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Klappen-OP angesichts der steigenden Zahl gefährlicher Endokarditiden oft alternativlos
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Sogar diese schwer geschädigte Mitralklappe ließ sich ohne kompletten Ersatz rekonstruieren (rechts)
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Staphylokokken, Enterokokken sowie weniger geläufige Erreger sorgen immer öfter für Entzündungen der Herzinnenhaut. Insbesondere scheinen sich akute und foudroyant verlaufende Klappenendokarditiden zu häufen. Diese Entwicklung beobachten Privatdozent Dr. Stephan Geidel von der Herzchirurgie der Asklepiosklinik St. Georg in Hamburg und Kollegen auch in ihrer Abteilung: Die Zahl der Eingriffe wegen einer Endokarditis stieg dramatisch. Inzwischen erfolgt jede fünfte Klappen-OP wegen einer entsprechenden Infektion, vor wenigen Jahren waren es noch 12 %.
Wie lässt sich eine derartige Zunahme erklären? Die Autoren sehen Veränderungen der Patientencharakteristika und damit der Prädisposition speziell in Ballungsräumen als mögliche Gründe. Sie umfassen:
- mehr nosokomiale Infektionen (Katheter, Langzeitintubation)
- vermehrt Abwehrschwäche (Systemerkrankung, Malignome etc.)
- Niereninsuffizienz, Leberzirrhose, Alkoholkrankheit, i.v. Drogenabusus
- häufiger vorbestehende kardiale Leiden bzw. Vorbehandlungen
Letzteres trifft mittlerweile auf zwei Drittel der Klappenendokarditis-Patienten von Dr. Geidels Team zu. Reoperationen machen ungefähr jeden fünften Eingriff aus. Erschwerte Bedingungen, z.B. durch eingewachsenes infiziertes Fremdmatrial, erhöhen dabei das OP-Risiko.
Ganz schön link(s)
Präoperative Koronarangio für alle über 45-Jährigen
Eine optimale Theapie setzt die Berücksichtigung mikrobiologischer, bildgebender sowie neurologischer und nephrologischer Befunde vorraus (zerebrale Emboli? Sepsis?). EKG, transthorakale und transösophageale Echokardiographie gehören zur Standarddiagnostik. Außerdem müssen sich alle Patienten über 45 Jahre – falls jünger alle mit koronarem Risikoprofil – vor dem Klappeneingriff regelhaft einer Herzkatheteruntersuchung unterziehen. Gemäß ESC*-Leitlinien zählen eine relevant eingeschränkte Pumpfunktion, Abszesse und Infektionen mit multiresistenten Keimen oder Pilzen zu den äußerst dringlichen OP-Indikationen.Rekonstruktion prognostisch besser als kompletter Ersatz
Im Vergleich zur konservativen Behandlung soll die radikale lokale Infektsanierung unter Wiederherstellung der Ventilfunktion die Gesamtprognose verbessern. Auch bei schweren Entzündungen gelingt die Versorgung heutzutage oft klappenerhaltend: Zum Wiederaufbau der Segel und Taschen eignet sich eine Patchplastik aus autologem Perikard besonders gut, so die Erfahrung der Kollegen. Für Endokarditiden an Mitral- oder Trikuspidalklappe gilt die Rekonstruktion als Therapie der Wahl, die Langzeitprognose liegt über der eines Klappenersatzes. Faktoren wie ausgedehnte Infektionen mit Befall von Anulus und/oder Papillarmuskeln oder aggressive Erreger schränken die Reparaturmöglichkeiten allerdings ein und machen eine Prothese erforderlich. Ist die Valva aortae betroffen, kommt das schonende Management z.B. bei kleinbasig aufsitzender Vegetation ohne Beteiligung des Taschenrandes infrage. Je nach Befund wählen die Operateure zwischen einem konventionellen oder einem minimalinvasiven Vorgehen, bei dem der Hautschnitt lediglich 4–6 cm misst. Dieser Ansatz geht mit einem geringeren Trauma einher und bietet bessere kosmetische Ergebnisse. Jedoch dauert die OP länger und lässt sich nicht bei allen Endokarditispatienten anwenden – im Hamburger Klinikum aktuell bei jedem sechsten. Ungefähr 5–10 % der Betroffenen entwickeln ein Rezidiv, 10–20 % sterben im ersten postoperativen Jahr und nach fünf Jahren leben noch 60–70 %. Zwar können spezielle Scores helfen, das OP-Risiko einzuschätzen, doch kein einziger von ihnen ist perfekt, schreiben die Experten. Schließlich schwankt die tatsächliche perioperative Letalität individuell stark, von ca. 4 % bei einfacher Befundkonstellation bis über 50 % bei Hochrisikopatienten. Im Einzelfall entscheiden- kardialer Befund (Ausbreitung, Herzinsuffizienz?),
- jeweiliger Keim/Blutkulturen,
- Komorbiditäten sowie
- Lebensalter.
* European Society of Cardiology
Quelle Text und Abb.: Geidel P et al. Hamburger Ärzteblatt 2018; 71: 12–16 © Hamburger Ärzteverlag, Hamburg
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Sogar diese schwer geschädigte Mitralklappe ließ sich ohne kompletten Ersatz rekonstruieren (rechts)
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