
Steigende Inzidenz und wachsende Herausforderungen bei Endokarditiden

Zwischen 1970 und 2000 hatte die Inzidenz der infektiösen Endokarditis jährlich noch bei 5–7 Fälle pro 100 000 Personenjahre gelegen. Innerhalb der folgenden elf Jahre stieg sie auf etwa 15/100 000. Und noch immer handelt es sich um eine potenziell tödliche Erkrankung, betonen Dr. Scott A. Hubers und Kollegen von der Mayo Clinic in Rochester. Mykotische Aneurysmen als vaskuläre Manifestation beispielsweise gehen mit einer Mortalität von 30 % einher – bei einer Ruptur sterben sogar 80 % der Betroffenen.
Degenerative Klappenleiden und Klappenprothesen, aber auch Diabetes und Immunsuppression zählen zu den Risikofaktoren für eine Endokarditis. Der zunehmende Gebrauch von linksventrikulären Assist-Devices sowie die bessere Prognose von Personen mit angeborenem Herzfehler erweitern die gefährdete Gruppe. Wie stark die relativ neuen interventionellen Therapien (TAVI* etc.) in Hinblick auf Endokarditiden ins Gewicht fallen, muss sich noch zeigen.
Mit der wachsenden Zahl an Schrittmacher- und Defiimplantationen ging jedenfalls die Zahl deviceassoziierter Infektionen nach oben. Die steigende Komplikationsrate steht jedoch nicht im Verhältnis zu dem Plus an durchgeführten Eingriffen, bedauern die Autoren. Hat ein Patient ein entsprechendes Gerät, tragen Komorbiditäten, Revisionen und Hämatome in der Gewebstasche zum Endokarditisrisiko bei.
Obwohl man Entzündungen der Herzinnenhaut schon seit mehr als 350 Jahren kennt, gibt es Verbesserungsbedarf im Krankheitsmanagement. So sind die diagnostischen Duke-Kriterien nicht perfekt. Viele Patienten landen den Kollegen zufolge nur in der Kategorie „mögliche Infektion“. Zudem schränken Klappenprothesen die Zuverlässigkeit des Diagnosetools ein, vermutlich wegen der schwierigen Bildgebung: Bei Betroffenen mit künstlicher Herzklappe sinkt die Sensitivität eines transthorakalen Echos auf ca. 50 %.
Intrakardialer Ultraschall hat Potenzial
Nichtsdestotrotz gilt die Echokardiographie als Eckpfeiler der Diagnostik. Jeder Patient mit Verdacht sollte transthorakal geschallt werden. In bestimmten Situationen kann ein transösophageales Echo (TEE) die Sensitivität erhöhen. Valvuläre Vegetationen und lokale Komplikationen lassen sich damit gut charakterisieren. Wird eine Endokarditis chirurgisch saniert, kommt die TEE auch intraoperativ zum Einsatz. Neben der 3D-Echokardiographie als Ergänzung zum 2D-Verfahren sehen die Autoren Potenzial im intrakardialen Ultraschall via Katheter.
Immer wichtiger werden Kardio-CT und PET/CT. Letztere eignet sich besonders bei echokardiographisch fraglichen Schrittmacher- bzw. ICD-Infektionen. Beim Schallen sieht man nicht selten scheinbare Wachstumsprozesse an den Sonden. Bestätigt sich die Entzündung in der PET/CT nicht, sind diese unspezifischen Wucherungen offenbar irrelevant – zumindest für das Fünf-Jahres-Outcome.
Empirische Initialtherapie
- ambulant erworbene Nativklappen-Endokarditis oder späte Klappenprothesen-Endokarditis (≥ 12 Monate postop.): Ampicillin (12 g/d i.v. in 4–6 Dosen) plus Flucloxacillin/Oxacillin (12 g/d i.v. in 4–6 Dosen) plus Gentamicin (3 mg/kgKG/d i.v. oder i.m. in einer Dosis)
oder
Vancomycin (30–60 mg/kgKG/d i.v. in 2–3 Dosen) plus Gentamicin (3 mg/kgKG/d i.v. oder i.m. in einer Dosis) - Frühe Klappenprothesen-Endokarditis oder nosokomiale bzw. mit der Klinikversorgung assoziierte Entzündung: Vancomycin (30 mg/kgKG/d i.v. in 2 Dosen) plus Gentamicin (3 mg/kgKG/d i.v. oder i.m. in einer Dosis) plus Rifampicin (900–1200 mg/d i.v. oder oral in 2 oder 3 geteilten Dosen)
* Habib G et al. Eur Heart J 2015; 36: 3075-3128; DOI: 10.1093/eurheartj/ehv319
- vorherige Antibiotikaeinnahme
- langsames Wachstum, z.B. von HACEK**-Bakterien, Cutibacterium acnes oder Candida-Spezies
- intrazelluläre Erreger wie Bartonellen oder Chlamydien
- nicht-infektiöse Endokarditis (selten autoimmun oder paraneoplastisch)
Teil der Patienten erhält trotz Indikation keine OP
Etwas unübersichtlich gestaltet sich der Umgang mit gerinnungsaktiven Substanzen. So darf eine Plättchenhemmung bei niedrigem Blutungsrisiko fortgeführt werden, sollte aber nicht de novo erfolgen, nur weil eine endokardiale Vegetation vorliegt. Im Bezug auf Antikoagulanzien lautet die Empfehlung, diese bei Betroffenen mit mechanischer Klappenprothese, die bereits eine zerebrale Embolie hatten, mindestens zwei Wochen zu pausieren. Für eine operative Behandlung der Endokarditis gibt es klare Indikationen, z.B. eine klappenschaden-bedingte Herzinsuffizienz und eine therapieresistente Bakteriämie. Unklar bleibt derweil der optimale Zeitpunkt des Eingriffs. Grundsätzlich wird eine frühe Intervention befürwortet. Schlaganfälle, insbesondere durch intrazerebrale Blutungen, stellen hierbei den wichtigsten limitierenden Faktor dar. Doch auch wenn ein zerebrales Ereignis ausblieb, erhält ein signifikanter Teil der dafür infrage kommenden Patienten nach wie vor keine OP, kritisieren die Autoren.* Transkatheter-Aortenklappenintervention
** Haemophilus-Spezies, Aggregatibacter actinomycetemcomitans, Cardiobacterium hominis, Eikenella corrodens, Kingella-Spezies
Quelle: Hubers SA et al. Mayo Clin Proc 2020; 95: 982-997; DOI: 10.1016/j.mayocp.2019.12.008
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