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Cartoon Medizin und Markt
Schluss mit Schäfchenzählen

Auch heute noch erfährt man im Medizinstudium so gut wie nichts über Schlafstörungen, beklagte Professor Dr. Ingo Fietze vom Interdisziplinären Schlafzentrum der Charité – Universitätsmedizin Berlin. Er wies darauf hin, dass über 30 Jahre lang kein neues Hypnotikum auf den Markt gekommen sei. Dabei leide hierzulande jeder Vierte unter einer Schlafstörung mit eingeschränkter Schlafqualität, bei den Älteren sogar jeder Dritte. Etwa 10 % der Menschen in unserem Land weisen eine voll ausgeprägte Insomnie auf, berichtete der Referent.
Die Prä-Insomnie ist vor allem durch den sogenannten sensiblen Schläfer gekennzeichnet. Wie bei der Prinzessin auf der Erbse lassen sich diese Menschen im Schlaf durch Kleinigkeiten stören: Mondlicht oder leise Geräusche, Bewegungen des Partners oder der Espresso nach dem Abendessen. Von milder Insomnie spricht man, wenn zwei- bis dreimal pro Woche Einschlafstörungen, Durchschlafschwierigkeiten oder frühmorgendliches Erwachen vorliegen. Ein Nickerchen am Tag ist diesen Patienten aber noch möglich, und am Wochenende und im Urlaub ist ihr Schlaf normal.
Pflanzliche Schlafhilfen bei leichter Insomnie
Bei schwerer Insomnie leiden die Betroffenen an mehr als drei Tagen in der Woche unter ihren Schlafstörungen und können auch tagsüber trotz ausgeprägter Müdigkeit nicht schlafen. Selbst im Urlaub bessert sich der Schlaf nicht. Diese Patienten muss man in der Regel medikamentös behandeln, betonte der Experte. Tipps zur Schlafhygiene haben Patienten mit chronischer schwerer Insomnie meist schon alle durchprobiert, genauso wie die üblicherweise empfohlenen Entspannungsübungen.
Bei anhaltender Insomnie ist die Mortalität des Erkrankten deutlich erhöht, sein Immunsystem durch den Schlafmangel merklich geschwächt. Es gilt als erwiesen, dass eine Insomnie bei Krebspatienten das Tumorwachstum triggert. Vor Impfungen ist guter Schlaf besonders wichtig, da andernfalls weniger schützende Antikörper gebildet werden.
Bei leichter Insomnie können pflanzliche Schlafhilfen sinnvoll sein. Präparate mit Passionsblume, Johanniskraut und Lavendel wirken Ängsten entgegen. Die Wirkstoffe aus Rotem Klee, Grüner Minze und das Theanin des Grüntees beruhigen und bessern den Schlaf. Auch Zubereitungen aus Kamille, Pfefferminze, Sakehefe und Pfingstrose, aus Baldrian, Hopfen oder Ashwagandha haben bei Schlafstörungen ihren Platz, so Prof. Fietze.
Ein Therapieversuch mit den pflanzlichen Mitteln sollte über vier Wochen erfolgen. Auch eine vierwöchige Behandlung mit Tryptophan (500–1000 mg/d) oder – bei älteren Menschen ab 55 Jahren – mit Melatonin kann sich lohnen. Spezielle Einschlafmusik oder eine Aromatherapie mit Lavendel- und Pfefferminzöl wirkt oft unterstützend.
Benzodiazepine sind schlechteste Wahl
Regelmäßig kommt man bei schwererer Insomnie aber nicht um chemisch-synthetische Arzneimittel herum, ist die Erfahrung des Schlafmediziners. Dabei sind Benzodiazepine eindeutig die schlechteste Wahl, machte Prof. Fietze deutlich. Am besten geeignet sind aus seiner Sicht die sogenannten Z-Substanzen Zolpidem, Zopiclon sowie das neuere Eszopiclon. Oft reichen die empfohlenen vier Wochen nicht aus, berichtete der Experte.
Schlaf mit Tabletten gesünder als erhebliche Schlafprobleme
Einige Patienten benötigen, ähnlich wie es bei der Therapie von Hypertonikern der Fall ist, eine dauerhafte Behandlung. Vor allem für Eszopiclon ist ihm zufolge ein guter Effekt über sechs bis zwölf Monate nachgewiesen. Langzeitnebenwirkungen seien kaum zu erwarten, und ein Wirkverlust der Z-Substanzen über die Zeit lasse sich nur bei etwa 15 % der Anwender beobachten.
Generell müsse man bedenken, dass ein Schlaf mit Tabletten immer noch gesünder ist als erhebliche und langanhaltende Schlafprobleme, schloss Prof. Fietze. Niemand, der nachts nur zwei bis drei Stunden schläft, sei am nächsten Tag arbeitsfähig, betonte er.
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