Ödeme: Regeln für die Therapie mit Diuretika

Dr. Angelika Bischoff

In der mikroskopischen Aufnahme eines Glomerulus sieht man, wie Podozyten die Kapillaren umarmen. In der mikroskopischen Aufnahme eines Glomerulus sieht man, wie Podozyten die Kapillaren umarmen. © Science Photo Library/ DENNIS KUNKEL MICROSCOPY

Seit vielen Jahrzehnten sind Diuretika ein fester Bestandteil der Pharmakotherapie von ödematösen Erkrankungen. Um mit diesen Substanzen anhaltende Erfolge zu erzielen, müssen einige Spielregeln beachtet werden.

Diuretika greifen im Tubulussystem der Niere an unterschiedlichen Stellen an. Eine pharmakokinetische Gemeinsamkeit der Substanzklassen besteht darin, dass sich ein Ceiling-Effekt ausbildet: Zu Beginn der Diuretika-Therapie steigt die NaCl-Ausscheidung deutlich. Gleichzeitig sinkt das Körpergewicht. Nach wenigen Tagen stellt sich ein Plateau ein, d.h., die fraktionelle Natriumausscheidung nimmt ab einem bestimmten Punkt bei weiterer Dosissteigerung nicht mehr weiter zu.

Diuretika im Tubulussystem

  • Carboanhydrasehemmer (Acetazolamid) wirken im proximalen Tubulus, wo 60 % des primär filtrierten NaCl rückresorbiert werden. Sie wären damit theoretisch die effektivsten Substanzen, wenn die Rückresorption von NaCl im weiteren tubulären Verlauf nicht kompensatorisch gesteigert würde.
  • Schleifendiuretika blockieren den Na+-K+-2Cl--Transporter im dicken Teil der aufsteigenden Henle-Schleife. Über diesen werden dort etwa 25 % des filtrierten NaCl rückresorbiert. Schleifendiuretika wirken von der Lumenseite her und müssen daher vorher filtriert und primär-tubulär sezerniert werden.
  • Thiaziddiuretika hemmen von der Lumenseite her die Na+-Cl--Transporter, die im distalen Konvolut des Tubulus sitzen und dort etwa 8–15 % des filtrierten NaCl rückresorbieren. Da es eine Assoziation zu Hauttumoren zu geben scheint, sollte bei langfristiger Gabe auf ausreichenden UV-Schutz geachtet werden.
  • Aldosteronantagonisten müssen als einzige nicht filtriert werden, um an ihren Wirkort zu gelangen. Sie hemmen von der Blutseite die Natriumkanäle im Sammelrohr, die an der Rückresorption mit 3–5 % beteiligt sind. Dies hat jedoch zur Folge, dass auch die korrespondierende Kaliumsekretion nicht mehr funktioniert. Im Gegensatz zu anderen Diuretika, durch die mit dem Natrium auch Kalium ausgeschwemmt wird (Hypokaliämie) kann bei dieser Substanzklasse eine Hyperkaliämie auftreten.

Verminderte Ejektionsfraktion als mögliche Ursache

In den ersten Wochen sinkt auch das linksventrikuläre Auswurfvolumen. Dies führt zu einer Aktivierung des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems (RAAS), u.U. einer nicht-osmotischen Sekretion von antidiuretischem Hormon und einer Aktivierung des Sympathikus. Eine zusätzliche Therapie mit ACE-Hemmern, Angiotensinrezeptorblockern, Betablockern oder Sympathikolytika erhöhen die diuretische Wirkung. Eine NaCl- und Wasserreten­tion – erkennbar an peripheren Ödemen und Gewichtsanstieg – aufgrund einer Minderperfusion der Niere kann an einer verminderten Ejektionsfraktion, Rückwärtsversagen, Abnahme von Albumin oder onkotischem Druck liegen. Mit einem Schleifendiuretikum (z.B. Furosemid 40–80 mg) lässt sich in dieser Situation die Ausscheidung von NaCl steigern und das Gewicht reduzieren. In der Folge stellt sich ein neues Bilanz-Gleichgewicht ein.

NSAR hemmen die Kochsalzausscheidung

Bei mangelndem Erfolg sollte geprüft werden, ob sich z.B. die Herz-Pumpfunktion verschlechtert hat, ob der Patient vermehrt Kochsalz konsumiert oder Medikamente einnimmt, die eine Kochsalzausscheidung hemmen (NSAR), schreibt Professor Dr. Mark Alscher vom Robert-Bosch-Krankenhaus in Stuttgart. Stagniert die Ödemrückbildung, kann die Einzeldosis erhöht werden, z.B. auf 125 mg Furosemid. Wenn das Gewicht, d.h. die Wassereinlagerung, nach anfänglich ausreichender Senkung wieder zunimmt, ist es auch möglich, die effektive Einzeldosis mehrfach zu geben. Alternativ ist bei unzureichender Kochsalzausscheidung eine sequenzielle Nephronblockade denkbar, z.B. durch Kombination von Schleifendiuretika mit Thiaziden. Da Thiazide die unter Schleifendiuretika oft kompensatorisch erhöhte Rückresorption von NaCl am distalen Tubulus hemmen, verstärkt sich der diuretische Effekt. Bei eingeschränkter Nierenfunktion müssen Schleifendiuretika höher dosiert werden, z.B.:
  • bei einer GFR 20–50 ml/min: 250 mg Furosemid oral
  • bei einer GFR < 20 ml: 500 mg Furosemid oral
Thiaziddiuretika dürfen bei fortgeschrittener Niereninsuffizienz nicht in Monotherapie gegeben werden, weil sie durch den tubu­loglomerulären Feedback-Mecha­nismus die glomeruläre Filtration weiter einschränken. Schleifendiuretika umgehen diesen Feedback-Mechanismus. Kombiniert man sie mit Thiaziden, lassen sich additive diuretische Effekte erzielen. Das zweite Standbein der Diuretika ist die Kombinationstherapie der arteriellen Hypertonie. Durch Senkung des peripheren Widerstands vermindern Thiazide den Blutdruck dosisabhängig, beispielsweise Hydrochlorothiazid bis etwa 25 mg, oder 1,25 mg Indapamid. Diuretika senken auch das Risiko für kardiovaskuläre Endpunkte. Das Mittel der Wahl bei therapierefraktärer Hypertonie ist Spironolacton (25–50 mg).

Quelle: Alscher MD. Internist 2021; 62: 215-220; DOI: 10.1007/s00108-021-00945-x

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In der mikroskopischen Aufnahme eines Glomerulus sieht man, wie Podozyten die Kapillaren umarmen. In der mikroskopischen Aufnahme eines Glomerulus sieht man, wie Podozyten die Kapillaren umarmen. © Science Photo Library/ DENNIS KUNKEL MICROSCOPY