Schleifendiuretika: Was bei der Ödemtherapie zu beachten ist

Dr. Sascha Bock

Ein höheres Gewicht auf der Waage zeigt bei der Bedarfstherapie, wann gehandelt werden muss, um die Ödeme einzudämmen. Ein höheres Gewicht auf der Waage zeigt bei der Bedarfstherapie, wann gehandelt werden muss, um die Ödeme einzudämmen. © iStock/Obencem; Andrey Popov – stock.adobe.com

Verordnen Sie herzschwachen Patienten mit dicken Beinen manchmal variierende Furosemid-Dosen? Oder begründen Sie die i.v. Gabe von Torasemid mit einer schlechteren enteralen Absorption bei Ödemen? Dann sind Sie bereits in die Schleifendiuretika-Falle getappt.

Obwohl Schleifendiuretika zum Standardrepertoire bei Ödemen zählen, wird Dr. Steven D. Anisman von Kollegen immer wieder um Rat gefragt. Zum Beispiel, wenn es um die Therapie herzschwacher Patienten mit geschwollenen Beinen geht. Zusammen mit einem Nephrologen und einer Hausärztin gibt der Kardiologe vom Dartmouth Hitchcock Department of Cardiovascular Medicine in Bennington Tipps, worauf es beim Gebrauch der Medikamente ankommt.

Der Effektivitäts-Schalter ist entweder an oder aus

Um Fehler im Alltag zu vermeiden (s. Kasten), lohnt zunächst ein Blick auf die Pharmakokinetik. Während der Effekt der meisten Substanzen mit zunehmender Dosis steigt, wirken Furosemid, Torasemid und Co. entweder ganz oder gar nicht. Der Schalter wird ab einem individuellen Schwellenwert umgelegt.

Vier gängige Fehler beim Einsatz von Schleifendiuretika

  1. verschiedene Dosierungen für die tägliche Einnahme (z.B. 40 mg morgens, 20 mg abends)
  2. Empfehlung zur Dosissteigerung bei Bedarf (z.B. 20 mg täglich, bei Ödemen 40 mg)
  3. subtherapeutische Dosen für eine „leichte Diurese“ einsetzen oder, um „die Niere zu schonen“
  4. eine diuretisch effektive Dosis erhöhen
Diese Fehler fußen auf dem Irrglauben, für Schleifendiuretika gebe es eine klassische Dosis-Wirkungs-Kurve. Dabei setzt der Effekt ab einer individuellen Schwellendosis nach dem Alles-oder-Nichts-Prinzip ein.

Eine eingeschränkte Nierenfunktion erfordert mitunter größere Wirkstoffmengen. Denn nicht der Serumspiegel, sondern die Konzentration im Tubulussystem bestimmt, ob das Diuretikum anschlägt. Gute Anhaltspunkte für den Erfolg der üblich eingesetzten Dosierungen liefern bereits glumeruläre Filtrationsrate und/oder Protein­urie, so die Autoren. Wer wissen will, ob die verordnete Menge ihren Zweck erfüllt, braucht nur den Patienten zu fragen. Verändert sich seine Miktionsmenge? Und wie lange hält der Effekt an? Für eine therapeutische Dosis spricht regelmäßiges Wasserlassen über 4–6 Stunden nach der Einnahme. In diesem Zeitfenster ist ein Harnvolumen von bis zu vier Litern nicht ungewöhnlich. Eine Nykturie hingegen weist eher auf eine ineffektive Diurese am Tag hin als auf eine übermäßige Diuretikaantwort. Aufgrund des Alles-oder-Nichts-Prinzips ist eine Hoch­titration bei vermehrter, aber für die Ödemtherapie unzureichender Urinausscheidung sinnlos. In diesem Fall empfehlen die US-Kollegen zusätzlich ein Thiazid- oder Kalium sparendes Diuretikum. Alternativ eignet sich die erneute Gabe des Schleifendiuretikums mindestens sechs Stunden nach der ersten. Schießt die Behandlung übers Ziel hinaus oder besteht lediglich eine milde Hypervolämie, sollte man auf andere – weniger potente – Wirkstoffklassen ausweichen. Thiazide beispielsweise entfalten nur ein Viertel des Harn treibenden Effektes von Schleifendiuretika. Durch die Entwässerung soll der Patient sein „Trockengewicht“ erreichen. Darunter verstehen die Autoren die Körpermasse, ab der klinisch eine Euvolämie besteht. Fehlen müssen folglich Ödeme, Dyspnoe in aufrechter und liegender Position sowie Zeichen einer Dehydratation. Im Verlauf kann eine Bedarfstherapie mit Schleifendiuretika helfen, den Volumenstatus zu kontrollieren, so die Experten. Eine Gewichtszunahme gilt dabei als früher Indikator der Flüssigkeitsretention.

Bedarfsbehandlung hilft, das „Trockengewicht“ zu halten

Liegt das „Trockengewicht“ z.B. bei etwa 92 kg, könnte die Empfehlung lauten: „Nehmen Sie 20 mg Torasemid, wenn die Waage 93 kg oder mehr zeigt.“ Dazu muss sich der Betroffene täglich wiegen, was eine gewisse Patientenselektion voraussetzt. Bietet sich dieses Vorgehen nicht an, kommt eine symptomorientierte Selbstmedikation infrage, z.B. bei sichtbaren Beinschwellungen oder bei Kurzatmigkeit. Zu der Strategie der Bedarfstherapie gehören immer auch ärztliche Kontrollen, per Telefon, ambulant oder in der Klinik. In der Frage nach dem zu bevorzugenden Wirkstoff halten sich die Leitlinien zurück. Aus eigener Erfahrung tendieren die Autoren zu Torasemid in einer Startdosis von 10–20 mg. Verglichen mit Furosemid ist dieses Präparat potenter, es wirkt länger, hat eine höhere Bioverfügbarkeit und führt zu weniger Hypokaliämien. Zu den weiteren Vorteilen zählt eine niedrigere Rehospitalisierungsrate wegen Herzinsuffizienz.

Interaktionen beachten!

Folgende Medikamente reduzieren die GFR und können damit den Effekt von Schleifendiuretika mindern:
  • ACE-Hemmer
  • Angiotensin-Rezeptor-Blocker
  • NSAR

Doch egal, für welches Schleifendiuretikum Sie sich entscheiden: Checken Sie regelmäßig Elektrolyte und Nierenfunktion. Ein Anstieg des Kreatinins ist kein Grund, das Medikament abzusetzen. Erhöhte Krea­tinin- und Harnstoff-Spiegel lassen sich mitunter nicht vermeiden, schrei­ben die US-Kollegen. Für das Ergebnis spielt es keine Rolle, ob das Pharmakon als Bolus oder in einer Infusion verabreicht wird. Zudem können ödematöse Patienten ein Schleifendiuretikum durchaus oral einnehmen. Interstitielle Flüssigkeitseinlagerungen mögen die Absorption zwar verlangsamen, schränken die insgesamt aufgenommene Wirkstoffmenge und den Effekt aber keineswegs ein.

Fünf Studien zur Therapie bei Herzinsuffizenz auf dem Weg

Vor allem bei Herzinsuffizienten scheint die optimale Strategie nach wie vor nicht gefunden. Das spiegelt sich in der aktuellen Forschung wider. Fünf laufende Studien untersuchen u.a. ein gewichtsadaptiertes Torasemid-Regime, vergleichen die Schleifendiuretika untereinander oder nehmen die Sicherheit einer Kombinationsbehandlung mit Thiaziden ins Visier.

Quelle: Anisman SD et al. BMJ 2019; 364: l359

Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).


Ein höheres Gewicht auf der Waage zeigt bei der Bedarfstherapie, wann gehandelt werden muss, um die Ödeme einzudämmen. Ein höheres Gewicht auf der Waage zeigt bei der Bedarfstherapie, wann gehandelt werden muss, um die Ödeme einzudämmen. © iStock/Obencem; Andrey Popov – stock.adobe.com