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Genaue Untersuchung verhilft Patienten mit Ödemen rechtzeitig zur Therapie

Fünfzehn Jahre lang wurde der geschwollene rechte Fuß eines 75-jährigen Mannes nicht behandelt. Akute Beschwerden führen ihn nun in die Klinik: hohes Fieber, Schüttelfrost, verdickter Unterschenkel mit flächiger Rötung. Letztere entpuppt sich als Erysipel. Eine gängige Komplikation, die sich bei früherer Diagnose des zugrunde liegenden Lymphödems hätte vermeiden lassen. Doch gerade leichte Lymphödeme werden häufig erst spät erkannt, schreiben der in Frankfurt niedergelassene Phlebologe Dr. Florian Präve und die Angiologin Dr. Kerstin Hoffmann.
Ein ähnlich langes Laborieren haben die Kollegen auch schon bei Patienten mit Stammvarikosis oder Lipödem erlebt. Dabei sind frühzeitige Diagnostik und Therapie besonders wichtig, um ggf. schwer verlaufende Folgeschäden zu vermeiden. Wie geht man also am besten vor, wenn sich in der Praxis jemand mit „dickem/n Bein/en“ vorstellt?
Eine strukturierte Anamnese weist den Weg. Neben Vorerkrankungen wie Venenleiden, Herzinsuffizienz und orthopädischen Problemen (OP?) sollte man den Charakter der Symptome genau erfragen (s. Kasten).
Genau nachhaken
- Lokalisation, Symmetrie, Verfärbung
- Erstauftreten, Dauer, Tagesverlauf
- abhängig von Position oder Temperatur?
- Medikamente, hormonelle Trigger
- Arbeitssituation, Mobilität
- ggf. Schmerzcharakter, -auslöser
- Hämatomneigung
- Konsistenz des Ödems (teigig weich, prall elastisch, derb fibrotisch, Dellenbildung etc.)
- dermatologischer Status (Atrophie blanche, Ulkus, Erysipel)
- Varikose (z.B. tastbare Faszienlücken bei Perforans-Varikose)
- Lymphknotenstatus
- orthopädischer Status (Fußstatik, Knie und Hüfte, M. Sudeck)
- neurologischer Status (Paresen, Sensibilitätsstörung)
- Sonstiges (Trauma, Stiche/Bisse, Selbstverletzung etc.)
Homan, Meyer und Payr reichen nicht aus
Trat die Beinschwellung akut auf, muss eine tiefe Venenthrombose ausgeschlossen werden. Einseitige Schmerzen sprechen besonders für ein Gerinnsel. Eine Verfärbung kann, muss aber nicht vorliegen. Die Diagnostik folgt einem etablierten Algorithmus mit Wells-Score, D-Dimer-Test und Kompressionssonographie. Sensitivität und Spezifität der klinischen Zeichen (Homan, Meyer, Payr) reichen nicht aus. Bestehen seit Längerem Ödeme, kommen aus angiologischer Sicht v.a. drei Krankheitsbilder infrage: chronisch-venöse Insuffizienz (CVI), Lymph- und Lipödem. Erstere fußt am häufigsten auf einer Varikose mit retrograder Strömungsinsuffizienz oder auf einem postthrombotischen Syndrom. Klinisch weisen Besenreiser in Knöchelnähe (Corona phlebectatica) und das Verstreichen der dorsalen Knöchelstruktur (Bisgaard-Kulisse) auf eine CVI hin. Gewichtsnormalisierung, körperliche Aktivität und insbesondere Kompressionsstrümpfe gehören zur Basistherapie der primären Varikose.Strümpfe der Klasse I für Ältere alltagstauglicher
Als Standard bezeichnen die Kollegen Kompressionsklasse II. Strümpfe der Klasse I seien aber auch effektiv und eignen sich z.B. bei älteren, inoperablen Patienten, da sie sich leichter anziehen lassen. Grundsätzlich gelten hämodynamisch relevante Varikosen von V. saphena magna/parva oder Vv. perforantes als Indikation für einen Eingriff. Ein postthrombotisches Syndrom entwickeln bis zu 50 % der Patienten. Das Risiko kann durch einen raschen Therapiebeginn des initialen Ereignisses (Antikoagulation, Kompression) gesenkt werden. Leichte Formen des Syndroms kommen ohne interventionelle Maßnahmen aus. In der Regel genügen Kniestrümpfe der Klasse II. Mitunter verschließen intraluminale oder endotheliale destruktive Prozesse die Vene aber vollständig. Die Behandlung des Lymphödems beginnt mit einer Enstauung (manuelle Lymphdrainage und Kompressionsverbände über mehrere Wochen), der sich eine Konservierungsphase anschließt. Zudem müssen die Patienten ihre Füße konsequent pflegen, um Infektionen wie ein Erysipel zu vermeiden. Die Hautentzündung kann umgekehrt aber auch Auslöser eines Lymphödems sein, bei dem sich eiweißreiches Exsudat im Interstitium sammelt.Lipödem spannt und macht berührungsempfindlich
Im Initialstadium lässt sich die Schwellung noch eindrücken. Wer das Stemmer-Zeichen findet, hat die Diagnose quasi gestellt. Zur Erinnerung: Bei dem Zeichen ist ein Abheben der verdickten Haut an den Zehen (v.a. am zweiten) nicht möglich. Taucht die Flüssigkeitsansammlung primär in den Oberschenkeln auf, spricht das für neoplastische, radiogene oder postoperative Ereignisse im Becken als Ursache, erklären die Autoren. Anlagebedingt treten nur etwa 1 % aller Lymphödeme auf. Das Lipödem von einer reinen Adipositas zu unterscheiden, fällt mitunter schwer. Eine Abgrenzung ist mit Hinblick auf die Kostenübernahme aber wichtig. Betroffene klagen über Spannungsgefühle, Druck- und Berührungsempfindlichkeit sowie dumpfe, teils spontane Schmerzen. Letztlich handelt es sich um eine Ausschlussdiagnose.Quelle: Präve F, Hoffmann K. Dtsch Med Wochenschr 2019; 144: 398-410
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