilddrüsen-Karzinom beruhen. Hereditäre Formen sind für 5–10 % der Fälle verantwortlich, schreiben Professor Dr. Olivier Lamy und Kollegen vom Centre Hospitalier Universitaire Vaudois, Lausanne.

Pathologische Frakturen heute nur noch selten

Die Überfunktion wird auf der Basis von Laboruntersuchungen diagnostiziert. Dazu muss ein erhöhter korrigierter oder im obersten Normbereich liegender Serum-Kalziumwert in Verbindung mit einem unverhältnismäßig hohen PTH-Wert vorliegen, so die Experten. Zu beachten ist, dass das Parathormon durch den 25-OH-Vitamin-D-Spiegel beeinflusst wird. Ein niedriger 25-OH-Vitamin-D-Wert regt die PTH-Sekretion an und kann bis zu einem gewissen Grad einen sekundären Hyperparathyreoidismus in Gang setzen. Die Definition des primären Hyperparathyreoidismus setzt deshalb einen Vitamin-D-Spiegel im idealen Normbereich (ca. 30 µg/l oder 75 nmol/l) voraus.

Die Erkrankung wird heute oft aufgrund der häufigen labormedizinischen Bestimmungen von Kalzium und PTH festgestellt. In den meisten Fällen (etwa 80 %) treten keine Symptome auf und die Progredienz ist sehr langsam.

Die wichtigsten Manifestationen betreffen die Nieren und die Knochen, stehen mit der Hyperkalzämie in Verbindung oder sind unspezifisch:

  • Viele Betroffene klagen über unspezifische Beschwerden wie Müdigkeit, Ängstlichkeit oder muskuloskelettale Schmerzen.
  • Etwa jeder Fünfte weist Nierensteine auf, zu einer Nephrokalzinose kommt es seltener.
  • Das Frakturrisiko ist erhöht, die kortikale Knochendichte nimmt rascher ab als in der Bevölkerung. Pathologische Frakturen gibt es heutzutage nur noch wenige.
  • Die Hyperkalzämie geht mit Appetitlosigkeit, Übelkeit, Obstipation und mit Polyurie/Polydipsie einher.
  • Einige Patienten entwickeln neuropsychologische Störungen.

Die operative Entfernung der veränderten Nebenschilddrüse(n) gilt als einzig kurative Therapie. Ist die Indikation für eine Operation gegeben (s. Kasten), empfehlen die Autoren eine bildgebende Diagnostik einschließlich Sonographie und Szintigraphie. So sollen bei solitären Adenomen ein minimalinvasiver Eingriff geplant oder ektope Nebenschilddrüsen z.B. im Mediastinum aufgespürt werden.

Indikationen für eine Parathyreoidektomie

  • Patientenalter < 50 Jahre
  • korrigierter Serum-Kalziumwert von > 0,25 mmol/l über dem oberen Normbereich
  • densitometrisch nachgewiesene Osteoporose (T-Score < -2,5) oder pathologische Frakturen
  • Nierensteinleiden, Nephrokalzinose oder Niereninsuffizienz
  • unspezifische Beschwerden wie muskuloskelettale Schmerzen, Müdigkeit oder neuropsychologische Symptome stellen eine umstrittene Indikation dar

Durch einen chirurgischen Eingriff kann sich die Knochendichte verbessern und das Frakturrisiko sinken. Außerdem darf mit weniger symptomatischen Episoden des Nierensteinleidens und wahrscheinlich auch mit einer neurokognitiven Verbesserung gerechnet werden.

Einmal jährlich die Laborwerte kontrollieren

Patienten, bei denen keine Operationsindikation besteht, sollten einmal jährlich kontrolliert werden (mit Bestimmung des korrigierten Serum-Kalziums, des Kreatinins und des PTH). Eine Knochendichtemessung empfiehlt sich alle zwei Jahre. Im Zweifelsfall muss nach einem Nierensteinleiden gesucht werden. Die Gesamtkalziumzufuhr der Patienten sollte bei etwa 1000 mg/Tag liegen und mit täglich 800 IU Vitamin D supplementiert werden.

Eine darüber hinausgehende medikamentöse Behandlung kommt nur vorübergehend zum Einsatz. Das Kalzimimetikum Cinacalcet senkt die PTH-Sekretion und normalisiert so den Kalziumspiegel. Die Knochendichte bleibt unbeeinflusst. Cinacalcet ist angezeigt bei kontraindizierter oder klinisch unangemessener Operation bzw. bei schwerem Leiden in der präoperativen Zeit.

Von den Bisphosphonaten ist Alendronat am besten untersucht. Es verbessert die Knochendichte, hat jedoch (fast) keine Auswirkungen auf Kalzium- und PTH-Wert. Die Wahl der Medikation hängt davon ab, ob die Knochendichte oder der Kalziumspiegel behandelt werden soll. Eine Kombination von Cinacalcet und einem Bisphosphonat ist möglich, falls beides therapiert werden muss.

Quelle: Lamy O et al. Schweizerisches Medizin-Forum 2017; 17: 406-410

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Immer wieder litt der 80-Jährige unter Nierensteinen. Das Adenom der Nebenschilddrüse musste deshalb raus. Immer wieder litt der 80-Jährige unter Nierensteinen. Das Adenom der Nebenschilddrüse musste deshalb raus. © fotolia/gpointstudio