Schnelle renale Ersatztherapie nicht besser als Standardbehandlung

Dr. Elke Ruchalla/Dr. Barbara Kreutzkamp

Die rasche Dialyse bringt bei akutem Nierenversagen nicht automatisch Vorteile. Die rasche Dialyse bringt bei akutem Nierenversagen nicht automatisch Vorteile. © iStock/saengsuriya13

Macht die Niere des Patienten akut schlapp, sollte man mit der Nierenersatztherapie warten, bis Komplikationen auftreten. Ein schnelles Einleiten der Dialyse bzw. Hämofiltration ist mit mehr Nebenwirkungen verbunden, die Mortalität unterscheidet sich bei den beiden Ansätzen aber nicht.

Akutes Nierenversagen ist eine häufige Komplikation bei intensivmedizinisch versorgten Patienten und erfordert oft eine Nierenersatztherapie. Bisher waren die Entwicklung von Komplikationen wie metabolische Entgleisungen mit Azidose, Hyperkaliämie oder Urämie sowie Flüssigkeitsdysbalancen Indikationen für das Einleiten der Hämo- oder Peritonealdialyse bzw. eine Transplantation. Experten sind sich aber uneins, ob Dialyse bzw. Blutfilterung auch dann erfolgen sollten, wenn zwar eine schwere akute Niereninsuffizienz mit steigender Kreatininkonzentration ggf. plus Anurie, aber keine Komplikationen vorliegen.

Potenzielle Risiken der Behandlung bedenken

Einerseits gibt es Hinweise, dass eine Entlastung der Nieren noch vor Manifestation insuffizienzbedingter Komplikationen im Hinblick auf Morbidität und Mortalität Vorteile bringt. Andererseits werden durch ein zu frühes Eingreifen Patienten, die gar keine Komplikationen entwickeln werden, den potenziellen Risiken der Behandlung ausgesetzt.

Das Team um Professor Dr. Stéphane­ Gaudry vom Département de Réanimation Médico-Chirurgicale vom AP-HP Hôpital Avicenne in Bobigny wollte es genau wissen und wertete in einer Metaanalyse neun aktuelle Studien aus. Anhand individueller Patientendaten identifizierten sie 1879 Schwerkranke mit akutem Nierenversagen. Die Teilnehmer hatten nach dem Zufalls­prinzip entweder sofort eine renale Ersatztherapie erhalten oder die behandelnden Ärzte hatten damit zunächst zwischen 25 und 57 Stunden gewartet.

Blutwäsche wurde in 42 % der Fälle überflüssig

Wie die Wissenschaftler feststellten, starben mit hinausgezögerter Dialyse bzw. Hämofiltration bis Tag 28 nicht mehr Patienten als unter sofortiger Behandlung (44 % vs. 43 %). Gleiches galt auch nach 60 sowie nach 90 Tagen – der Tod wurde also nicht einfach hinausgeschoben. Ebenso spielten Alter, Geschlecht, Begleitdiagnosen und auch eine chronische Niereninsuffizienz für das Ergebnis keine Rolle. Allerdings geben Prof. Gaudry und seine Kollegen zu bedenken, dass für diese sekundären Endpunkte und Untergruppen die Aussagekraft der Auswertung eingeschränkt ist. Fast die Hälfte (42 %) der Patienten, bei denen man abwartete, benötigten überhaupt kein derartiges Verfahren mehr. Paradoxerweise führte das nicht dazu, dass diese Gruppe im Schnitt mehr Tage dialyse- bzw. filtrationsfrei verbrachte – dafür sind aber vermutlich methodische Gründe verantwortlich, so die Autoren.

Für zusätzliche Klarheit sorgen die Ergebnisse der multinationalen STARRT-AKI*-Studie. Verglichen wurde die 90-Tage-Mortalität bei Patienten mit akutem Nierenversagen bei raschem Beginn der Ersatztherapie und dem Standardvorgehen. Einbezogen in die randomisierte Studie waren 3019 Intensivpatienten mit akuter Niereninsuffizienz und konsekutivem Nierenversagen im Stadium 2 oder 3.

In der ersten Gruppe wurde die Therapie innerhalb von zwölf Stunden nach Eintritt eines Nierenversagens eingeleitet – definiert nach festgelegten Serumkreatininparametern oder einer insuffizienten Urinproduktion. In der anderen Gruppe wartete man entsprechend dem Standardvorgehen bis zum Eintreten von Komplikationen ab. Eine Nierenersatztherapie war in dieser Gruppe nicht verpflichtend vorgegeben.

Das frühe Eingreifen reduzierte die Mortalitätsrate nicht und erhöhte die Inzidenz von Nebenwirkungen: Die 90-Tage-Sterberaten lagen bei 43,9 % in der Interventionsgruppe und bei 43,7 % in der Standardgruppe. Von den Überlebenden benötigten nach 90 Tagen noch 10,4 % der Patienten in der Interventionsgruppe und 6,0 % der Kontrollgruppe die Ersatztherapie. Nebenwirkungen wie Hypotonie und Hypophosphatämie traten mit 23,0 % vs. 16,5 % unter der schnell eingeleiteten Nierenersatztherapie häufiger auf, bei schweren Nebenwirkungen bestand kein Unterschied.

* Standard versus Accelerated Initiation of Renal-Replacement Therapy in Acute Kidney Injury

Quellen:
1. Gaudry S et al. Lancet 2020; 395: 1506-1515; DOI: 10.1016/S0140-6736(20)30531-6
2. STARRT-AKI Investigators. N Engl J Med 2020; 383: 240-251; DOI: 10.1056/NEJMoa2000741

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Die rasche Dialyse bringt bei akutem Nierenversagen nicht automatisch Vorteile. Die rasche Dialyse bringt bei akutem Nierenversagen nicht automatisch Vorteile. © iStock/saengsuriya13