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Ramadan: Was Sie Ihren Diabetespatienten raten sollten

Was raten Sie muslimischen Diabetespatienten, die während des Ramadan fasten möchten?
Dr. Sebahat Șat: Chronisch kranke Menschen brauchen während des Ramadan nicht zu fasten, allerdings ist das eine sehr persönliche Entscheidung des Einzelnen. Wenn der Wunsch da ist, muss man den Patienten – mit Blick auf das individuelle Risiko – intensiv beraten und begleiten.
Aus medizinischer Sicht ist schwangeren Diabetespatientinnen und Diabetespatienten mit einer manifesten Nieren- oder Herzerkrankung oder auch einer Krebserkrankung dringend vom Fasten abzuraten. Auch Typ-1- und Typ-2-Diabetespatienten unter intensivierter Insulintherapie haben ein sehr hohes Risiko. Ein geringeres Risiko besteht für gut eingestellte Typ-2-Diabetespatienten ohne Folgekomplikationen.
Wie muss die Therapie während der Fastenzeit angepasst werden?
Dr. Șat: Die Anpassung muss schon vor der eigentlichen Fastenzeit ausführlich mit dem Patienten besprochen werden. Ich schule meine Patienten im Vorfeld, wie sie diätetisch vorgehen müssen, wie die Blutzuckermessung angepasst werden soll und auch wann sie das Fasten brechen müssen.
In der Fastenzeit selbst sind die Essenszeiten in die Abend- und die frühen Morgenstunden verlagert. Dadurch ist insbesondere nachts die Hyperglykämie-, tagsüber dagegen die Hypoglykämiegefahr gesteigert. Daher ist gerade bei älteren Patienten von einer Behandlung mit Sulfonylharnstoffen, insbesondere mit Glibenclamid, abzuraten. Hier kann eine Umstellung auf kürzer wirksame Glinide (zweimalige Gabe), Sulfonylharnstoffe der zweiten Generation oder besser DPP4-Hemmer sinnvoll sein.
Auch eine Insulintherapie erhöht das Hypoglykämierisiko am Tag zusätzlich. Hier kann eine Umstellung von Normal- auf Analoginsulin zu den Mahlzeiten erwogen werden. Die Insulindosis zur Mahlzeit in den frühen Morgenstunden muss individuell reduziert werden, in der Regel um 25–50 %. Dabei kommt es z.B. auch darauf an, ob der Patient tagsüber körperlich anstregend arbeitet oder einen Schreibtischjob hat. Für Metformin, DPP4-Hemmer, SGLT2-Hemmer und GLP1-Analoga sind meist keine Dosisanpassungen notwendig. Die Medikamente sollten zu den Hauptmahlzeiten nach Sonnenuntergang und ggf. vor Sonnenaufgang eingenommen werden.
Allerdings muss man die Patienten bei SGLT2-Inhibitoren auf das gesteigerte Dehydratations- und Ketoazidoserisiko hinweisen. Wenn die SGLT2-Medikation beibehalten wird, sollte diese zum Iftar, dem Fastenbrechen, gegeben werden und auf eine ausreichende Trinkmenge am Abend geachtet werden. Bei GLP1-Analoga ist die Hypoglykämiegefahr in der Monotherapie oder als Add-on zu Metformin gering. In Kombination mit Gliniden oder Insulin ist jedoch Vorsicht geboten. Auch das Gewicht sollte in der Fastenzeit im Blick behalten werden, es kann sowohl nach unten als auch nach oben ausschlagen. Entsprechend werden Dosisanpassungen notwendig.
Wann muss das Fasten unbedingt unterbrochen werden?
Dr. Șat: Wenn hypo- oder hyperglykämische Symptome auftreten, rate ich meinen Patienten dazu, das Fasten zu unterbrechen. Als Grenze nenne ich ihnen Blutzuckerwerte unter 70 mg/dl bzw. ab 300 mg/dl. Auch akute Infektionen, z.B. Magen-Darm-Infekte oder Anzeichen einer Dehydratation sollten zu einem Abbruch führen.
Was sind Ihrer Meinung nach wichtige Verhaltensregeln in dieser Zeit – für Arzt und Patient?
Dr. Șat: Zunächst einmal ist es wichtig, dass man sich als Arzt in die beratende Position zurücknimmt. Den Fastenwunsch des Patienten dogmatisch abzulehnen bzw. eine allzu direktive Kommunikation sind meiner Erfahrung nach nicht zielführend. Im Vorfeld sollte das individuelle Risiko des Patienten realistisch eingeschätzt und mit dem Patienten kommuniziert werden. Man muss den Patienten dafür sensibilisieren, seinen Blutzucker während der Fastenzeit häufiger zu kontrollieren und adäquat auf zu hohe oder zu niedrige Blutzuckerwerte zu reagieren. Wichtig ist auch eine diätetische Beratung.
Welche diätetischen Maßnahmen sind das konkret?
Dr. Șat: In der Regel fallen die Mahlzeiten zum abendlichen Fastenbrechen deutlich üppiger aus als zu Fastenbeginn. Der Patient sollte die Kalorien und Kohlenhydrate, die er zum Fastenbrechen und zum morgendlichen Fastenbeginn zu sich nimmt gleichmäßig verteilen. Ebenso ist auf eine ausgewogene Ernährung zu achten. Konkret heißt das ein Kohlenhydrat-Anteil von 45–50 %, ein Eiweiß-Anteil von 20–30 % und ein Fett-Anteil von unter 35 %, wobei der Anteil an gesättigten Fettsäuren unter 10 % liegen sollte.
Außerdem ist dem Patienten zu empfehlen, zu Kohlenhydraten mit niedrigem glykämischem Index und einem hohen Ballaststoffanteil und zu Gemüse zu greifen. Früchte zum Dessert sind Süßspeisen vorzuziehen. Ebenso empfehlen sich Speisen mit wenig Öl bzw. bevorzugt mit Olivenöl. Und wenn Snacks in der Nacht notwendig sind, eignen sich vor allem Obst oder Nüsse. Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass der Patient auf eine ausreichende Trinkmenge zu den Mahlzeiten achtet. Ich rate meinen Patienten außerdem dazu, ihre morgendliche Mahlzeit so spät wie möglich und ballaststoffreich einzunehmen, um genügend Reserven für den Tag zu haben.
Interview: Alisa Ort
IDF/DAR Praxisleitlinie: „Diabetes und Ramadan“
www.idf.org/elibrary/guidelines/87diabetesandramadanpractical25
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