Schlaganfall unter Antikoagulation: zwei Fälle aus der Praxis

Manuela Arand

Vitamin-K-Antagonisten
 wirken im frühen Apoplexstadium prothrombotisch. Vitamin-K-Antagonisten
 wirken im frühen Apoplexstadium prothrombotisch. © iStock/wildpixel

Was tun, wenn ein Patient unter oraler Antikoagulation einen Schlaganfall erleidet? Wer darf, wer muss nach überstandener Akutphase erneut antikoaguliert werden? Antworten von Professor Dr. Hans-Christoph Diener anhand von zwei konkreten Patientenbeispielen.

Fall 1

Die 70-jährige Elisabeth wurde abends um 19 Uhr mit einem schweren Schlaganfall (NIHSS 21) eingeliefert. Das Basislabor ergab absolut normale Koagulationsparameter – sie hatte das wegen Vorhofflimmern verordnete nicht-Vitamin-K-antagonistische orale Antikoagulans (NOAK) offenbar nicht genommen. Der Pfropf, den die CT-Angiographie in der A. cerebri media zeigte, wurde erfolgreich thrombektomiert. Die Patientin konnte wieder sprechen und verließ die Klinik auf eigenen Beinen mit einem NIHSS von 4.

Keine Heparinisierung bei akuter Ischämie

„Patienten mit Vorhofflimmern, die eine transitorisch ischämische Attacke oder einen ischämischen Schlaganfall erleiden, haben in den ersten zwei Wochen nach dem Ereignis ein enorm hohes Rezidivrisiko. Aber wenn wir die orale Antikoagulation zu früh wieder aufnehmen, riskieren wir, dass es in das Infarktareal hineinblutet“, gab der Neurologe von der Universität Duisburg-Essen zu bedenken.

Daten einer italienischen Registerstudie zeigen, dass der optimale Zeitpunkt für die (Wieder-)Aufnahme der oralen Antikoagulation (OAK) zwischen Tag 3 und 14 nach der akuten Ischämie liegt.1 Die kombinierte Rate von Rezidiv und schweren Blutungen steigt erheblich, wenn sie früher oder später beginnt. Was sich der Studie zufolge nicht empfiehlt, ist, die Patienten zu heparinisieren. Das steigert nur das Blutungsrisiko, ohne Schlaganfallschutz zu bieten.

Eine weitere Studie, SAMURAI genannt, ergab, dass NOAK in dieser Situation besser vor intrakraniellen Blutungen schützen als Vitamin-K-Antagonisten (VKA).2 „VKA wirken im frühen Stadium nach einem ischämischen Schlaganfall prothrombotisch, NOAK nicht“, erklärte Prof. Diener. Zudem vergehen im Schnitt drei bis sechs Tage, bis die INR im Zielbereich liegt.

Die European Heart Rhythm Association (EHRA) empfiehlt ein nach Schweregrad der Ischämie abgestuftes Prozedere:

  • Nach einer TIA sollte sofort antikoaguliert werden,
  • bei einem leichten Schlaganfall (NIHSS <8) nach drei Tagen.
  • Bei einem moderaten (NIHSS 8–16) oder schweren Schlaganfall muss per CT oder MRT sichergestellt sein, dass keine hämorrhagische Transformation erfolgt ist. Dann kann die OAK nach sechs bzw. zwölf Tagen beginnen.

Neurologen nutzen noch weitere Faktoren, um zu entscheiden. Dazu zählen u.a. Patientenalter und klinische Stabilität, aber auch der Blutdruck. Hat ein Patient z.B. eine unkontrollierte Hypertonie, sollte man mit der OAK warten, bis der Blutdruck kontrolliert ist.

Fall 2

Der 74-jährige Alan hat ebenfalls Vorhofflimmern und unter dem NOAK eine intrazerebrale Blutung entwickelt. Patienten wie er haben zum einen ein hohes Risiko, wieder zu bluten, zum anderen ohne Antikoagulation einen ischämischen Schlaganfall zu erleiden.

Aus den NOAK-Studien waren aus Sicherheitsgründen Patienten ausgeschlossen, die schon einmal eine Hirnblutung hatten. Hier gilt es, das Blutungsrisiko sehr sorgfältig abzuwägen, denn ein hohes Risiko stellt eine klare Kontraindikation für eine erneute Antikoagulation dar, betonte der Neurologe. Die Ätiologie der Blutung hilft dabei. Ein Patient etwa, der eine traumatische Subduralblutung hatte, kann durchaus wieder ein NOAK bekommen. Auch eine Aneurysmablutung verhindert die orale Antikoagulation nicht automatisch, sofern nicht multiple Aneurysmen vorliegen.

Einzelne Mikroblutungen in tiefen Hirnregionen, wie sie durch schlecht kontrollierte Hypertonie und Diabetes verursacht werden, sind unproblematisch, „aber leider wissen wir nicht, wie viele Mikroblutungen jemand haben muss, um ihn von der OAK auszuschließen“. Multiple kortikale oder subkortikale Blutungen sprechen dagegen für eine Amyloid-Angiopathie, die ein so hohes Blutungsrisiko erzeugt, dass eine OAK kontraindiziert ist.

Trotz Blutung die OAK wieder starten?

Die EHRA hat auch für Hirnblutungen unter Gerinnungshemmung eine Empfehlung entwickelt. Bei jüngerem Alter, gut kontrolliertem Blutdruck, in den Basalganglien lokalisierter Blutung, keinen oder geringen Läsionen in der weißen Substanz und einem hohen Risiko für einen ischämischen Schlaganfall sollte die OAK nach vier bis acht Wochen wieder einsetzen. „Ich würde in diesen Fällen dazu neigen, wenn möglich die niedrigere Dosis eines NOAK zu geben“, meinte Prof. Diener. In allen anderen komme der Verschluss des linken Vorhofohrs infrage, obwohl die Studien dazu noch nicht abgeschlossen seien.

Quellen:
1. Paciaroni M et al. JAHA 2017; DOI: 10.1161/JAHA.117.007034
2. Toyoda K et al. Int J Stroke 2015; 10.1111/ijs.12452

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Vitamin-K-Antagonisten
 wirken im frühen Apoplexstadium prothrombotisch. Vitamin-K-Antagonisten
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