Lymphödem: Es läuft einfach schlecht

Dr. Dorothea Ranft

Die Inzidenz des sekundären Lymphödems liegt bei 0,13–2 %.
Die Inzidenz des sekundären Lymphödems liegt bei 0,13–2 %. © fotolia/vpardi

Wenn ein Patient mit einer chronischen Bein- oder Armschwellung in der Praxis erscheint, sollte man auch an ein Lymphödem denken. Eine aktuelle Leitlinie erläutert, wann in solchen Fällen eine klinische Diagnostik genügt und wann apparative Verfahren gebraucht werden.

Beim Lymphödem unterscheidet man zwei Formen: primär und sekundär. Das primäre Ödem ist zwar genetisch bedingt, kann sich aber auch erst im späteren Alter manifestieren. Die Mehrzahl der Lymphödeme entsteht jedoch sekundär durch eine Unterbrechung der Drainage etwa bei einer Axilladissektion wegen Brustkrebs. Auch ohne einen zuvor bekannten Tumor ist jedes Lymphödem krebsverdächtig. Denn ein Befall von Lymphknoten- und -gefäßen behindert den Abfluss massiv, heißt es in der S2k-Leitlinie, die unter Federführung der Gesellschaft deutschsprachiger Lymphologen (GDL) erstellt wurde.

Erysipele und Pilzinfektionen durch gebremste Immunzellen

Anhand der Symptome lässt sich das Lymphödem in vier Stadien einteilen. Während das Latenzstadium (0) noch klinisch unauffällig ist, zeichnet sich das spontan reversible Stadium I durch vermehrte interstitielle Flüssigkeit und weiche Konsistenz aus.

In fortgeschrittenen Stadien (II, III) kommt es zu einer Verdickung von Kutis und Subkutis und zu trophischen Veränderungen der Epidermis, z.B. Hyperpigmentierung oder Elefantenhaut.

Die Ödeme dieser Stadien lassen sich nicht durch Hochlagern reduzieren. Die gestörte Immunabwehr führt u.a. öfters zu Erysipelen und Pilzinfektionen. In den meisten Fällen genügt eine Basisdiagnostik mit gründlicher Anamnese, Inspektion und Palpa­tion zur klinischen Einschätzung.

Die Anamnese beinhaltet Fragen zu: 

  • familiär gehäuften Lymphödemen 
  • Operationen
  • Vorerkrankungen einschließlich abgelaufener Entzündungen, z.B. Erysipel, Erythema migrans, Zeckenstiche
  • Hautveränderungen
  • Medikation (u.a. Diuretika, Chemotherapie) 
  • Gewichtsschwankungen 
  • Unfällen
  • Auslandsaufenthalten 
  • spezieller Ödemanamnese: Erstlokalisation, Ausbreitung, Begleitsymptome, z.B. Schmerz, Hämatomneigung, Flüssigkeitsaustritt.

Der Patient sollte außerdem alle relevanten Vorbefunde zumindest von den letzten drei Jahren mitbringen. Die Autoren raten, während der Inspektion – im Stehen und Liegen – auf eine Umfangs- und Längendifferenz der Extremitäten (Hemihypertrophie) zu achten. Zudem gilt es, nach typischen (potenziell malignen) Hautveränderungen wie Lymphzysten, vertieften Falten oder einer Kastenform der Zehen zu fahnden, ebenso nach venösen Auffälligkeiten.

Weich, elastisch, derb oder hart?

Die Palpation gibt Auskunft über den Zustand der Lymphknoten, also z.B. Größe, Konsistenz, Verschieblichkeit, Druckdolenz, und der Konsistenz des Ödems – von teigig-weich über prall-elastisch, derb-fibrotisch bis hart-induriert. Mit dem Fingerdruck kann man Eindellbarkeit bzw. ausdrückbare Lymphzysten prüfen und mit dem Stemmer-Zeichen, ob das Gewebe verhärtet ist. Dabei lässt sich die Haut an der proximalen Phalanx von Fingern bzw. Zehen des zweiten und/oder dritten Strahls nicht oder nur vermindert abheben.

Fett oder Lymphe?

Das Lymphödem unterscheidet sich vom Lipödem, bei dem es zu einer symmetrischen, druck- und schmerzempfindlichen Akkumulation von Fettgewebe kommt, meist an Hüfte und Oberschenkel. Das Lymphgefäßsystem ist dabei primär nicht betroffen, erst im fortgeschrittenen Stadium kann es zu einem Lipolymph­ödem kommen.

Die Leitlinie umfasst in ihrem Anhang eine Checkliste für die Basisdiagnostik, zu finden unter www.awmf.org. Die Basisdiagnostik ermöglicht i.d.R. eine zuverlässige Beurteilung von Ätiologie, Stadium und Lokalisation des Lymphödems. Außerdem liefert sie Hinweise auf Einschränkungen im Alltag, z.B. Schmerzen, Spannungsgefühl oder verringerte Beweglichkeit. Wenn keine relevanten Begleiterkrankungen und mindestens Stadium II vorliegen, kann man nun eine Therapie einleiten. Eine weiterführende Diagnostik ist jedoch u.a. indiziert bei:
  • Frühstadium 
  • Verdacht auf thorakale/abdominelle Beteiligung 
  • kardialer Komorbidität 
  • kombinierter Genese 
  • OP-Planung
Als morphologisches Verfahren kommt z.B. die Sonographie in Betracht. Sie dient vor allem dem Nachweis interstitieller Flüssigkeit und sekundärer Gewebeveränderungen (z.B. Fibrose) sowie der Lymphknotendiagnostik und der Differenzierung vom Phlebödem. Auch zur Therapie- und Verlaufskontrolle eignet sich der Ultraschall, die Diagnose im frühen Erkrankungsstadium ist dagegen meist nicht möglich.

Szinitigraphie zeigt, ob es vorwärts geht

Die Funktionslymphszintigraphie erlaubt die Quantifizierung des Lymphtransports. Man setzt sie vorwiegend zum Nachweis von Stadium 0 oder I und bei Extremitätenschwellungen unklarer Genese ein, aber auch zur Planung mikrochirurgischer Eingriffe. Da der Lymph­fluss unter Ruhebedingungen zu langsam ist, wird er z.B. durch Gehen auf einem Laufband (Beine) oder rhythmischen Faustschluss (Arme) aktiviert. Die MRT hat sich als diagnostischer Goldstandard zum Nachweis lymphatischer Malformationen etabliert.

S2k-Leitlinie „Diagnostik und Therapie der Lymph­ödeme“, www.awmf.org, AMWF-Register-Nr. 058-001

Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).


Die Inzidenz des sekundären Lymphödems liegt bei 0,13–2 %.
Die Inzidenz des sekundären Lymphödems liegt bei 0,13–2 %. © fotolia/vpardi