Teure HCV-Therapie auch bei Hochbetagten?

In einem waren sich alle Diskutanten einig: Rationierung ist eine politische und gesellschaftliche, keine primär ärztliche Aufgabe. Insofern ist klar: Wenn Leben verlängert und Symptome gelindert werden können, müssen auch ältere und multimorbide Patienten die effektive Behandlung erhalten.
Die modernen Therapeutika wirken auch bei betagten Patienten. Die Raten des anhaltenden virologischen Ansprechens (SVR) sind bei über 65-Jährigen nur unerheblich geringer als bei jüngeren. „Wir müssen aber auch über Nebenwirkungen sprechen“, meinte Professor Dr. Fritz von Weizsäcker von der Inneren Medizin I der Schlosspark-Klinik in Berlin.
Eine aktuelle Studie hat bei 65 % der behandelten Patienten auch unter einer interferonfreien Therapie Nebenwirkungen gefunden. Diese waren zwar hauptsächlich mit Proteaseinhibitoren assoziiert, fanden sich aber selbst unter Sofosbuvir plus Ledipasvir in 15,8 % der Fälle. Besonders problematisch seien die schwer kalkulierbaren Interaktionen, schließlich habe ein Viertel der über 70-Jährigen in Deutschland fünf und mehr Erkrankungen, mehr als die Hälfte zwei bis vier, erklärte Prof. von Weizsäcker. In der Folge nehme jeder zweite Senior mehr als drei Medikamente ein. Damit werde es hinsichtlich der möglichen Interaktionen unübersichtlich – erst recht bei der Vielzahl der DAA (direct acting antivirals) für HCV. „So viele Studien können Sie gar nicht machen, um das zu untersuchen“, meinte der Internist.
Dagegen betonte Professor Dr. Nektarios Dikopoulos, niedergelassener Gastroenterologe aus Dornstadt, dass die Therapie auch bei über 80-Jährigen nicht nur wirksam, sondern sicher sei. In einer japanischen Studie zur Therapie mit Daclatasvir plus Asunaprevir bei Patienten in diesem Alter, die mit HCV-Genotyp-1b infiziert waren, lagen die Abbruchraten nicht höher als die der 70- bis 80-Jährigen bzw. unter 70-Jährigen. Neben einer vergleichbar hohen SVR-Rate in allen Altersgruppen fand sich selbst bei den Betagten ein Hinweis auf einen Überlebensvorteil durch die Therapie bei einem fortgeschrittenen Fibrosegrad.
Überlebensvorteil selbst bei über 80-Jährigen mit Fibrose
Zudem hat die interferonfreie Therapie ja gerade den Vorteil, das sie auch in schwierigen Situationen eingesetzt werden kann, sei es bei Zirrhose, Koinfektionen, Dialyse oder nach einer Lebertransplantation.
Israelische Experten haben vorgeschlagen, über 70-jährige Patienten mit chronischer Hepatitis C nur bei einer Lebenserwartung von über einem Jahr und ohne Komorbiditäten sowie bei einem Fibrosegrad 2 bis 4 nach Prüfung etwaiger Interaktionen mit anderen Medikamenten zu behandeln. Dieses Vorgehen hält Prof. von Weizsäcker für unrealistisch. „Wenn wir diese Kriterien einsetzen würden, könnten wir bei den über 80-jährigen Patienten nur selten eine Indikation zur Behandlung stellen.“
Die moderne HCV-Therapie sollte auch bei älteren Patienten indikationsgerecht und im klinischen Kontext sinnvoll eingesetzt werden. Indiziert ist sie nach Meinung der Experten bei symptomatischer Infektion, hohem Fibrosegrad und Begleiterkrankungen, die durch die HCV-Infektion verschlechtert werden.
Prof. Dikopoulos sagte: „Komplikationen an der Niere, Glomerulonephritiden, B-Zell-Lymphome, anaplastische Anämie, Hauterkrankungen wie Pyoderma gangraenosum, Fatigue, Depression, Konzentrationsstörungen – all das waren Indikationen, bei denen wir uns im individuellen Kontext zu einer Therapie bei betagten Patienten entschlossen haben.“
123. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin
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