Freiheit für gestaute Beine! Lymphödeme mit physikalischer Therapie und Mikrochirurgie entstauen

Dr. Dorothea Ranft

Auch, wenn's nicht so schön aussieht wie bei ihr: Kompression muss sein. Auch, wenn's nicht so schön aussieht wie bei ihr: Kompression muss sein. © BVMed

Schon konservative Maßnahmen führen oft zur Ödemfreiheit. Doch was tun, wenn sie kontraindiziert sind oder nicht das gewünschte Ergebnis liefern? Eine aktuelle Leitlinie bewertet die Therapieangebote des Lymphödems.

Da sich das Lymphödem nicht heilen lässt, strebt die Therapie einen ödemfreien Zustand bzw. ein niedrigeres Krankheitsstadium an. Standard in der konservativen Behandlung ist nach wie vor die komplexe physikalische Entstauungstherapie (KPE). Sie besteht aus den folgenden fünf Komponenten:

  • Hautpflege (bzw. Hautsanierung),
  • manuelle Lymphdrainage,
  • Kompressionstherapie,
  • entstauungsfördernde Sport- und Bewegungstherapie sowie
  • Schulung zur Selbstbehandlung.

Frequenz und Intensität an aktuellen Befund anpassen

Außerdem gliedert sich die KPE in zwei Phasen: In der ersten Phase wird die vermehrte interstitielle Flüssigkeit mobilisiert, um die Gewebshomöo-stase zu normalisieren. Sie sollte ein- bis zweimal täglich in einer spezialisierten Einrichtung erfolgen (stationär oder ambulant) und kommt bei Bedarf, z.B. bei interkurrenten Erkrankungen, wiederholt zum Einsatz. Phase II dient der Optimierung des Therapieerfolges, wobei sich Frequenz und Intensität der KPE-Komponenten nach dem aktuellen Befund richten, schreibt die aktuelle S2k-Leitlinie unter Federführung der Gesellschaft deutschsprachiger Lymphologen (GDL).

Durch die KPE gehen Schwellung, Schwere- und Spannungsgefühl stark zurück, Beweglichkeit sowie lymphatische Hautveränderungen bessern sich deutlich. Zudem belegen Ultraschallaufnahmen eine Reduktion von Fibrose und Fibrosklerose. Langfristig verringert sich auch die Zahl der Erysipelschübe.

Stadien des Lymphödems

  • Stadium 0: Latenzstadium, noch nicht klinisch apparent, aber z.T. pathologische Lymphszintigraphie
  • Stadium I: weiche Konsistenz, spontan reversibel, Hochlagern reduziert Schwellung
  • Stadium II: Ödem mit sekundären Gewebsveränderungen, häufig Lymphzysten, subkutane Fisteln, spontan nicht reversibel, keine Reduktion durch Hochlagern
  • Stadium III: deformierende harte Schwellung, z.T. mit typischen Hautveränderungen

Ein unverzichtbarer Bestandteil der KPE ist die Kompression. Sie sollte in Phase I mit mehrlagigen Wechselverbänden erfolgen, in Phase II mit maßgefertigten, flachgestrickten Kompressionsstrümpfen. Ab einem fortgeschrittenen Krankheitsstadium erfolgt eine dauerhafte Kompression.

Als Bewegungstherapie eignen sich z.B. Walking, Radfahren, Schwimmen und Wassergymnastik. Auch intensive Atemtherapie kann den Lymph- sowie den venösen Blutfluss steigern. Unerlässlich ist außerdem die tägliche Hautpflege, um Sekundärinfektionen zu vermeiden. Verletzungen, stauungsbedingte Läsionen wie rupturierte Zysten oder Fisteln und Superinfektionen müssen sofort behandelt werden. Die isolierte Anwendung einzelner KPE-Komponenten lehnen die Leitlinienautoren wegen der geringeren Wirksamkeit ab, insbesondere die manuelle Lymphdrainage eignet sich nicht als Monotherapie.

Von elastischem Lymphtape halten Experten nichts

Eine Gewichtsreduktion kann die Behandlung unterstützen, denn eine Adipositas verschlechtert die Funktion der Lymphgefäße und gilt als wichtiger Risikofaktor für die Entwicklung eines sekundären Lymph­ödems. Ab einem BMI > 40 kg/m2 sollte man mit dem Patienten über eine bariatrische OP sprechen.

KPE ist nicht für jeden geeignet

  • absolute Kontraindikation: dekompensierte Herzinsuffizienz, tiefe Beinvenenthrombose, erosive Dermatosen, pAVK* Stadium III/IV, akutes schweres Erysipel
  • relative Kontraindikation: malignes Lymphödem, Hautinfektionen, pAVK Stadium I/II

*periphere arterielle Verschlusskrankheit

Potenziell ergänzt die apparative intermittierende Kompression die KPE, bei der sich die Flüssigkeit aus den Gewebespalten nach zentral verschiebt. Von ihr profitieren v.a. Patienten mit distal betontem Arm- oder Beinlymphödem (ohne Rumpfbeteiligung) und eingeschränkter Mobilität. Von einem elastischen Lymph- tape als Kompressionsersatz raten die Experten dagegen ab. Auch als Zusatz unter dem Strumpf reduziert es weder das Ödemvolumen noch den Spannungsschmerz.

Für Thermotherapie und Softlaser ließen sich ebenfalls keine Wirkungen nachweisen. Rekonstruktive OP vermögen die Lebensqualität dagegen beträchtlich zu steigern. So werden sichtbare (Arm-)Ödeme oft als stigmatisierend empfunden – mit entsprechendem Leidensdruck. Bei hoher Therapieadhärenz und dennoch starkem Leidensdruck bzw. einer Zunahme von sekundären Gewebeveränderungen kann der chirurgische Eingriff in Betracht kommen. Eine mindestens sechsmonatige KPE sollte jedoch der OP vorangehen.

Keine Eingriffe bei maligner Stauung Zur Behandlung eines Armödems nach Axilladissektion oder einseitiger Beinödeme eignet sich die mikrochirurgische autogene Lymphgefäßtransplantation. Mit ihrer Hilfe lässt sich die Drainage langfristig verbessern, sogar eine Normalisierung des Lymphabstromes ist möglich. Wenn keine zusätzliche venöse Abflussbehinderung besteht, gelingt mittels lymphovenöser Anastomosen eine dauerhafte Besserung von primären sowie sekundären Lymphödemen. Resektive Verfahren bleiben Patienten mit schweren Lymphödemen (Stadium II/III) an Extremitäten oder Genitalien vorbehalten. Kontraindiziert sind OP bei malignen Lymph­ödemen.

Quelle: S2k-Leitlinie „Diagnostik und Therapie der Lymph­ödeme“ www.awmf.org, AMWF-Register-Nr. 058-001

Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).


Auch, wenn's nicht so schön aussieht wie bei ihr: Kompression muss sein. Auch, wenn's nicht so schön aussieht wie bei ihr: Kompression muss sein. © BVMed