Schweres Asthma: „Wir sind in der Pflicht, die verschiedenen Biologika zu testen“

Manuela Arand

Nach vier bis sechs Monaten den Effekt des Biologikums prüfen. Nach vier bis sechs Monaten den Effekt des Biologikums prüfen. © iStock.com/LSOphoto

Wer schweres Asthma nach Schema F mit oralen Kortikosteroiden therapiert, versündigt sich am Patienten, sagt der Mainzer Pneumologe Professor Dr. Roland Buhl. Er plädiert im Interview für den differenzierten Einsatz von Biologika. Unterstützung biete Ärzten das Register German Asthma Net e.V.

Wann sollte man darüber nachdenken, einen Asthmapatienten auf ein Biologikum einzustellen?

Prof. Buhl: Immer dann, wenn mit den „normalen“ inhalativen Medikamenten keine Asthmakontrolle zu erzielen ist. Vorausgesetzt, der Patient ist glaubhaft therapietreu und hat auch sonst alles getan, um das Asthma in den Griff zu bekommen – also bei entsprechender Allergie die Katze abgeschafft, das Rauchen aufgegeben …

Woran liegt es, dass das Potenzial der Biologika noch wenig genutzt wird?

Prof. Buhl: Zum einen ist vielen Kollegen die Wirksamkeit dieser Präparate noch nicht hinreichend bekannt. Sie haben zu wenige persönliche Erfahrungen damit und noch nicht bei eigenen Patienten erlebt, wie effektiv Biologika sind. Zum anderen sind die Präparate hochpreisig – damit spielen auch andere Erwägungen eine Rolle.

Warum sollten sich Kollegen mehr mit Biologika befassen?

Prof. Buhl: Die Zeit, in der die Behandlung von schwerem Asthma mit der Gabe von systemischem Kortison (OCS) gleichzusetzen war, ist endgültig vorbei. Für mich ist es heute ethisch nicht mehr zu rechtfertigen, alle schwer Betroffenen nach Schema F mit Prednison oral zu behandeln. Da versündigt man sich an seinen Patienten.

Sehen Sie relevante Unterschiede zwischen den einzelnen Klassen oder Substanzen?

Prof. Buhl: Zurzeit nicht. Nach der vorliegenden Evidenz und meiner klinischen Erfahrung sind die Bio­logika in ihren Hauptwirkungen gleichwertig. Sie verhindern alle zwischen 40 und 60 % der Exazerbationen und halbieren den oralen Kortisonbedarf. Die graduellen Unterschiede, die man in Studien sieht, sind wahrscheinlich vor allem methodisch bedingt.

Was man auch sagen muss: Alle haben eine Achillesferse. Bei allen gibt es Patienten, die gar nicht oder nur auf Produkt A ansprechen, aber auf Produkt B nicht, und niemand kann das im Einzelfall voraussehen.

Gibt es neben der allergischen Sensibilisierung, dem IgE und den Eosinophilen weitere Parameter, an denen Sie die Auswahl des Biologikums festmachen?

Prof. Buhl: Im Moment kommt für Patienten mit klarer allergischer Pathogenese nur Anti-IgE infrage, also Omalizumab. Ansonsten sind keine Biologika für allergisches Asthma zugelassen. Für das eosinophile Asthma haben wir zurzeit drei Optionen: Mepolizumab, Reslizumab und Benralizumab. Sie unterscheiden sich in einem wesentlichen Punkt: Eines gibt man in Fixdosis alle vier Wochen, das zweite gewichtsadaptiert und das dritte in Fixdosis alle acht Wochen.

Wenn ich diese Frage anspreche, sagt mir der eine Patient: Ich würde nie ein brandneues Auto kaufen, ich warte, bis die Kinderkrankheiten überstanden sind. Bei ihm wird man sich gemeinsam wahrscheinlich für das Präparat entscheiden, das am längsten im Markt ist. Der zweite Patient hat 20 Jahre lang täglich 25 mg orales Kortison genommen und wiegt jetzt 146 kg bei 168 cm Größe. Er neigt – rational oder nicht – oft zum Antikörper, der nach Gewicht dosiert wird. Der dritte schließlich ist beruflich eingebunden und sagt mir: Jeder Tag, an dem ich Sie nicht sehen muss, ist ein gewonnener Tag. Hier wird der Abstand zwischen den Injektionen wichtig. Das sind Kriterien, an denen ich zurzeit die Differenzialindikation festmache.

Demnächst bekommen wir noch Anti-IL-4/13 …

Prof. Buhl: Ja, es bleibt spannend. Dieses Präparat soll sowohl die allergische als auch die eosinophile Schiene bedienen. Für die eosinophile Schiene haben wir die Evidenz. Es fehlt noch der Nachweis der Wirksamkeit bei allergischem Asthma.

Und dann kommt Anti-TSLP.

Prof. Buhl: Anti-TSLP hat tatsächlich Potenzial für „One size fits all“. Die Daten in Phase II sind überzeugend. Aber ich habe in fast 30 Jahren Studienerfahrung gelernt, man soll die Phase II nie vor der Phase III loben. Die Phase III läuft gerade, also warten wir ab.

Die Therapie wird zunehmend unübersichtlich, ist sie nur noch etwas für Spezialisten?

Prof. Buhl: Kollegen, die sich nicht routinemäßig mit schwerem Asthma beschäftigen, tun sicher gut daran, wenn sie ihre ersten Biologika-Patienten gemeinsam mit einem versierten Zentrum betreuen. Je mehr Erfahrung sie gewinnen, umso sicherer werden sie bei künftigen Therapieentscheidungen.

Hilfestellung bietet auch das Register German Asthma Net e.V., das sich vor allem ums schwere Asthma kümmert. Da bekommt der Arzt mit fünf Klicks von uns eine Rückmeldung, ob sein Patient die Kriterien für die Verordnung eines bestimmten Biologikums erfüllt. Das gibt Verordnungssicherheit. Trotzdem sind aus meiner Sicht Ärzte und Kostenträger jetzt in der Pflicht, die verschiedenen Produkte gegeneinander zu testen. Nur so werden wir herausfinden, wofür wir sinnvollerweise langfristig Geld ausgeben sollten.

Wie sieht es mit dem Wechsel von Präparat A auf Präparat B aus? Würden Sie einem Patienten, der auf Anti-IgE nicht anspricht, auch mal ein Anti-IL-5 geben und umgekehrt?

Prof. Buhl: Ja. Ein Beispiel: Ein Patient leidet seit der Kindheit unter Heuschnupfen, hat mit 14 Jahren Asthma bekommen und ist seither schwer erkrankt. Er reagiert auf Allergene und hat ein IgE im richtigen Rahmen – so jemanden würde ich immer zuerst mit Anti-IgE behandeln. Weist er außerdem 400, 500 Eosinophile/µl auf und schlägt Omalizumab nicht an, setze ich ihn nach zwei bis drei Monaten Auswaschphase auf ein Anti-IL-5.

Das funktioniert in vielen Fällen auch andersherum: Es gibt eindeutig eosinophile Patienten trotz positivem Allergie-Hauttest. Wenn Anti-IL-5 bei denen nicht wirkt, denke ich auch an eine Therapie mit Anti-IgE.

Wie und wann prüfen Sie, ob der Patient anspricht?

Prof. Buhl: Man sollte sich vor Therapiebeginn mit dem Patienten zusammensetzen und sich in zehn Minuten schildern lassen, welche fünf bis zehn Punkte ihn an seinem Asthma am meisten beeinträchtigen. Die Antworten werden dokumentiert. Nach vier bis sechs Monaten unter dem Biologikum sehen wir, ob sich neben oralem Steroidbedarf und Exazerbationen in diesen individuell wichtigen Punkten etwas geändert hat.

Was machen Sie bei einem Patienten mit schwerem, nicht zu kon­trollierendem Asthma, der bereits aus anderer Indikation – z.B. Rheuma, Psoriasis oder Morbus Crohn – ein Biologikum erhält?

Prof. Buhl: Belegbare Evidenz für den gleichzeitigen Einsatz von zwei monoklonalen Antikörpern gibt es bislang nur aus der Onkologie. In der Asthmatherapie fehlen dagegen die Daten. Niemand weiß, was passiert, wenn wir einem Patienten, der aus welcher Indikation auch immer einen Anti-TNF-Antikörper bekommt, zusätzlich ein Anti-IL-5 geben.

Ich selbst habe einen solchen Patienten noch nicht gesehen. Wenn ich einen hätte, würde ich ihn zunächst auf die Risiken der dualen Behandlung hinweisen, dann käme er bei mir auf die geistige Intensivstation. Ich würde ihn häufig kontrollieren und schauen, ob es im Verlauf Nebenwirkungen gibt, die in Richtung Immunkomplexbildung etc. deuten. Das ist sicher ein Patient, der in ein erfahrenes Zentrum gehört. Und ins Register gehört er erst recht.

Interview: Manuela Arand

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Nach vier bis sechs Monaten den Effekt des Biologikums prüfen. Nach vier bis sechs Monaten den Effekt des Biologikums prüfen. © iStock.com/LSOphoto
Professor Dr. Roland Buhl; Medizinische Universitätsklinik Mainz Professor Dr. Roland Buhl; Medizinische Universitätsklinik Mainz © Markus Schmidt