Am Angioödem erstickt: Schwellungen ohne Juckreiz ernst nehmen

Dr. Dorothea Ranft

Larynxödeme sind die Todesursache Nr. 1 bei Patienten mit hereditärem Angioödem. Larynxödeme sind die Todesursache Nr. 1 bei Patienten mit hereditärem Angioödem. © iStock.com/Tashi-Delek

Beim hereditären Angioödem durch C1-Inhibitor-Mangel sind vor allem Schwellungen im Larynx gefährlich. An ihnen kann der Patient ersticken – noch bevor er seine Krankheit kennt. Durch gezielte Diagnostik, Anfallstherapie und Prophylaxe lässt sich die Mortalität deutlich senken.

In der überwiegenden Mehrzahl wird das durch einen C1-Inhibitor-Mangel bedingte hereditäre Angioödem (HAE-C1-INH) autosomal dominant vererbt. Aber zu etwa 20 % liegt eine Neumutation vor. Man muss also auch damit rechnen, wenn die Erkrankung in der Familie noch nicht bekannt ist. Der C1-INH-Mangel führt zu einer Aktivierung der ersten Schritte der Komplementkaskade. Dadurch liegt auch die Komplementkomponente C4 fast immer zu niedrig, heißt es im Leitlinien-Update der Deutschen Gesellschaft für Angioödeme (DGA) und weiterer Fachgesellschaften. Die Krankheit ist durch rezidivierende Ödeme aufgrund vermehrter Bradykininbildung gekennzeichnet.

Stöße, Stress und Infekte sind die häufigsten Auslöser

Typisch dafür: Hautschwellungen im Gesicht, an den Extremitäten und im Genitalbereich. Sie gehen fast nie mit Juckreiz einher, können aber sehr schmerzhaft sein, schreibt das Autorenteam um Professor Dr. Konrad Bork von der Hautklinik der Universitätsmedizin Mainz. Bei den meisten Patienten treten zudem gastrointestinale Symptome auf, vor allem massive Bauchschmerzen und Übelkeit, die ggf. als Appendizitis missgedeutet werden.

Zu den häufigsten Auslösern der Ödeme gehören Traumata (z.B. Stöße), psychischer Stress und Infetionskrankheiten. Die häufigste Todesursache ist das Ersticken durch ein Larynxödem. Die supraglottische Schwellung bildet sich nicht selten nach einem Eingriff an der Mundhöhle (Tonsillektomie, Zahnextraktion etc.) und kann noch 24 Stunden nach dem Eingriff auftreten.

Der C1-INH-Mangel manifestiert sich meist im ersten oder zweiten Lebensjahrzehnt. Innerhalb einer Familie finden sich oft sehr unterschiedlich starke Ausprägungen. ACE-Hemmer verstärken die Neigung zu Ödem-Attacken, auch AT₁-Antagonisten gilt es aus diesem Grund zu meiden. Östrogene (Kontrazeptiva, Hormonersatztherapie) können die Krankheit ebenfalls verschlimmern.

Kein Suchtest!

Beim Verdacht auf ein hereditäres Angioödem durch C1-Inhibitormangel sollten drei Parameter bestimmt werden, die C1-INH-Aktivität, die C1-INH-Konzentration und C4. Durch „Suchtests“ mit nur einem dieser Parameter lässt sich ein hereditäres Angioödem weder beweisen noch ausschließen. Bei pathologischen Werten empfiehlt sich die Kontrolle in einem Zentrum. Bei einem Defizit sollten blutsverwandte Familienangehörige auf einen C1-INH-Mangel untersucht werden.

Therapeutisch werden zwei Strategien unterschieden: Attacken-Behandlung und Dauerprophylaxe. Alle Patienten sollten eine Bedarfsmedikation erhalten, die dafür sorgt, dass sich die Schwellung früher zurückbildet. Nicht jedes kleine Ödem bedarf der Intervention. Funktionell einschränkende Schwellungen sollten aber auf jeden Fall behandelt werden, betonen die Autoren, und Patienten mit Larynx- oder Pharynx-Ödem müssen notfallmäßig ins Krankenhaus. Zur Anfallstherapie eignet sich beispielsweise C1-Inhibitor-Konzentrat, das die inhibitorische Kontrolle der Kallikrein-Kinin-Kaskade wiederherstellt. Es wird zur intravenösen Applikation angeboten und eignet sich auch zur Selbstbehandlung zu Hause. Einen anderen Wirkmechanismus hat das subkutan injizierte Icatibant. Es antagonisiert die Bindung von Bradykinin an den Bradykinin-B2-Rezeptor. Eine weitere Option stellt Conestat alfa, ein rekombinanter (rh) C1-Inhibitor zur intravenösen Anwendung, dar.

Gestagene und Tranexamsäure können prophylaktisch wirken

Eine Langzeitprophylaxe kommt in Betracht, wenn sich mit der Bedarfstherapie keine ausreichende Symptomkontrolle erreichen lässt. Das ist z.B. der Fall, wenn weiterhin mehr als zwölf schwere Attacken im Jahr auftreten. Zur Dauerprophylaxe eignet sich das auch in der Akuttherapie eingesetzte C1-INH-Konzentrat. Das Antifibrinolytikum Tranexamsäure hat sich ebenfalls als wirksam erwiesen. Bei Frauen können Gestagene in der zur Kontrazeption empfohlenen Dosis hilfreich sein.

Betroffene sollten einen Notfallausweis mit sich führen

Vor Eingriffen im Mundbereich oder in den oberen Atem- und Speisewegen (beispielsweise Zahnextraktion) wird eine Kurzprophylaxe mit C1-INH-Konzentrat empfohlen. Grundsätzlich plädieren die Leitlinienautoren dafür, Angio­ödem-Patienten mit C1-INH-Mangel durch den Hausarzt zu betreuen – in Zusammenarbeit mit einem Spezialzentrum. Sie sollten zudem einen Notfallausweis erhalten. Bei Schulkindern muss der Lehrer informiert werden, dass Attacken auftreten können und wie sie behandelt werden.

Quelle: S1-Leitlinie „Hereditäres Angioödem durch C1-Inhibitor-Mangel“, AWMF-Register Nr. 061/029

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Larynxödeme sind die Todesursache Nr. 1 bei Patienten mit hereditärem Angioödem. Larynxödeme sind die Todesursache Nr. 1 bei Patienten mit hereditärem Angioödem. © iStock.com/Tashi-Delek