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Risikoadaptierte Diabetestherapie

Vier Jahrzehnte klinischer Erfahrung sprechen für den Einsatz von Metformin in der Diabetestherapie. Das Biguanid hat einen guten HbA1c-senkenden Effekt, sein Hypoglykämiepotenzial ist gering und nur in sechs Fällen pro 100.000 Behandlungsjahren kommt es zu einer Laktatazidose, erklärte die Diabetologin Prof. Dr. Monika Kellerer vom Marienhospital in Stuttgart. Als weiteres Pro-Metformin-Argument führte sie die Gewichtsstabilität bzw. die leichte Gewichtsreduktion unter der Therapie an. Das Medikament wird nicht in der Leber verstoffwechselt und kann daher gut mit anderen Antidiabetika kombiniert werden. Zudem liegen die Tagestherapiekosten für Metformin gerade mal bei 20 Cent.
Wie Prof. Kellerer weiter ausführte, kann Metformin nicht nur den Blutzucker, sondern auch das kardiovaskuläre Risiko von Patienten mit Typ-2-Diabetes reduzieren. Dies ergebe sich aus der Studie UKPDS. Darin hatte man bei Typ-2-Diabetikern den Nutzen von Metformin mit dem einer konventionellen und einer intensivierten Therapie verglichen. Im Hinblick auf die Endpunkte Myokardinfarkt und Gesamtmortalität zeigte sich sowohl am Ende der Studienphase als auch 8,8 Jahre später ein hochsignifikanter Vorteil zugunsten von Metformin.
Den positiven Einschätzungen der Kollegin setzte Prof. Dr. Nikolaus Marx, Kardiologe an der Uniklinik der RWTH Aachen, allerdings das Fazit eines Cochrane-Reviews von 2020 entgegen: Danach beeinflusst die Monotherapie mit Metformin das Outcome von Typ-2-Diabetikern nicht besser als Lebensstilinterventionen, andere Antidiabetika oder gar keine Therapie. Zudem warnte er davor, die UKPDS-Ergebisse zu verallgemeinern. Zum einen bezog sich die Risikoreduktion nur auf eine Subgruppe adipöser Menschen mit neu diagnostiziertem Typ-2-Diabetes ohne initiale kardiovaskuläre Erkrankung. Zum anderen kam es im Verlauf von insgesamt 15 Jahren gerade mal zu 39 kardiovaskulären Ereignissen in der Metformin- versus 73 in der konventionell behandelten Gruppe (n = 411). Die Aussagen zur kardioprotektiven Wirkung hätten somit eine schwache Datenbasis und seien nicht mit denen aus Studien mit SGLT2-Inhibitoren oder GLP1-Rezeptoragonisten (GLP1-RA) vergleichbar.
In einer Metaanalyse von sechs Arbeiten mit insgesamt knapp 47.000 Typ-2-Diabetikern zeigte sich für SGLT2-Inhibitoren in puncto MACE – kardiovaskulärer Tod, Myokardinfarkt und Schlaganfall – ein klarer Benefit. Gleiches galt in einer anderen Analyse für die GLP1-Rezeptoragonisten. Prof. Marx: „Ich glaube, da sind wir uns alle einig.“
Zwar hatten in allen großen Studien zu diesen Substanzgruppen etwa 60–80 % der Patienten auch Metformin an Bord. Wie Subgruppenanalysen zeigten, machte es im Hinblick auf kardiovaskulären Tod oder Hospitalisierung aufgrund einer Herzinsuffizienz aber gar keinen Unterschied, ob sie das Biguanid bekamen oder nicht. Einfluss hatte Metformin dagegen auf das Auftreten oder die Verschlechterung einer Nephropathie. Für Patienten ohne das Medikament war die Gefahr deutlich geringer.
Nach seiner und der Überzeugung von Prof. Kellerer sollte man heute die Therapie des Typ-2-Diabetes am kardiovaskulären Risiko des Patienten ausrichten, so wie es in der Leitlinie der European Society of Cardiology von 2023 empfohlen wird. Beteiligt an dieser Leitlinie waren auch sechs Diabetologen, betonte der Kollege. Unabhängig von Verfügbarkeit und Zulassungsstatus der einzelnen Medikamente wird in der Leitlinie gefordert, Patienten auf Antidiabetika ein- oder umzustellen, die einen nachgewiesenen kardiovaskulären Nutzen haben. Ist dies nicht möglich, sollten die Substanzen zumindest kardiovaskulär nicht schaden.
So sind für Diabetespatienten mit atherosklerotischen Gefäßerkrankungen GLP1-RA sowie SGLT2-Inhibitoren unabhängig vom HbA1c erste Wahl. Wird ein additiver blutzuckersenkender Effekt benötigt, kommen zusätzlich Metformin oder Pioglitazon ins Spiel. Diabetiker mit Herzinsuffizienz bekommen nach Empfehlung der Leitlinienautoren primär einen SGLT2-Inhibitor und bei unzureichender BZ-Einstellung zusätzlich einen GLP1-RA, Sitagliptin, Linagliptin, Metformin oder Insulin glargin bzw. degludec. Pioglitazin und Saxagliptin dürfen Hezinsuffiziente nicht erhalten.
Bei niereninsuffizienten Patienten senkt man das kardiovaskuläre Risiko mit einem Statin und das renale mit einem ACE-Hemmer bzw. Angiotensin-II-Rezeptorblocker. Zusätzlich gibt man einen SGLT2-Inhibitor sowie Finerenon und sorgt für eine suffiziente Blutdruckkontrolle. Zu hohe Blutzuckerwerte werden mit einem GLP1-RA angegangen, alternativ mit Metformin (bei eGFR > 30 ml/min/1,73m2), einem DPP4-Inhibitor oder Insulin.
Nur für Typ-2-Diabetiker ohne kardiovaskuläre Erkrankung bzw. schweren Endorganschaden und mit einem geringen oder moderaten kardiovaskulären 10-Jahres-Risiko ist Metformin das Antidiabetikum der ersten Wahl. Die Risikoabschätzung sollte anhand des SCORE2-Diabetes erfolgen. Liegt dieser bei ≥ 10 %, bekommt Metformin durch SGLT2-Hemmer und GLP1-RA Konkurrenz.
Quelle: 130. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin 2024
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